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Kur-Sparen kann krank machen

Die Ärztekammer will Kürzungen bei Kur und Haushaltshilfe - keine gute Idee.

Die Gesundheitskosten explodieren - so beklagen es Politiker immer wieder: Für Arzneimittel, Laborleistungen, Diagnosetechnik und Operationen wird jedes Jahr mehr Geld ausgegeben. Nur in wenigen Bereichen sinken die Ausgaben der Krankenkassen. Etwa beim Krankengeld, weil immer weniger Menschen sich lange krank schreiben lassen. Und bei Kuren und Rehabilitation - was insgesamt ohnehin weniger als zwei Prozent der Gesundheitskosten ausmacht.

Jetzt verkündete der Präsident der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe, dass es medizinische Leistungen bald nicht mehr für alle geben wird. Wo könnte man seiner Meinung nach sparen? Ausgerechnet bei den Kuren. Außerdem schlägt Hoppe vor, "familienpolitisch begründete Maßnahmen wie Haushaltshilfen" einzusparen. Gemeint sind die maximal 62 Euro pro Tag, die von den Krankenkassen für eine Hilfskraft gezahlt werden, wenn Mütter im Krankenhaus oder aus medizinischen Gründen nicht in der Lage sind, Haushalt und Kinderbetreuung allein zu bewältigen.

Ökonomisch gesehen sind solche Vorschläge völliger Unsinn: Es ist eine Sparpolitik auf Kosten der Gesundheit, oft gerade der Frauen - und das wird langfristig gesehen teuer. Es gibt viele Studien, die zeigen, dass Menschen, die an einer Kur - etwa nach Krebs, Herzinfarkt oder einer psychischen Erkrankung - teilnehmen, nicht nur ihr Gesundheitsverhalten verändern und damit Folgekrankheiten vorbeugen. Sie werden außerdem nach einer Kur weniger krankgeschrieben, nehmen weniger ärztliche Behandlung in Anspruch und bleiben länger erwerbsfähig.

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Seit einem Jahr haben gesundheitlich angeschlagene Mütter und Väter endlich einen gesetzlichen Anspruch auf eine Eltern-Kind-Kur - kein Wellness-Urlaub, sondern eine wichtige therapeutische Maßnahme. Wenn Kinder etwa unter Allergien oder ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung) leiden oder allein erziehende Mütter völlig ausgebrannt sind, profitiert oft die ganze Familie von so einer Kur - auch gesundheitlich.

Ein anderes Beispiel: die gynäkologische Rehabilitation. Viele Frauen kommen dort erst an, wenn sie eine Odyssee von Arztbesuchen, Diagnosen, Operationen und Therapien hinter sich haben. Dabei könnten sie ihre Probleme durchaus in den Griff bekommen, wenn sie einmal die Chance hätten, sich für ein paar Wochen mit professioneller Unterstützung mit ihrem eigenen Körper zu befassen. Darauf weist Dr. Barbara Ehret, ehemalige Chefin der gynäkologischen Abteilung einer Reha-Klinik in Bad Salzuflen und BRIGITTE-Buchautorin, seit Jahrzehnten hin. Durch eine frühzeitig und sinnvoll eingesetzte Kur blieben den Patientinnen viele teure und belastende Folgeerkrankungen und Behandlungen erspart.

Das Gesundheitssystem spart also kein Geld, wenn Kuren und Haushaltshilfen verknappt werden - im Gegenteil. Ärzte allerdings müssten eine solche Sparmaßnahme nicht fürchten, denn die Leidtragenden sehen sie dann als Patientinnen in ihren Praxen wieder. Man will dem Präsidenten der Bundesärztekammer nicht unterstellen, dass seine Vorschläge einem derart zynischen Kalkül folgen. Aber an das Wohlergehen der Patientinnen und Patienten hat er dabei bestimmt nicht gedacht.

Text: Irene Stratenwerth Foto: Silke Goes Illustration: Tim Möller-Kaya

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