Zugegeben, es ist bequem: Jeden Tag die Pille einnehmen und schon ist das Thema Verhütung vom Tisch. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) verlassen sich in Deutschland 37 Prozent aller erwachsenen Paare ausschließlich auf die Pille. Mit einem Pearl-Index von 0.1 bis 0.9 bei richtiger Anwendung (bedeutet: pro Jahr wird von 100 Frauen, die die Pille nehmen, weniger als eine schwanger) gilt sie als sichere Verhütungsmethode. Doch damit führen wir unserem Körper ständig Hormone zu - mehr, als er verarbeiten kann.
Die Abbaustoffe der Hormone lagern sich in unseren Fettzellen an und verlassen den Körper erst nach und nach. "Deswegen hat rund ein Drittel der Frauen selbst einige Monate nach dem Absetzen der Pille noch mit Zyklusstörungen zu kämpfen", erklärt Dr. Ursula Sottong. Die Allgemeinärztin leitet die Malteser Arbeitsgruppe Natürliche Familienplanung (NFP) in Köln. Unter dem Namen "Sensiplan" lehrt sie die natürliche, symptothermale Methode zur Empfängnisverhütung.
In den 1960er Jahren entwickelt, beruht die symptothermale Methode im Wesentlichen auf dem Beobachten und Auswerten der morgens gemessenen Körpertemperatur sowie des Zervixschleims (wird im Gebärmutterhals gebildet und ist am Scheideneingang zu sehen und zu fühlen). Beides verändert sich im Laufe des Zyklus. So ist die Aufwachtemperatur vom Beginn der Monatsblutung bis zum Eisprung, also in der ersten Zyklushälfte, um etwa zwei Zehntel Grad Celsius niedriger als in der zweiten Zyklushälfte. Der Zervixschleim ist zunächst milchig-trüb und zäh, wird aber in den Tagen vor dem Eisprung klar, flüssiger und fadenziehend. Anhand dieser Beobachtungen kann eine Frau ihre fruchtbaren Tage bestimmen.
NFP-Beraterinnen empfehlen Frauen, über drei Zyklen täglich ihre Temperatur nach dem Aufwachen zu messen, ihren Zervixschleim zu beobachten und auch weitere Veränderungen zu notieren. Am einfachsten und zuverlässigsten funktioniert das mit Stift und Zyklustabelle, in der Sie auch Ihre Regelblutung vermerken. Denn Hilfsmittel wie Temperatur- oder Hormoncomputer brauchen für ihre Berechnung eine relativ stabile Zykluslänge (20 bis 35 Tage), was ihre Zuverlässigkeit einschränkt. Auf Papier hingegen können Sie mit etwas Übung auch mit einem 60-Tage-Zyklus gut arbeiten. Nach drei Zyklen kennen Anwenderinnen ihre fruchtbaren Tage und müssen die Daten nur noch sporadisch eintragen.
Durch die symptothermale Methode lernt eine Frau, wie ihr Körper tickt und bekommt ein Gefühl für ihre Fruchtbarkeit. Sie wird entscheidungsfähiger, weil sie die Vor- und Nachteile verschiedener Verhütungsmethoden besser abwägen kann. "Das Bewusstsein für den eigenen Körper und der Wunsch nach einer gesunden Alternative zu Hormonen sind stärker geworden", sagt Ursula Sottong. Auch der Anspruch an den Partner, Verantwortung zu übernehmen, sei gestiegen.
Nutzten vor einigen Jahren lediglich ein Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter (das ist per Definition die Gruppe der 19- bis 45-Jährigen) eine natürliche Verhütungsmethode, seien es inzwischen drei bis vier Prozent. "Vor allem 20- bis 30-Jährige wechseln zur NFP", beobachtet Sottong in ihren Beratungen. Es kämen auch junge Männer, die ihre Partnerin überzeugen wollen. Ein weiterer Pluspunkt: "Eine Frau, die verstanden hat, wie Ihr Körper funktioniert, geht auch mit anderen Verhütungsmethoden anders um. Sie versteht, warum man eine Pille nicht einfach mal weglassen kann - sie lernt fürs Leben", so Sottong.
