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Wohngifte

Die Suche nach Schadstoffen in der Wohnung kann ziemlich teuer werden. Welche Untersuchungen überhaupt sinnvoll sind und was sie kosten dürfen.

Seit Monaten litt Roswitha K. unter Kopfschmerzen und Müdigkeit. Besuche bei mehreren Ärzten blieben ohne Ergebnis. Schließlich bestellte sie bei einem Umweltlabor ein Test-Set. Das Labor empfahl eine Totalsanierung des Hauses - angeblich seien Schadstoffe in hohen Konzentrationen gefunden wurden. Geschätzte Kosten: 100000 Mark. Ein verzweifelter Anruf bei der Düsseldorfer Verbraucherzentrale sparte der 45-Jährigen eine Menge Geld. Schon im ersten Gespräch stellte sich heraus, dass die Beschwerden auftraten, seit Roswitha K. einen neuen Teppich gekauft hatte, der auch nach Monaten noch seltsam roch. Der Fehlkauf wurde in den Keller verfrachtet - die Kopfschmerzen verschwanden.

Wenn Sie glauben, an einer Umweltkrankheit zu leiden...

...sollten Sie zunächst mögliche andere Ursachen vom Haus- oder Facharzt ausschließen lassen. Durchforsten Sie in Gedanken Ihren Hausrat: Haben Sie selbst ein bestimmtes Möbelstück, zum Beispiel ein neues Regal aus Spanplatten, im Verdacht? Beseitigen Sie es probeweise. Oder schlafen Sie in einem anderen Zimmer. Bessern sich die Beschwerden? Dann haben Sie den Übeltäter vielleicht schon entlarvt. Trennen Sie sich von dem guten Stück. Es sei denn, Sie möchten Ihren Vermieter oder den Hersteller finanziell belangen. Wenn Sie keine heiße Spur haben, wenden Sie sich zunächst an einen niedergelassenen Umweltmediziner (aus dem Branchenbuch), die umweltmedizinische Beratungsstelle eines Gesundheitsamtes oder die Umweltambulanz einer Uniklinik (siehe Tipps). Oft lässt sich dort schon bei einem ausführlichen, in der Regel kostenlosen Gespräch abschätzen, ob wirklich Umweltfaktoren für Ihre Gesundheitsprobleme in Frage kommen. Nach Schätzungen von Experten erhärtet sich nur bei zehn bis 20 Prozent der Patienten der anfängliche Verdacht.

Geeignete Umweltinstitute

Befürworten die Ärzte eine Schadstoffmessung in der Wohnung, lassen Sie sich ein geeignetes Labor empfehlen. Oder wenden Sie sich an den Dachverband "Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute" (AGÖF). Mitgliedsfirmen müssen gewisse Qualitätsstandards einhalten. Fragen Sie nach Arbeitsschwerpunkten und Erfahrung. Mitarbeiter seriöser Institute machen Ortsbegehungen. Sie arbeiten häufig mit endoskopischen Methoden - so können Mini-Proben beispielsweise aus Holzverschalungen genommen werden, ohne dass man die halbe Wohnung demontieren muss. Wie wichtig die Auswahl eines guten Labors ist, zeigt eine Aufsehen erregende Studie des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität Düsseldorf. Ein Test ergab, dass Umweltlabore bei vergleichbaren Bedingungen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Eine unabhängige, bundesweite Qualitätsprüfung von Umweltinstituten fehlt bislang. Die einzige Untersuchung hat die Verbraucherzentrale Düsseldorf vor zwei Jahren durchgeführt - allerdings nur für Nordrhein-Westfalen. Von rund 500 Instituten, die in diesem Bundesland Messungen anbieten, wurden lediglich 80 als "empfehlenswert" eingestuft. Ins Geschäft mit den Schadstoffmessungen sind seit kurzem auch Apotheker eingestiegen. Nach einer nur wenige Tage dauernden Ausbildung dürfen sie mit dem vielversprechenden Etikett "Umweltapotheker" werben. Um Kosten zu sparen, werden die Kunden häufig aufgefordert, die Proben selbst zu nehmen. Dullin: "Die mit Abstand größte Fehlerquelle überhaupt." Allenfalls "vage Anhaltspunkte" liefern seiner Ansicht nach auch die Do-it-yourself-Tests (z. B. für Formaldehyd), die man in Apotheken kaufen oder beim Hersteller direkt bestellen kann. Dullin: "Das ist falsche Sparsamkeit."

