Wird nichts vom Körper gebildet, gilt ein Wert von 20 Mikrogramm pro Tag. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. hat diesen Wert aus Studien abgeleitet und empfiehlt ihn für alle Altersgruppen ab dem 1. Lebensjahr. Wer sich regelmäßig hierzulande im Freien aufhält, dessen Haut bildet etwa 80 bis 90 Prozent des empfohlenen Wertes für Vitamin D. Allerdings: Die Sonnenbestrahlung bei uns ist in den Monaten von Oktober bis März nicht stark genug, um genügend Vitamin D zu bilden.
Im Durchschnitt haben Menschen im Winter einen niedrigeren Vitamin-D-Spiegel als im Sommer: Etwa 60 Prozent der Frauen zwischen 18 und 79 Jahren liegen dann im Mangelbereich, so eine große Studie des Robert-Koch-Instituts. "Die UV-Strahlung in unseren Breitengraden ist in den Wintermonaten einfach nicht ausreichend. Jedenfalls nicht für Menschen, die nicht ständig draußen sind", erklärt Dr. Peter Koepke, Physiker und UV-Experte an der Universität München.
Besonders ausgeprägt ist die Unterversorgung mit Vitamin D im Spätwinter, wenn die im Sommer angelegten Speicher leer sind. Aber: Ernsthafte Gesundheitsschäden drohen erst bei einem sehr geringen Vitamin-D-Spiegel. Gefährdet sind vor allem Menschen mit einer dunklen Hautfarbe, Säuglinge und ältere Menschen, die wenig aus dem Haus kommen. Auch Übergewichtige, Menschen mit Ernährungsstörungen (wie etwa Glutenunverträglichkeit) und Patienten, die dauerhaft Kortison einnehmen müssen, gehören zu den Risikogruppen.
Ein Vitamin-D-Test wird, wenn kein konkreter Krankheitsverdacht vorliegt, nicht von der Krankenkasse bezahlt. Die schwerwiegendste Folge eines Vitamin-D-Mangels - Knochenschwund bzw. Osteoporose - wird aber meist leider erst bemerkt, wenn es zu Knochenbrüchen kommt.
Wer sich vorsorglich testen lassen will, bekommt den Vitamin-D-Test als IGeL-Leistung für 30 bis 40 Euro angeboten. Doch das ist nicht unbedingt zu empfehlen, meint Prof. Erika Baum, Allgemeinmedizinerin an der Universität Marburg: Denn wer durch seine Lebensweise zu wenig Vitamin D bildet, kann dagegen auch ohne Test etwas tun - nämlich mehr in die Sonne gehen, die Ernährung umstellen oder notfalls ein Präparat einnehmen. Außerdem sind die Labormethoden zur Vitamin-D-Messung im Blut eher ungenau, sodass Abweichungen um bis zu 30 Prozent vorkommen.
Vor allem im Kalzium- und Mineralhaushalt spielt es eine Rolle: Bei Kindern wachsen bei Vitamin-D-Mangel die Knochen nicht richtig, besonders die Beine krümmen sich; bei Erwachsenen entkalkt das Skelett und die Muskeln werden schwach, sodass es häufig zu Stürzen und Brüchen kommt.
Doch das Sonnenvitamin kann noch mehr als Knochen stärken. Im Immunsystem ist es absolut unverzichtbar, weil es die Killerzellen aktiviert, und auch in fast allen Organen und Geweben unseres Körpers, vom Gehirn bis zum Darm, finden sich seine Rezeptoren.
Wer viel Vitamin D hat, erkrankt seltener an Gefäß-, Stoffwechsel und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und verschiedenen Arten von Krebs, wie etwa bösartigen Tumoren in Darm oder Brust, oder hat bessere Chancen, eine Krebserkrankung, zum Beispiel Hautkrebs, zu überleben - das zeigen Studien. Außerdem verringert ein hoher Vitamin-D-Spiegel das Risiko für Multiple Sklerose, Parkinson und Demenz.
Fast alle diese Aussagen beruhen aber auf statistischen Zusammenhängen. "Ob ein Vitamin-D-Mangel die Erkrankungen wirklich verursacht, weiß man nicht", sagt Prof. Stephan Petersen, Internist und Endokrinologe in Hamburg. "Vielleicht ist der Mangel auch Folge der Krankheit oder eines insgesamt ungesünderen Lebensstils."
Auch lässt sich aus den Studien nicht ableiten, dass es von Vorteil ist, Vitamin D einzunehmen. Im Gegenteil: Es gibt keine starken Beweise, dass durch Vitamin-D-Pillen das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Diabetes sinkt.
Alle zehn Jahre verdoppeln sich die Fälle von weißem Hautkrebs, und auch beim schwarzen Hautkrebs steigen die Zahlen seit den 1970er-Jahren. Trotzdem werden die radikalen "Raus aus der Sonne"-Warnungen der Hautärzte zunehmend kritisiert. "Vermutlich wird sich in Sachen Sonnenschutz in Zukunft eher ein Mittelweg durchsetzen", so Prof. Thomas Dirschka, Dermatologe an der Universität Witten-Herdecke. "Kinder und Jugendliche sollten weiterhin vor der Sonne geschützt werden." Denn in diesem Alter ist erstens deren schädigende Wirkung besonders groß, zweitens sind die Vitamin-D-produzierenden Zellen in jungen Jahren noch sehr aktiv.