Wer natürlich verhüten möchte, braucht Disziplin beim Protokollieren der Daten und den Wunsch, sich mit dem eigenen Körper auseinanderzusetzen. Nur dann ist die Methode sicher und hat einen Pearl-Index von 0.4. Allerdings hängt die Sicherheit der meisten Verhütungsmethoden entscheidend von der richtigen Anwendung ab. Deswegen unterscheiden sich Methoden- und Anwendungssicherheit oft deutlich. Auch bei der NFP geht der Pearl-Index viel höher, wenn Frauen in den Grenzbereichen der Fruchtbarkeit ungeschützten Geschlechtsverkehr haben. Benutzen Sie dabei ein Kondom oder ein Diaphragma, haben Sie nur die Sicherheit des jeweiligen Verhütungsmittels. Außerdem müssen Sie im Blick behalten, ob und inwiefern sich Ihr Zyklus verändert, wenn Störfaktoren (etwa Zeitumstellung bei Reisen, Schichtdienst oder Stress) auftreten.
Rein biologisch gesehen umfasst die empfängnisfähige Zeit maximal sechs Tage: Die Spermien sind höchstens fünf Tage überlebensfähig, die Eizelle ist 18 Stunden befruchtungsfähig. Doch so eine enge zeitliche Eingrenzung ist durch eine Selbstbeobachtung nicht möglich. Mit der NFP-Methode können Sie Ihre fruchtbare Phase auf neun bis elf Tage eingrenzen.
Viele Frauen vergessen, dass sie die Temperatur noch vor dem Aufstehen messen müssen. Legen Sie sich deshalb das Thermometer sowie Stift und Zyklusblatt am besten auf den Nachttisch. Verwenden Sie außerdem in einem Zyklus immer dasselbe Thermometer. Messen Sie immer an der gleichen Stelle - entweder im Mund, in der Vagina oder im After. Beachten Sie, dass Sie ein Thermometer nach jeder Messung herunterschlagen müssen.
Manchmal ist der Zervixschleim nicht einfach zu untersuchen - etwa im Sommerurlaub, wenn Sie viel im Wasser sind. Oder wenn Sie durch andere Verhütungsmethoden Irritationen im Scheidenbereich haben. Rund 30 Prozent der NFP-Anwenderinnen tasten daher zusätzlich ihren Muttermund ab (er verbindet den Gebärmutterhals mit der Scheide), denn auch dieser verändert sich im Laufe des Zyklus - in Festigkeit und Lage.
Zum Ertasten stellen Sie ein Bein am besten auf einen Hocker oder den Badewannenrand und gehen mit zwei Fingern an der Scheidenwand entlang. Das kugel- oder zapfenartige Gewölbe ist der äußere Muttermund. Direkt nach der Menstruation ist er hart (wie die Nasenspitze) und ragt tief in die Scheide hinein. Zum Eisprung hin ist es manchmal schwieriger, ihn zu erreichen, weil er sich höher in die Scheide verlagert. Außerdem wird er weicher (wie die Lippen) und öffnet sich leicht. Nach dem Eisprung schließt er sich wieder, wird hart und steht tiefer. Die unfruchtbaren Tage beginnen drei Tage später.
Nehmen Sie die Packung unbedingt zu Ende und setzen Sie sie nicht mitten im Zyklus ab. Am ersten Tag Ihrer Regelblutung können Sie mit der Zyklustabelle beginnen.
Ja. Frauen profitieren auch hier von ihrem Zyklusverständnis. Schließlich liegt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, in jedem Zyklus bei weniger als 30 Prozent. Da hilft es zu wissen, dass bei einem 60-Tages-Zyklus der Eisprung erst um den 45. und nicht um den 15. Tag stattfindet. Etwa 15 Prozent der Frauen, die die NFP-Methode verwenden, haben einen Kinderwunsch.
Die Malteser bilden seit 30 Jahren Beraterinnen und Berater in der Natürlichen Familienplanung aus. Bundesweit arbeiten derzeit etwa 350 solcher NFP-Beraterinnen - in Praxen, Gesundheitszentren, Volkshochschulen, bei Pro Familia oder auch selbständig. Die Kosten für die Beratung in Kursen und/oder Telefonsprechstunden liegen je nach Anbieter zwischen 60 und 220 Euro, zum Teil sind sie auch gratis. Manche Krankenkassen übernehmen oder beteiligen sich an den Kosten. Wer sich selbst schult, kann dies mithilfe des Praxisbuches "Natürlich & sicher" tun. Zum Austausch von Erfahrungen treffen sich Tausende von Frauen zudem in Foren.