Hitliste: Die häufigsten Gifte

Nicht etwa gefährliche Gifte, sondern Schimmelpilze sind die häufigste Schadstoffquelle in der Wohnung. Chronische Probleme mit den Atemwegen wie zum Beispiel Nebenhöhlenentzündungen können die Folge sein. Und nicht immer verraten sichtbare Flecken auf Wänden und Tapeten oder ein muffiger Geruch den Befall - ein erfahrenes Labor ist deshalb besonders wichtig. Ursachen können sowohl undichtes Mauerwerk und von außen eindringende Feuchtigkeit sein, aber auch zu seltenes Lüften oder Einbaumöbel, die direkt an der Wand stehen. Die Sanierung ist auf alle Fälle Aufgabe einer Fachfirma. Zweithäufigstes Problem: Formaldehyd. Mögliche Symptome: brennende Augen und Atemwegserkrankungen. Die stechend riechende, krebsverdächtige Substanz dünstet vor allem aus Spanplatten, aber auch anderen verleimten Holzwerkstoffen (z. B. Sperrholz) aus. Als vor einigen Jahren E 1-Spanplatten auf den Markt kamen, die einen Formaldehyd-Richtwert einhalten, hielt man das Problem für erledigt. Nun stellt sich heraus: In kleinen Räumen, bei hoher Temperatur und wenn sehr viele Spanplatten mit unbeschichteten Kanten und Bohrlöchern verbaut wurden (z. B. bei Schränken), können dennoch Probleme auftreten. Außerdem wird bei preiswerten Importmöbeln selten kontrolliert.

Kosten der Wohngift-Suche

Lassen Sie sich einen schriftlichen Kostenvoranschlag geben; die Preise für einzelne Leistungen (Anfahrt, Probennahme, Analyse) sollten gesondert aufgeführt sein. Seien Sie skeptisch, wenn ein Institut direkt mit einer Sanierungsfirma zusammenarbeitet. Bestehen Sie darauf, dass die Ergebnisse bewertet werden, am besten in einem persönlichen Gespräch. Mit den Messergebnissen allein kann kaum ein Laie etwas anfangen. Erkundigen Sie sich, ob Ihre Krankenkasse einen Teil der Kosten übernimmt. Je nach Bundesland und Kasse bestehen andere Regelungen. Umweltambulanzen an Kliniken und Gesundheitsämter bieten einen Teil der Leistungen manchmal kostenlos an. Durchschnittliche Preise: für eine Wohnraumbegehung 250 Mark, zusätzlich pro Analyse eines Stoffes zwischen 100 Mark (Formaldehyd) bis zu 300 Mark (z. B. Weichmacher). Wollen Sie Ihren Vermieter in die Pflicht nehmen und benötigen Sie eine "gerichtsverwertbare Analyse", müssen Sie mit etwa den doppelten Kosten rechnen. Bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung müssen Sie nicht nur eine hohe Schadstoffbelastung nachweisen, sondern eine konkrete Gesundheitsgefahr. Dies ist häufig äußerst schwierig. Doch manchmal lässt sich ein finanzieller Ausgleich auf dem "Kulanzweg" herausholen.

Therapien zur Gift-Ausleitung

Liegt ein Schadstoff in erhöhter Konzentration vor und spricht vieles dafür, dass es sich um den Krankheitsauslöser handelt, ist die wichtigste therapeutische Maßnahme: raus mit der Gefahrenquelle. Zusätzlich kann alles nützlich sein, was den Entgiftungsmechanismus des Körpers unterstützt: Saunagänge, viel trinken, Vitamin- und Mineralstoffpräparate. Von einer "Ausleitungs-Therapie" mit sogenannten Chelatbildnern, wie sie vor allem von Heilpraktikern angeboten wird, raten Experten dagegen ausdrücklich ab. Chelatbildner werden bei akuten Schwermetallvergiftungen eingesetzt. Bei geringfügigen chronischen Belastungen ist dagegen sogar eine Umverteilung innerhalb des Körpers und eine Anreicherung im Gehirn möglich, wie das Umweltbundesamt warnt.

So beugen Sie vor

Verstreichen Sie niemals Holzschutzmittel in Innenräumen. Kaufen Sie Farben und Lacke, die mit dem Umweltengel ausgezeichnet sind. Spanplatten mit dem Blauen Engel geben besonders wenig Formaldehyd ab. Schimmelpilze haben in der Regel keine Chance, wenn Sie mehrmals am Tag stoßlüften und Schränke von kalten Außenwänden wegrücken.

Adressen und Bücher

Niedergelassene Umweltmediziner finden Sie in den Gelben Seiten des Telefonbuchs. Liste im Internet nach Postleitzahlen geordnet: www.umweltmedizin.de/Pages/Adressen/Aertze/Arztliste.html Umweltberatungsstellen von Universitätskliniken und Gesundheitsämtern:www.ecomed.de/journals/ufp/beratung.htm Bei der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Forschungsinstitute (AGÖF) bekommen Sie Adressen von Laboren in Ihrer Region (mit Spezialgebiet): Tel. 050 44/975 75. Internet: www.agoef.de/a-memb.html Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen verschickt einen Ratgeber "Schadstoffe in Innenräumen". Service für Nordrhein-Westfalen oder angrenzende Bundesländer, Adressen empfehlenswerter Institute in Wohnortnähe (23 Mark mit Versand); Verbraucherzentrale NRW, Messinstitutsliste, Mintropstraße 27, 40215 Düsseldorf, Tel. 0211/38090.

Beate Koma,Dr. Michael Rudert

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