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Wunschkaiserschnitt: Einschneidendes Erlebnis

Lifestyle-OP mit Folgen oder Wahlfreiheit für Frauen? Immer mehr Babys werden per Wunsch-Kaiserschnitt auf die Welt geholt. Die Geburt mit dem Skalpell besticht zwar durch ihre Planbarkeit, ist aber trotzdem umstritten.

Für Corinna Markwart* war der Fall schnell klar. Schon früh in der Schwangerschaft stimmte sie einem Kaiserschnitt zu. Ihr Baby lag falsch herum und eine Schnittentbindung kam ihr in jeder Hinsicht entgegen. "Ich war froh, dass es so gekommen ist", sagt sie, "das Risiko für mein Kind wurde minimiert und von der Geburt habe ich nichts mitbekommen." Den Eingriff ließ sie unter Vollnarkose vornehmen: "Mein Mann war ja da. Ich wusste, dass er sich um das Baby kümmern würde bis ich aufwache. Das Geburtserlebnis war für mich nicht so wichtig." Die Künstlerin aus Bayern ist sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung. Zumal sie Angst davor hatte, dass der Sex unter möglichen Veränderungen im Genitalbereich leiden könnte.

Was in den USA und Brasilien bereits Normalität ist, wird auch hierzulande immer öfter praktiziert. Nicht nur Promis wie Claudia Schiffer oder Jenny Elvers entscheiden sich für den Kaiserschnitt. Bereits jedes fünfte Kind erblickt in Deutschland auf dem OP-Tisch das Licht der Welt, 1980 war es noch jedes elfte. Die Gründe sind vielfältig: Zum einen ist die "Sectio Caesarea" längst nicht mehr so gefährlich wie früher. Zum anderen ermöglicht sie eine schnelle, planbare Geburt ohne Wehenschmerzen. Sie lindert die Angst der Schwangeren vor der Geburt als "Naturgewalt" und vor möglichen Schäden am eigenen Körper: Durch die starke Belastung der Beckenbodenmuskulatur kommt es bei fünf bis zehn Prozent der Frauen zu Harn- oder Stuhlinkontinenz, manche fürchten, dass der Sex nach der Geburt nicht mehr so intensiv ist. Die Geburt per Kaiserschnitt verspricht eine rundum "unversehrte" Mutter und maximale Sicherheit für das Baby.

Der sanfte Schnitt

Ein geplanter oder Wunsch-Kaiserschnitt (auch Elektiver Kaiserschnitt, Wunsch-Sectio oder Primär-Sectio genannt) wird zehn bis 14 Tage vor dem errechneten Geburtstermin angesetzt, also lange bevor die Wehen einsetzen. Der Schnitt verläuft entlang der Bikinigrenze, so dass er später kaum zu sehen ist. Beim heute praktizierten "sanften Kaiserschnitt" nach der Misgav-Ladach-Methode wird nur ein kurzer Schnitt gesetzt, der dann aufgedehnt wird. Betäubt wird die Frau in den meisten Fällen mit einer rückenmarksnahen Spritze ("PDA") - die werdende Mutter erlebt die OP schmerzfrei, aber bei vollem Bewusstsein. Der Eingriff dauert in der Regel 45 Minuten.

Wahlfreiheit oder Entmündigung?

Für den Züricher Gynäkologen Dr. Michael Singer liegt ein großer Vorteil der geplanten Sectio darin, einen Notfallkaiserschnitt von vornherein ausschließen zu können - eine wachsende Gefahr, da die Kinder immer schwerer und größer würden. Vor allem aber sieht er die Patientenrechte der Frauen gestärkt: Die Schwangeren hätten jetzt die Wahl zwischen der "natürlichen Ungewissheit" einer Geburt und der "planbaren Gewissheit" eines Kaiserschnitts.

Doch was für die einen mehr Wahlfreiheit und medizinischer Fortschritt bedeutet, ist für andere eine Tendenz zur Entmündigung der werdenden Mütter. Kritiker beklagen, dass immer mehr Frauen das dramatischste Ereignis ihres Lebens in die Hände der Ärzte abgäben. Von der aktiven Position der Gebärenden, die im Kreißsaal eine enorme Leistung vollbringt, begebe sie sich in die passive Rolle einer Patientin.

Nicht nur deshalb hält Prof. Dr. Heribert Kentenich, Chefarzt an der DRK Frauenklinik in Berlin, den Wunsch-Kaiserschnitt für eine Fehlentwicklung der Medizin. "Natürlich hat jede Frau Ängste, wenn es um die Geburt ihres Kindes geht, das ist ganz normal. Kommt mein Kind gesund zur Welt? Halte ich die Schmerzen aus? Wie erlebt mein Partner die Geburt?" Seiner Ansicht nach ist es aber Aufgabe der Ärzte, diese Ängste in den Griff zu bekommen - eine Aufgabe, der immer weniger Gynäkologen nachkämen. Auch Prof. Dr. Peter Husslein, Leiter der Abteilung für Geburtshilfe an der Uniklinik Wien, betont, dass die Beratung der werdenden Mütter heutzutage sehr ausführlich und ausgewogen sein müsse. Tatsächlich werden Schwangere nicht immer zur natürlichen Geburt ermutigt: Lässige Slogans wie "Preserve your Lovechannel" (Erhalte deinen Liebeskanal), die auf manchen Klinikfluren kursieren, sind in punkto Aufklärung wenig hilfreich.

