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Morgens wach ohne Kaffee? Unsere Autorin hat's probiert!

Kaffee-Alternativen: Barista hält Tasse mit Latte Art-Muster
© Atstock Productions
Er macht wach und ist das Lieblingsgetränk der Deutschen - die Rede ist von Kaffee. Aber gibt es auch für erklärte Kaffee-Junkies echte Alternativen zum Wachmachen? Ein Selbstversuch.

"Schlaf ist kein adäquater Ersatz für Koffein.."

Am Morgen ein Espresso, gegen 11 Uhr ein Cappuccino und am Nachmittag der fahle Geschmack von Filterkaffee aus der Warmhaltekanne. Kaffee trinkt man, um wach zu werden, aus Geselligkeit und manchmal aus reiner Gewohnheit, ohne echten Appetit. Dabei gibt es doch alternative Heißgetränke, die wach machen, von Matcha bis Mate. Und sie werden immer zahlreicher. Aber können sie Kaffee wirklich ersetzen? BRIGITTE WOMAN-Autorin Lisa McMinn wagte ein mutiges Experiment: fünf Arbeitstage ganz ohne ihr Bürogetränk.

Montag: Schokolade zum Frühstück

Kakao mit Guarana

Ich gönne mir einen soften Start. Ich möchte meine Geschmacksrezeptoren entschädigen, nein, einlullen - für die harte Woche, die auf sie zukommt. Und was eignet sich dafür besser als heiße Schokolade?

Kakao mit Guaranáfindet man in vielen Bio-Supermärkten als fertige Mischung. Kakaopulver, Rohrzucker und Guaraná - das ist die Wachmacherlösung für diejenigen, die statt Filterkaffee sowieso lieber einen Latte macchiato mit Karamellsirup trinken, weil Kaffee eben nicht nur funktional ist, sondern ein Tu-mir-gut.

Koffein-Bombe

Wie das duftet! Schon beim Öffnen der braunen Papiertüte vernebelt mir der Geruch des Kakaopulvers die Gedanken - darf es noch eine Prise Kindheitserinnerungen sein? Das Guaraná-Pulver, gewonnen aus den roten Guaraná-Früchten, die am brasilianischen Amazonas wachsen, macht die heiße Schokolade zum Energydrink. In ihren Samen steckt Koffein, genau wie im Kaffee.

Guaraná-Kakao als Satt- und Wachmacher

Pur trinken sollte man das allerdings nicht - zu bitter! Drei Teelöffel des Kraft-Kakaos vermenge ich mit kochender Milch. Mit einem Schneebesen zerreibe ich letzte Klümpchen, dann gieße ich die Schokocreme mit kalter Milch auf. Das Guaraná schmeckt man nicht heraus, und die Schokolade ist getreidig und weniger süß als erwartet.

Dank seiner sämigen Konsistenz macht dieser Drink nicht nur wach, sondern auch satt. Und das entwickelt sich im Laufe des Tages zu einem Problem. Mit der dritten Tasse nach dem Kantinenbesuch habe ich genug. Mir wird schlecht. Den ganzen Tag Schokolade trinken - das schaffe ich einfach nicht!

Dienstag: Einsam statt gemeinsam

Mate-Tee

Eigentlich trinkt man Mate-Tee nicht allein. Man teilt ihn mit Freunden. Frisch aufgebrüht in einer Kalebasse, einem ausgehöhlten, getrockneten Flaschenkürbis, wird Mate in Südamerika traditionell von Freund zu Freund gereicht.

Die Blätter des Stechpalmengewächses enthalten Koffein, aber auch viele Bitterstoffe. Der erste Aufguss wird deshalb traditionell ausgespuckt. Aber was dieser Mate alles können soll! Den Blutdruck senken, den Fettstoffwechsel regulieren, Altersprozesse aufhalten. Ob ich den Studien glauben soll, weiß ich nicht - mir würde fürs Erste reichen, wenn’s gut schmeckt.

