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Kranke Krankenschwestern

Gefährlicher Raubbau: Krankenschwestern sollen noch mehr leisten, damit es für die Kliniken billiger wird.

"Schwestern und Pfleger sollen den Klinikärzten künftig mehr Aufgaben abnehmen. Damit soll Geld eingespart werden." Das konnte man diese Woche in der Süddeutschen Zeitung über einen aktuellen Vorschlag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) lesen.

Super Idee, werden vermutlich alle denken, die auch nur eine leise Vorstellung vom Alltag in unseren Krankenhäusern haben. Schließlich ruinieren dort schon jetzt vor allem Frauen Körper und Seele in einem der belastendsten Berufe, die es derzeit gibt. Schichtarbeit, Zeitdruck, ständiges Heben und Tragen, gesundheitliche Risiken, die ständige Konfrontation mit menschlichem Leid - kein Wunder, dass immer mehr Krankenschwestern unter chronischen Rückenschmerzen, Burn-out und psychosomatischen Störungen leiden. Kein Wunder, dass sie im Durchschnitt nur viereinhalb Jahre in diesem Job durchhalten.

All das in den letzten Jahren noch schlimmer geworden. Die Privatisierung vieler öffentlicher Krankenhäuser zog einen massiven Stellenabbau nach sich und damit noch mehr Hetze in der täglichen Arbeit - und das ständige Gefühl, den Bedürfnissen der Patienten nicht gerecht werden.

Von der Angst um den Arbeitplatz ganz zu schweigen: Erst kürzlich verkündete etwa die renommierte Hamburger Endo-Klinik den Plan, ausgebildete Krankenschwestern zu entlassen und durch billige Hilfskräfte zu ersetzen. Zugleich baut die Klinik mit 38 Millionen Euro Steuermitteln ein neues, größeres Haus.

Angesichts solcher Vorgänge klingt es wie blanker Zynismus, wenn der DKG-Präsident Rudolf Kösters erklärt: "Die Kliniken müssen verstärkt über die effiziente Nutzung des Personals nachdenken." Der Hintergrund: Nachdem es die Ärzte - völlig zu Recht - geschafft haben, höhere Löhne für sich durchzusetzen, soll nun das billigere Pflegepersonal helfen, teure Arztstellen einzusparen.

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Natürlich ist es nicht verkehrt, zu überlegen, ob Krankenschwestern auch Blut abnehmen, Infusionsnadeln setzen oder Schmerzmittel geben, vielleicht auch mal ein Gespräch mit Patienten führen könnten. Manches wäre bei den Schwestern, die mit den Kranken viel mehr Kontakt haben, vielleicht sogar in besseren Händen. Die meisten Patienten, so ergab kürzlich eine schottische Studie, fänden es auch in Ordnung, wenn sich um kleinere Beschwerden nicht ein Arzt, sondern medizinisches Pflegepersonal kümmert. Am Ende könnten also alle Seiten davon profitieren.

Doch dafür bräuchten die Krankenschwestern vor allem eins: mehr Zeit. Und die kostet in unserem Gesundheitssystem bekanntlich Geld. Woher das kommen soll und wo man Kosten sinnvoller reduzieren kann, darüber muss man reden. Doch wer ausgerechnet bei der Pflege sparen will, gefährdet nicht nur die Frauen (und Männer), die diesen Job machen, sondern alle, die einmal auf ihre Hilfe angewiesen sein werden.

Text: Irene Stratenwerth Foto: Silke Goes Illustration: Tim Möller-Kaya

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