Dafür gibt es keinen allgemeingültigen Wert. Wichtig ist das subjektive Empfinden. Auch wer jeden Tag zur Toilette geht, kann also an Verstopfung leiden, etwa wenn man sehr lange und stark pressen muss. Umgekehrt kann es völlig normal sein, nur alle drei Tage zu müssen, wenn die Prozedur ansonsten keine weiteren Beschwerden mit sich bringt.
"Das ist eine ganz normale Reaktion: Man hat ein paar Stunden im Flugzeug gesessen, das in südlichen Ländern beliebte Weißbrot ist ballaststoffärmer als unser Brot - das macht den Darm eben träge", erklärt Dr. Viola Andresen, Oberärztin am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg. "Wenn man dann mal eine Weile nicht muss, ist das überhaupt nicht schlimm." Bis zu acht Prozent der Deutschen, darunter mehr Frauen als Männer, leiden dagegen seit mehr als drei Monaten, das heißt chronisch, an Verstopfung.
Bewegung, Flüssigkeit, Ballaststoffe - wenn der Darm gesund ist, kann man ihn mit solchen "Hausmitteln" antreiben. "Wer schon weiß, dass er im Urlaub zur Verstopfung neigt, kann ab dem ersten Tag täglich zwei bis drei Löffel Flohsamen einnehmen", so Andresen. Sie enthalten Schleim- und Ballaststoffe und quellen zusammen mit Flüssigkeit auf, die Darmwand wird gedehnt und darüber der Transport angeregt. Dadurch hält man den Darm sozusagen dauerhaft in Gang, denn wenn er erst einmal ins Stocken geraten ist, können schon mal Krämpfe oder andere Beschwerden auftreten, bevor er wieder normal arbeitet.
Allerdings ist die Wirkung solcher Hausmittel begrenzt. Eine chronische Verstopfung kann unterschiedliche Ursachen haben, ihnen gemeinsam ist aber, dass der Darm nicht mehr so funktioniert, wie er sollte. "Und dann können zusätzliche Ballaststoffe die Beschwerden unter Umständen sogar verschlimmern", weiß die Expertin Andresen. "Wenn diese allgemeinen Maßnahmen also keine Besserung bringen, sollte man auch nicht zögern, Medikamente zu nehmen."
"Das Risiko dieser Mittel liegt nicht bei der Verstopfung, sondern beim Missbrauch bei Essstörungen", sagt Dr. Andresen. Erst wenn man durch die Medikamente Durchfall bekommt - und genau dies beabsichtigen Magersüchtige, um abzunehmen -, kann es zum Verlust von Salz und Flüssigkeit kommen und problematisch werden. Wer dagegen mit Abführmitteln eine gestörte, eingeschlafene Darmfunktion normalisiert, hat dies nicht zu befürchten.
Die Expertin rät, individuell auszuprobieren, welche Medikamente am besten wirken. "Am schonendsten sind Macrogole, die Wasser ziehen. Allerdings ertragen manche Menschen den Geschmack nicht", so Andresen. "Aber auch die Wirkstoffe Bisacodyl und Natriumpicosulfat können sowohl bei akuten Problemen, um die Verdauung nach ein paar Tagen wieder anzustoßen, als auch bei chronischer Verstopfung eingenommen werden."
Der Nachteil: Weil die Medikamente den Darm indirekt über eine mechanische Dehnung bzw. chemische Reizung anregen, lässt sich nicht voraussehen, wann genau ihre Wirkung eintritt. Zudem setzen sie eine gewisse Restfunktion des Darms voraus. Spätestens wenn die Mittel nicht anschlagen, sollte man beim Arzt die genaue Ursache der Beschwerden untersuchen lassen. Der kann dann eventuell andere verschreibungspflichtige Medikamente verordnen.
Nein. Diese Ansicht hält sich hartnäckig, aber es gibt keinerlei wissenschaftlichen Hinweise, dass sie zutrifft. Die klassischen Abführmittel kann man nehmen, ohne dass Gewöhnungseffekte drohen oder - wie andere fürchten - das Tumorrisiko steigt. "Wenn die Verstopfung chronisch ist, kann man deswegen auch dauerhaft Medikamente nehmen", sagt Andresen. Wenn Probleme mit den Jahren zunehmen, liege das nicht an den eingenommenen Mitteln, sondern am Darm an sich. "Leider hat sich diese Meinung noch nicht bei allen Ärzten durchgesetzt."
Wer in ferne Länder abseits der Touristenzentren reist oder auch zum Festival in der Nähe, dem vergeht das Müssen in der Tat oft schon beim Anblick der örtlichen Hygiene. Neben dieser unbewussten Ekel-Hemmung können wir den Drang, zur Toilette zu gehen, eine Weile auch bewusst unterdrücken. "Wenn man das allerdings zu oft macht, kann daraus eine echte Verstopfung entstehen", sagt Andresen. Dass es den Zusammenhang von Darm und Psyche gibt, heißt aber nicht, dass er immer besteht. "Auch mancher Mediziner ist der Meinung, hinter der Verstopfung stehen eigentlich psychische Probleme. Diese Bagatellisierung ist absolut nicht gerechtfertigt", so die Expertin. "Chronische Verstopfung ist eine Erkrankung mit zum Teil hohem Leidensdruck."