Mate-Tee mit Zitronengras aus dem Supermarkt

Leider lebe ich in Hamburg, nicht in Buenos Aires, zum Frühstück bin ich allein, und die Sache mit dem Flaschenkürbis ist dann doch etwas aufwendig. Im Supermarkt finde ich aber einen Mate-Tee, der mit Zitronengras angereichert ist und so auch morgens - und ohne Freunde - genießbar wird. Aufgebrüht wird er mit 70 bis 80 Grad heißem Wasser, fünf Minuten soll er ziehen.

Ein frischer Nachgeschmack und ein effektiver Wachmacher

Ich nippe an der Tasse, es duftet nach Weidegras, und - oha, hat sich da jemand eine Zigarre angesteckt? Ein herber Tabakgeschmack breitet sich im Mund aus, schwer und medizinisch. Doch dann legt sich die Frische des Zitronengrases in meine aschige Mundhöhle und besänftigt die Schleimhäute. Die Frische bleibt sogar noch ein bisschen auf der Zunge, fast, als habe man Kaugummi gekaut. Viel besser als der trübe Nachgeschmack, den der Filterkaffee sonst oft hinterlässt.

Im Laufe des Tages verliebe ich mich mehr und mehr in den Mate-Tee. Die Mischung hält mich wach, schmeckt gesund, und das heiße Wasser, das ich zum Aufbrühen benötige, bekomme ich überall umsonst. Für mich eine passende Alternative - auch ohne Kalebasse.

Mittwoch: Mögen Sie Sushi?

Matcha Latte

Am heutigen Morgen zieht es mich nach Japan. Hier werden die Teeblätter geerntet, pulverisiert und zu einem Aufguss weiterverarbeitet, der dann nicht mehr einfach "grüner Tee", sondern "Matcha" heißt und der nicht nur in Japan derzeit ziemlich angesagt ist. Zum einen, weil er tatsächlich gesunde Inhaltsstoffe wie Vitamine und zellschützende Antioxidantien enthält. Zum anderen, weil in den Blättern der Teepflanzen Tein enthalten ist.

Tein ist ein Wachmacher, genau wie Koffein - nur anders

Tein und Koffein sind chemisch identisch - es handelt sich um dieselbe Substanz. Allerdings ist Tein an andere Pflanzenstoffe gebunden und wird darum vom Körper langsamer aufgenommen als Koffein, sodass die Wirkung später und schwächer eintritt, aber länger anhält. Die Blätter des traditionell für Matcha verwendeten Tencha-Tees werden vor der Ernte beschattet - so werden sie dunkler, der Geschmack intensiver und das Produkt teurer. Rund zehn Euro muss man in deutschen Supermärkten für ein Döschen des Pulvers mindestens ausgeben.

Giftgrün - wie Algen

Beim Öffnen pufft mir bereits der grüne Staub entgegen. Ein halber Teelöffel auf 50 Milliliter heißes Wasser reichen aus - die laubgrüne Suppe vermenge ich mit aufgeschäumter Milch. Eigentlich verwendet man zum Mixen den japanischen Chasen, einen speziellen Bambusbesen. Ein deutscher Schneebesen tut’s aber auch.

Giftgrün sieht die Masse aus. Ich traue mich dennoch. Und dann das! Essen Sie gern Sushi? Dann mögen Sie sicher den Geschmack von Fisch und Alge. Und dann sollten Sie auch Matcha-Tee trinken. Falls nicht, hüten Sie sich! Vor allem vor dem Bodensatz. Denn seit ich den geschluckt habe, bekomme ich einfach nicht mehr das Bild von dem Aquarium im China-Restaurant aus dem Kopf.

Donnerstag: Gartenparty im Büro

Frischer Kräutertee

Schwarztee und Grüntee machen wach, genau wie Kaffee und Espresso. Frische Kräutertees enthalten dagegen gar kein Stimulans. Energie können sie uns trotzdem liefern. In südlichen Ländern wie der Türkei oder Marokko gilt Minztee seit Jahrhunderten als belebendes Getränk.

