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Silke Burmester kommt in die Jahre Die Wechseljahre und ich

Drei Frauen am Strand lachen miteinander
© Romana / Adobe Stock
Autorin Silke Burmester schlief schlecht und schwitzte – geschenkt. Was aber mit der Menopause eigentlich mit ihr passierte, erstaunte sie viel mehr.

Manche Dinge verhalten sich wie ein Scheinriese. Man ahnt Böses, fürchtet das Schlimmste, und je näher das Ereignis rückt, desto unbedeutender wird es. Die Wechseljahre dagegen sind vorher schon groß und entfalten, sind sie erreicht, eine Wirkung, die hätte man sich nicht vorstellen können. Sie fegen, sie rütteln, sie zerren, sie beuteln, sie schütteln und werfen einen mitunter krachend aus der Bahn.

Ich wähnte mich, wie die meisten von uns, vorbereitet. Dachte: "Ach, das mach ich schon! Dann schwitz ich eben und schlafe schlecht. Es gibt Schlimmeres."

Ja, es gibt Schlimmeres. Nämlich die Krise, die das Schwitzen begleitet. Diese elementare, einen zu Boden werfende Krise, in der alles infrage steht und man überhaupt nicht mehr weiß, wer man ist. Und schon gar nicht, wer man sein möchte. Wie man sein möchte. In der man das Gefühl hat, sich verloren zu haben, und nicht weiß, wonach man suchen soll. Geschweige denn wo.

"Ich bin ein Haufen Elend – aber ein spannender"

Von einem Moment auf den anderen Mutter zu werden war nicht so fremd, wie in der Lebensmitte in der Krise zu sein. Es erinnert mich an meine Pubertät. Nur dass ich die nicht so bewusst erlebt habe, nicht das Gefühl hatte, meine Wandlung beobachten zu können. Ganz anders jetzt. Jetzt blicke ich auf diese Frau im Wandel, im Wechsel, und sehe, wie sie sich windet. Wie sie sich quält. Wie sie das Interesse an ihrem Beruf verloren hat, an dem, was ihre Identität ausmachte, und anfängt, sich für Vögel zu interessieren. Wie sie morgens turnen muss, weil ihr Körper sonst den Tag über steif bleibt. Wie sie Sex auf eine Art möchte, die ihr in jungen Jahren die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. Ihn aber nicht hat. Ich blicke auf diese Frau und sehe, wie sie schlingert und ihren Weg nicht mehr kennt.

Mit anderen Worten: Ich bin ein Haufen Elend. Aber: Ich bin ein spannender Haufen Elend. Ich bin in einer Metamorphose. Ich bin in einem grauen Kokon, und schon jetzt jucken meine bunten Flügel. Sie wollen an die Luft und ausgebreitet werden. Ich merke, dass ich noch viel will, viel vorhabe. Selbst wenn ich nicht weiß was. Mir wachsen gerade Flügel, die ausgebreitet werden wollen, um zu schimmern und zu scheinen. Und das ist genau der Reiz: die Vorstellung, eine Frau zu sein, die nicht mehr jung ist und sich dennoch nicht an den Spielfeldrand setzt. Mich kitzelt diese Wut über die Unverschämtheit im Umgang mit uns. Über den Umstand, dass wir an allen Ecken und Enden aussortiert werden, weil wir mit der Unfruchtbarkeit unsere Zulassung im Klub der Nutzbringer verloren haben.

Diese Wut kratzt eine geradezu pubertäre Lust am Krawall in mir wach, die sich mit dem guten Gefühl paart, eine reife Frau zu sein. Eine Frau, die praller und voller ist, als sie es je war, und es nicht hinnehmen möchte, dass "Frau in den Wechseljahren" gleichgesetzt wird mit Mangel und Wertverlust. Im Gegenteil. Die Wechseljahre sind unsere Eintrittskarte. Eine Eintrittskarte in den Klub derer, die sich nicht mehr beweisen müssen und großzügig und voller Freude geben können. Ihre Erfahrung, ihr Wissen, ihre Kontakte. Manche auch ihr Geld. Raus damit!

Wie ein Schiff auf wilder See

Ich erlebe unter uns Frauen eine große Solidarität und erkläre sie mir damit, dass wir nicht mehr in Konkurrenz um die elementaren Dinge stehen. Wir müssen im Berufsleben nicht mehr Fuß fassen, und Sperma spielt für unsere Familienplanung keine Rolle mehr, wie die Autorin Julia Karnick es so hübsch formulierte. Auch wenn wir uns früher nicht so sympathisch waren, so gehen wir Frauen nun aufeinander zu und sagen: "Was, du auch?!" Wir wissen, dass keine von uns ohne Blessuren bis hierhin gekommen ist, und das beruhigt. Das vermeintliche Scheitern, die zerrüttete Ehe, der Beruf, der keine Erfüllung mehr bringt, ist kein individuelles Versagen, es ist der Lauf der Dinge. Lebensentwürfe, wie wir sie in unseren Zwanzigern geformt und umgesetzt haben, sind für die erste Lebenshälfte gemacht. Jetzt brauchen wir neue.

Das zu verstehen, hat der Krise ihren Schrecken genommen. Jetzt denke ich, das muss so sein. Ein Schiff auf wilder See. Das Überflüssige geht über Bord, was morsch ist, hält nicht stand. Nach dem Sturm bleibt die Substanz. Die flicke ich jetzt und mach sie wieder schön. Dann wird weitergefahren. Ich will noch viel erleben.

Silke Burmester
Silke Burmester, 57, ist Journalistin und hat Palais F*luxx gegründet, das Online-Magazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre für Frauen ab 47 (palais-fluxx.de).
© PR

Brigitte

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