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Instagram Wie das soziale Netzwerk Magersucht befeuern kann

Eine Frau liegt auf der Couch und schaut auf einen Teller mit einer einzigen Gurkenscheibe.
© VGstockstudio / Shutterstock
Perfekt geformte, schlanke Körper, so weit das Auge reicht. Bei dem sozialen Medium Instagram geht es heutzutage nicht mehr um Echtheit, sondern vielmehr um Perfektion. Welchen Druck das auf die User:innen ausüben und wie die App sogar den Weg in die Magersucht weisen kann, zeigen geleakte Informationen des Meta-Konzerns.

Das soziale Medium Instagram hat sich seit seinem Launch im Jahre 2010 sehr stark gewandelt. Während man die App früher nutzte, um Schnappschüsse aus dem echten Leben festzuhalten und mit seinen Freunden zu teilen, nutzen viele heute die App vorrangig zur Selbstoptimierung und -darstellung. Dafür greifen immer mehr User:innen zu Filtern und Bearbeitungsprogrammen oder treiben exzessiven Sport.

Schönheitsideal bei Instagram übt Druck aus

In unserem Feed finden sich zahlreiche Postings von Leuten, die ihren vermeintlich ganz normalen Alltag mit uns teilen. Dass das, was sie da zeigen, nicht der Wahrheit entspricht und hinter all den Inhalten viel Inszenierung und Arbeit steckt, hat uns die Erfahrung und der Umgang mit der App über die Jahre gezeigt. Schließlich verdienen einige Nutzer:innen mit ihren Inhalten Geld. Doch trotz unseres Wissens kann es sich negativ auf unser Wohlbefinden und Selbstbild auswirken. Denn ein kleiner Teil in uns möchte eben genau so sein und genauso aussehen wie die schönen Influencer:innen. Durchtrainiert, mit keinem Gramm Fett zu viel am Körper.

Magersucht: Warum vor allem junge Mädchen dem Schönheitsdruck erliegen

Besonders junge Mädchen können anfällig für eine Essstörung sein. Der Grund: Sie befinden sich inmitten der Pubertät – ihr Körper verändert sich, wird kurviger, oft geht damit eine Gewichtszunahme einher. Für viele überfordernd, schließlich war man eben noch ein Kind und keine heranwachsende Frau. Hinzu kommt, dass der Selbstwert der Mädchen erst noch ausgebildet werden muss. Für Meinungen anderer sind sie in dieser Zeit daher besonders anfällig. Leiden die pubertierenden Mädchen bereits an einem geschwächten Selbstwert, beispielsweise durch Mobbing in der Schule oder schwierigen Familienverhältnissen, sind sie anfälliger, dem Druck des Schönheitsideals nachzugeben und an einer Essstörung zu erkranken.

Corona Pandemie verstärkte Nutzung von sozialen Medien bei Jugendlichen

Während viele Erwachsene in der Pandemie vor allem die Natur für sich wiederentdeckt haben, flüchteten viele Jugendliche in die digitale Welt, so zeigt es eine Studie der Krankenkasse DAK. Und genau hier kommt der Knackpunkt. Denn die Influencer:innen, die den Pubertierenden als Orientierungshilfe dienen, vermitteln überwiegend das gängige Schönheitsideal – schlank, durchtrainiert und fit. Für Mädchen, die sich mit ihrem "neuen" Körperbild erst noch anfreunden müssen, fatal. Denn sie bekommen schnell das Gefühl, ihr Körper sei nicht normal und entspreche nicht der Norm. Das Problem: Je mehr Inhalte die Mädchen konsumieren, die dieses einseitige Schönheitsideal thematisieren, desto häufiger spielt der Instagram-Algorithmus passende Inhalte aus – ein Teufelskreis, der einen schnell den Bezug zur Realität verlieren lässt.