Ab etwa 20 Jahren jedoch bildet die Haut weniger Vitamin D und sie benötigt eine höhere UV-Dosis. Viele Experten raten mittlerweile dazu, auch mal ohne Lichtschutz in die Sonne zu gehen. Gerade im Winter ist in unseren Breiten die UV-Strahlung nur ein Zehntel so stark wie im Sommer. "Doch fast alle kosmetischen Gesichtscremes und Make-ups haben heute Lichtschutzfaktor 15", kritisiert Sonnenfachmann Koepke. "Damit ist eine Chance vertan, Vitamin D ganz nebenbei zu bilden, zum Beispiel beim täglichen Weg zur Arbeit."
Wer jetzt Urlaub in den Bergen (in der Höhe steigt die UV-Intensität) oder im Süden macht, sollte aber unbedingt darauf achten, einen Sonnenbrand zu vermeiden. Andernfalls steigt das Risiko von Zellschäden, aus denen sich Krebs entwickeln kann. Einen Richtwert für den Eigenschutz der Haut erhält man unter www.uv-check.de.
Ein Solarium ist keine echte Sonne, seine UV-Strahlung unterscheidet sich von der natürlichen. Das hat Vorteile: Einen Sonnenbrand holt man sich auf der Bräunungsbank nur selten, weil das künstliche Licht die dafür verantwortliche UV-B-Strahlung meist gar nicht erst enthält.
Allerdings sorgt genau dieser Strahlungsanteil auch für die Vitamin-D-Produktion. Ein Solarium kann also einen Vitamin-D-Mangel nicht beheben. Und selbst wenn manche Sonnenbänke oder medizinische UV-Geräte auch das relevante B-Spektrum bieten, ist Vorsicht geboten: Die Strahlungsstärke übersteigt oft sogar die der senkrecht stehenden Äquatorsonne, so eine Berliner Studie, und erhöht damit Krebsgefahr und Hautalterungsprozesse erheblich.
Ganz klar: Wer es sich leisten kann, in der dunklen Jahreszeit in die Sonne oder Berge zu entfliehen, tut sich damit was Gutes. Die Faustregel ist, so der Physiker Koepke, ganz einfach: Dort, wo die Sonne bräunt, trägt sie auch zur Vitamin-D-Bildung bei. Und wer sich im Bikini oder mit nackten Beinen in die Sonne setzt, stellt mehr Hautfläche für die Produktion des Sonnenvitamins zur Verfügung: Jeder Quadratzentimeter zählt.
Über die Ernährung mit den üblichen Lebensmitteln bekommen wir nur etwa 10 bis 20 Prozent dessen was wir bräuchten. Wer eine Portion (150 Gramm) fetten Fisch - Lachs, Hering, Makrele und Aal - pro Woche zu sich nimmt, kann damit seinen Vitamin-D-Bedarf aber decken. Weniger realistisch ist eine Verzehrmenge von 150 bis 250 Gramm Pilzen (Pfifferlinge, Champignons) pro Tag, mit der man denselben Effekt erzielen würde.
Einen geringeren Beitrag zur Versorgung mit Vitamin D leisten auch Rinderleber, Milchprodukte, Eier und speziell angereicherte Margarine - aber damit allein wird es schon schwierig, den Bedarf zu decken. Dass Eskimos, die monatelang fast ohne Sonne leben, nicht an Vitamin-D-Mangel leiden, dafür sorgt Lebertran, der aus Fischleber gewonnen wird. Den gibt es inzwischen auch in Kapselform. Flüssig schmeckt er scheußlich.
Ein reiner Vitamin-D-Mangel lässt sich durch Tabletten beheben oder - bei Risikogruppen wie Säuglingen oder alten Menschen - vorbeugend verhindern. Ansonsten gilt: Licht und frische Luft haben, insbesondere in Kombination mit Bewegung, noch viele weitere positive Auswirkungen auf Gesundheit und Psyche, und die kann man durch keine Tablette ersetzen. Vor Knochenbrüchen, z. B. durch Osteoporose, schützt ein Muskeltraining mindestens genauso wie genug Vitamin D. "Medikamente sind immer Krücken, die man nur einsetzen sollte, wenn eine Änderung des Lebensstils nicht umsetzbar ist", sagt Prof. Erika Baum.
Von Kombinationspräparaten aus Vitamin D und Kalzium rät sie ab: "Kombi-Präparate enthalten meist zu viel Kalzium oder zu wenig Vitamin D für den individuellen Bedarf." Wer Vitamin D einnehmen muss, sollte dies lieber durch Kalzium in der Ernährung ergänzen (Milchprodukte, Käse), notfalls auch durch ein Präparat. Aber Vorsicht: Mehr als 1500 mg pro Tag bergen gesundheitliche Risiken wie Nierensteine oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Die Haut sorgt vor: Wird sehr viel Vitamin D produziert, zerfällt es wieder, bevor es ins Blut gelangt. Außerdem werden wir in der Sonne braun, und das Hautpigment Melanin blockt UV-Strahlen. Eine Überdosis durch zu viel Sonne ist also nicht möglich.
Nimmt man Vitamin D ein, muss es schon sehr viel sein, ehe es zu Vergiftungserscheinungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen kommt. Eine chronische Überversorgung mit Vitamin D, z. B. durch hoch dosierte Präparate oder zu viele Tabletten, kann zu Problemen durch eine erhöhte Kalkablagerung z. B. in den Nieren oder Arterien führen.