Ich betrete das Büro mit einem Strauß: frische Minze - die soll den Kopf klären; Rosmarin - er fördert die Konzentration; Zitronengras und Zitronenmelisse - die sollen aktivierend wirken. Schon der Duft der Kräuter, die ihre Köpfe über den Laptop hinweg in mein Gesicht recken, muntert mich auf.

Am Ende des Tages bin ich zwar nicht wacher, aber happy - wie nach einem Tag im Garten

Stunde um Stunde knipse ich ein paar Zweige ab und drapiere sie in meiner Tasse. In meinem Büro riecht es jetzt wie in der Sauna. "Gartenparty?", fragt ein Kollege. Ich zupfe auch ihm einen Rosmarin-Ast ab. Am Ende des Tages geht es mir gut. Ich bin zwar nicht wacher als ohne Kaffee, aber happy, wie nach einem Tag im Garten. Und der Tee hat einen Vorteil: Dank der netten Zupf-Prozedur trinke ich endlich mal genug! Sonst komme ich fast nie auf die empfohlenen zwei Liter am Tag.

Freitag: Noch ein Schluck Milch in Ihr heißes Wasser?

Viele meiner Freunde schwören auf eine große Tasse heißes Wasser am Morgen. Das mache frisch, sagen sie. Heute verzichte ich also nicht nur auf Kaffee, sondern auch auf Koffein und sonstige Wachmacherstoffe. Ich trinke schnödes heißes Wasser. Aber wie soll mich das bitte wach halten?

Ein Anruf bei Peter Stehle vom Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften in Bonn. "In der Nacht isst und trinkt man üblicherweise nichts. Eine Tasse heißes Wasser am Morgen regt die Stoffwechselorgane an", sagt der Ernährungsphysiologe. Und dann tut er etwas, was Journalisten nicht gewohnt sind: Er stellt eine Rückfrage. "Was heißt für Sie eigentlich 'wach'?", fragt er. Stammelnd suche ich eine Antwort. Wenn mir in der Konferenz die Augen nicht zufallen. Möglichst kleine Augenringe. Aktiv sein! Munter vielleicht?

Wach sein ist eine individuelle Angelegenheit

"Wach sein ist undefinierbar", unterbricht er mich, "ein sehr persönliches Gefühl. Und was uns wach macht, hängt auch davon ab, ob wir davon überzeugt sind, dass ein Getränk uns guttut." Reine Einbildung also? Nicht ganz. Natürlich hat Koffein eine anregende Wirkung. Die psychotrope Substanz stimuliert das Bewusstsein, unsere Psyche. Deshalb empfiehlt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, den Kaffeekonsum auf maximal vier Tassen am Tag zu beschränken. Die Wirkung bildet man sich nicht ein, aber sie fällt von Mensch zu Mensch anders aus.

Placebo-Effekt

Heißes Wasser hat diese Wirkung nicht, aber da jeder seine Aktivierung anders wahrnimmt, kann heißes Wasser als Placebo durchaus funktionieren. Um den Tag zu überstehen, habe ich mir gleich einen ganzen Liter heißes Wasser in einer Kanne neben den Laptop gestellt. Tatsächlich bin ich bis zum Abend munter, das befürchtete Tief bleibt aus - vielleicht schon eine Folge des Kaffeeverzichts der vergangenen Tage?

Genießen kann ich das Wasser aber nicht. Je leerer die Kanne wird, desto metallener schmeckt mein Getränk, und ich meine sogar einen Hauch von Kaffee herauszukosten, der sich in den Ritzen der Thermoskanne festgesetzt hatte. Da hilft nur, ganz englisch, ein Schluck Milch.

Ohne Kaffee geht es eben doch nicht

Nach meiner Woche ohne Kaffee freue ich mich riesig auf einen Cappuccino am Morgen. Aber eines will ich ändern: Statt am Nachmittag zur Warmhaltekanne zu greifen, zupfe ich lieber ein paar Zweige aus meinem Minze- oder Rosmarin-Topf. Die Kräuter stehen auf meiner Fensterbank bereit.

BRIGITTE WOMAN 2/18

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