*Name wurde von der Redaktion geändert

Schnell, lukrativ und sicher für das Baby

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Für die Ärzte hat die Geburt nach Plan Vorteile: Die Babys kommen zu normalen Dienstzeiten und die Operation dauert nicht so lange wie eine natürliche Geburt, bei der die Wehen sich über Tage hinziehen können. Einträglicher ist der Kaiserschnitt sowieso. Mit circa 3400 Euro bringt er fast doppelt so viel ein wie eine Geburt, und die frisch gebackenen Mütter bleiben statt der üblichen drei bis fünf Tage schon mal zehn Tage im Krankenhaus.

Verfechter der natürlichen Geburt monieren deshalb auch, dass der geplante Kaiserschnitt aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht zu vertreten sei. Damit die Kasse eine Sectio ohne medizinische Indikation übernimmt, muss der Arzt falsche Angaben machen. Eine Praxis, die Prof. Kentenich ablehnt. Vielmehr findet er, dass "die gnädige Frau in diesem Fall selbst für ihren Kaiserschnitt aufkommen sollte." Prof. Husslein hat eine andere Lösung parat: Er fordert, dass die Kosten für Sectio und natürliche Geburt angeglichen werden. So würden wirtschaftliche Interessen bei der Beratung keine Rolle mehr spielen. In Österreich ist dies bereits der Fall.

Ein weiterer Grund, warum die Sectio immer mehr Zustimmung findet, ist das geringere Risiko für das Baby - Schädel- oder Schlüsselbeinbrüche sowie Sauerstoffmangel können die Folgen einer vaginalen Geburt sein. Deshalb haben die Ärzte beim Kaiserschnitt auch weniger Kunstfehlerprozesse zu fürchten. Vielleicht auch ein Grund, warum so viele prominente Frauen per Kaiserschnitt entbinden. "Die Ärzte können sich begraben lassen, wenn Claudia Schiffers Baby einen Geburtsfehler davon trägt. Ihre Karriere wäre schlagartig beendet", erzählt eine Ärztin an einer bayerischen Entbindungsklinik, die ihren Namen lieber nicht genannt haben möchte.

Risiken und Nebenwirkungen

Ein geplanter Kaiserschnitt ist für alle Beteiligten die einfachere Lösung. Aber ist sie auch die bessere? Immerhin ist die Sterblichkeitsrate der Mütter beim Kaiserschnitt drei Mal so hoch ist wie bei einer vaginalen Geburt, wenngleich auf niedrigem Niveau. Wie bei jeder anderen Operation sind Embolien, Narkoseprobleme, Verwachsungen und Infektionen möglich, die Gebärmutter kann beim nächsten Kind an der vernarbten Stelle reißen. Und während die Wehenschmerzen nach der Geburt normalerweise einer allumfassenden Euphorie weichen, fangen die Narbenschmerzen nach einer OP erst an. Beim Kind kann es zu Atemproblemen kommen, da es den Geburtskanal nicht passiert - das Fruchtwasser wird nur unvollständig aus der Lunge gepresst. Es wird auch darüber gestritten, ob das Neugeborene reif genug ist, wenn es aus dem wehenfreien Uterus geholt wird, und ob die Stressreaktionen des Kindes bei der vaginalen Geburt wichtig für dessen Entwicklung sein könnten.

Ein unglaubliches Erlebnis

Für Susana Ba wäre es "das Letzte gewesen, sich den Bauch aufschneiden zu lassen". Sie fand die Geburt ihrer Tochter Naissy nicht schlimm, sondern hochinteressant zu sehen, zu welcher Leistung ihr Körper in der Lage ist. "Ich war stolz, überrascht, es war ein absolut faszinierendes Erlebnis." Sehr schön fand sie auch, dass die Kleine ihr sofort nach der Geburt auf den Bauch gelegt wurde, "mit Nabelschnur und allem".

Für sie hat es einen Sinn, auf natürliche Weise zu gebären, die Schmerzen festigten die Bindung zum Kind. Davon ist auch Birgit Pelz überzeugt. Die Ärztin und ehemalige Hebamme hält es für wichtig, dass Frauen ihr Kind aus eigener Kraft auf die Welt bringen. "Frauen, die per Kaiserschnitt entbinden, fehlt oft das Vertrauen in sich selbst, das Wissen, etwas Unglaubliches geschafft zu haben und zu sehen, wie stark sie eigentlich sind". Sie berichtet von Müttern, die es nie verkraften, keine natürliche Geburt erlebt zu haben - wie Laura, die eigens eine Website für Mütter ins Leben gerufen hat, die wie sie "seelisch nicht darüber hinweggekommen sind". Sie leiden ihr Leben lang darunter, das Geburtserlebnis verpasst und ihr Kind nicht bis zum Ende ausgetragen zu haben.

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