Mager-Coaches kontrollieren das Gewicht

Doch nicht nur der Algorithmus hat seine Tücken, sondern auch das Nutzerverhalten der User:innen. Denn nicht alle nutzen die App zur Selbstdarstellung. Die sogenannten "Mager-Coaches" sind vielmehr darauf aus, junge Mädchen aufzusuchen, die sich auf ihrem Instagram-Kanal mit den Themen Sport, Ernährung und Abnehmen beschäftigen. Die Suche erfolgt meist über bestimmte Hashtags, die die Userinnen nutzen. Dazu gehören unter anderem #thinspo #thin oder #skinny. Das Ziel: Die selbst ernannten Mager-Coaches wollen die jeweiligen Userinnen bei der Abnahme "unterstützen", so die Definition. Doch eigentlich möchten die Mager-Coaches etwas ganz anderes: Kontrolle über Menschen ausüben und Schaden anrichten – auf Kosten der jungen Mädchen. Dabei ist die Vorgehensweise immer gleich: Sie bauen eine Bindung zu den Mädchen auf, geben vermeintlich "harmlose" Tipps, die die Abnahme erleichtern sollen. Ist das Vertrauen der Userinnen gewonnen, verlangen die Mager-Coaches Bilder, die ihren Körper zeigen – und zwar möglichst freizügige, "um so den Abnehmfortschritt besser beurteilen zu können". Das Fatale: Entscheidet sich eine Userin den Kontakt zum Mager-Coach abzubrechen, droht dieser mit der Veröffentlichung der Bilder. Ein Druckmittel, dass viele Mädchen aus Scham zum Bleiben zwingt. 

Geleakte Infos zeigen: Instagram war das Problem bereits bekannt – unternahm aber lange Zeit nichts

Schon seit einiger Zeit stand Instagram immer wieder in der Kritik, besonders jüngere Nutzer:innen nicht ausreichend zu schützen. Doch spätestens seit den sogenannten "Facebook Files" gibt es mit der Kritik an der App kein Halten mehr. Denn mit den geleakten Informationen, die aus internen Studien, Präsentationen und Chats bestehen, beweist die ehemalige Mitarbeiterin des Instagram-Mutterkonzerns "Meta" Francesca Haugen, dass der Fotoapp längst bekannt war, das sie psychische Erkrankungen, wie Magersucht und Depressionen aktiv fördern – unternommen wurde aber lange nichts. Stattdessen wurden die internen Erkenntnisse im Unternehmen klein gehalten und der Öffentlichkeit verschwiegen, so der Vorwurf.

Erst nachdem die internen Dokumente in die Hände von Journalist:innen und der US-Behörde gelangten und publik worden, reagierte Instagram mit Gegenmaßnahmen. Der Meta-Konzern löschte problematische Hashtags, bei einigen anderen werden nun Warnhinweise angezeigt, die den User:innen Hilfsmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen aufzeigen. Doch ein großes Problem bleibt: Profile von Nutzer:innen können nicht allein aufgrund ihres Aussehens entfernt oder blockiert werden. Vielmehr müssen Betroffene problematische Profile eigenständig melden und dem sozialen Netzwerk von ihren Erfahrungen berichten, denn die sogenannten "Mager-Coaches" sind nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich.

Medienwissenschaftler fordert eine verstärkte Medienbildung

Doch nicht nur Instagram muss zur Verantwortung gezogen werden, sondern auch Eltern und öffentliche Einrichtungen wie beispielsweise Schulen, fordert Medienwissenschaftler Guido Zurstiege. Denn die Medienbildung unserer Kinder und Jugendlichen sei lückenhaft und mit dem heutigen Nutzerverhalten nicht mehr vereinbar. Der jüngsten Generation müsse beigebracht werden, dass der Mensch viel mehr als nur seine äußere Hülle zu bieten hat, welche Folgen aus einer problematischen Nutzung entstehen und wie man sich im Notfall Hilfe suchen und seine Scham überwinden kann.

Verwendete Quellen: ndr.de, tageschau.de, zeit.de, familienorientierung.at, deutschlandfunk.de

ran Brigitte

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