Anzeige

Schwindelgefühle

Wer die Ursachen kennt, kennt auch die Therapie - hier finden Sie die besten Tipps.

Jeder zehnte Patient, der in eine Arztpraxis kommt, leidet unter Schwindelanfällen. Nur - unter welcher Art? Unter Drehschwindel? Oder unter Schwankschwindel? Das Gleichgewichtssystem ist kompliziert, und die Gründe für Schwindel sind vielfältig: zu hoher oder zu niedriger Blutdruck, eine falsche Brille, Verspannungen in der Halswirbelsäule, unverträgliche Medikamente oder Störungen im Gleichgewichtssystem - zuerst müssen die Ursachen für die Beschwerden präzise abgeklärt werden, damit die Behandlung Erfolg haben kann.

Himmel oben, Erde unten - alles okay

Unser Gleichgewicht hängt von einem ganzen System ab, das vom Gehirn koordiniert wird. Seine Informationen erhält das Gehirn von den Gleichgewichtsorganen, den Augen und Fühlern (Rezeptoren) in den Muskeln, Gelenken und der Haut. Wenn diese Rezeptoren dem Hirn signalisieren: Beinmuskeln angespannt, Knie gestreckt, Druck an beiden Fußsohlen - dann weiß das Gehirn: Wir stehen. Die Augen bestätigen diesen gefühlten Befund, indem sie melden: Himmel oben, Erde unten. Fällt ein Teil des Systems aus, kann das Gehirn die Störung nur kompensieren, indem es Informationen eines anderen Teils höher bewertet.

Das Gleichgewichtsorgan ist wie ein Gartenschlauch

Kein Wunder, dass da manchmal etwas schiefläuft. Zumal die zwei Gleichgewichtsorgane, die aussehen wie unordentlich aufgewickelte Gartenschläuche, selbst äußerst komplizierte Apparate sind. Sie bestehen aus je drei Schlaufen, den Bogengängen und zwei Säckchen (Sacculus und Utriculus). Die Säckchen melden Bewegungen vorwärts und rückwärts, die Schlaufen - schlicht mit Wasser gefüllte Schläuche - registrieren, wenn wir uns drehen oder zur Seite neigen. In diesen Schläuchen wachsen Härchen. Wenn wir uns bewegen, schwappt das Wasser in den Schläuchen hin und her. Dadurch geraten auch die Härchen in Bewegung, sie wehen wie Seegras im Wasser. Wenn das Gehirn dieses Signal erhält, weiß es: Der Körper bewegt sich.

Wenn die Steine rollen, fängt der Schwindel an

Auf einigen Härchen liegen ganz kleine Steine. Die können sich lösen, und das kann einen Schwindel verursachen. Denn wenn sich die losen Steinchen bewegen und dabei auf einige Härchen treffen, melden die Sensoren ans Hirn: Wir drehen uns - obwohl wir vielleicht nur mal zur Seite geschaut haben.

Das Gehirn wird rechthaberisch

Nun gerät das Gehirn in Verwirrung. Die Botengänge melden Rotation, die Augen sagen: Alles in Ordnung, die Welt ist stabil. Das Gehirn reagiert mit Übelkeit. Dann handelt es wie ein Rechthaber, es zwingt die Augen, das zu sehen, was ihm das Gleichgewichtsorgan vorgibt, nämlich eine Welt, die sich dreht, basta. So versucht es, die widersprüchlichen Informationen wieder in Einklang zu bringen. Charakteristisch für diese Art Schwindel ist übrigens, dass er nach wenigen Sekunden wieder nachlässt.

Die Mediziner nennen solche Attacken gutartigen Lagerungsschwindel. Dagegen helfen Übungen. Man legt sich hin und dreht den Kopf immer wieder auf die kranke Seite. Irgendwann ist der Schwindel einfach weg.

Warum uns im Auto übel wird

Lose Steinchen sind nicht die einzige Störung, die das Gehirn in Verwirrung bringen. Auch wenn uns im Auto übel wird oder auf einem Schiff die Seekrankheit packt, liegt das an den widersprüchlichen Informationen, die im Gehirn ankommen. Die Augen, die das Auto von innen sehen, melden: Hier ist alles stabil, nichts bewegt sich. Die Gleichgewichtsorgane im Innenohr aber signalisieren: wir fahren gerade durch eine Kurve. Es hilft, wenn man dann das Gehirn mit möglichst übereinstimmenden Informationen versorgt. Schauen Sie dazu im Auto auf die Straße und im Schiff auf den Horizont. Außerdem sollten Sie den Kopf wenig bewegen, um die Bogengänge nicht zusätzlich zu reizen.

Machen Sie ein Experiment!

Beim Schwindel geht es meistens um das eine: Das Gehirn will, dass in Bruchteilen von Sekunden Augen und Gleichgewichtsorgane übereinstimmen, und wehrt sich mit Übelkeit, wenn das nicht klappt. Und das ist gut so. Würde es nämlich die Informationen, die ihm die Sinnesorgane liefern, nicht blitzschnell aufeinander abstimmen, würden wir bei jedem Schritt, bei jeder Kopfbewegung die Welt verschwommen sehen. Wie schnell diese Verschaltung funktioniert, kann man durch ein ganz einfaches Experiment erfahren: Halten Sie eine Hand etwa 30 Zentimeter entfernt vor die Augen und schauen Sie sich genau Ihre Handlinien an. Jetzt bewegen Sie die Hand schnell hin und her - die Linien verwischen. Dann halten Sie die Hand still und bewegen den Kopf hin und her - die Linien bleiben klar. Unsere Bogengänge weisen nämlich unsere Augenmuskeln an, wie sie die Augen halten müssen, damit wir klar sehen können.

Die Augen täuschen das Gehirn

Das gleiche gilt übrigens für die Rezeptoren in den Halsmuskeln. Legen wir den Kopf schief, erreichen das Gehirn aus den Gleichgewichtsorganen und den Nackenmuskeln Informationen: Achtung, was die Augen da sehen, nur mit Vorsicht bewerten! So wissen wir, dass die Welt nicht schief steht.

Verspannter Nacken, schlechte Durchblutung

Auch Verspannungen im Nacken können Schwindel auslösen. Meistens schwindelt es einen dann nur kurz. Typisch ist, dass dieser Schwindel durch Kopfbewegungen in verschiedene Richtungen ausgelöst wird. Hier kann ein Orthopäde oder Manualtherapeut helfen, indem er mit kleinen Griffen Gelenke entlastet und verspannte Muskeln löst. Mehr über Nackenverspannungen lesen Sie hier.

Weil das Gleichgewichtssystem von so vielen Organen abhängt, kann Schwindel auch bei so vielen Beschwerden als Symptom auftreten. Zum Beispiel werden Durchblutungsstörungen als Ursache für den recht häufigen Ausfall eines Gleichgewichtsorgans vermutet, Ärzte verschreiben dann durchblutungsfördernde Mittel.

Es geht auch ohne Gleichgewichtsorgane

Wenn ein Organ ausfällt, ist uns dann den Rest unseres Lebens schwindlig? Zum Glück nicht, und das macht den Gleichgewichtssinn so einmalig. Unser Gehirn lernt im Notfall sogar ohne Gleichgewichtsorgane auszukommen. Weil es dann mit den Meldungen der anderen Informanten, etwa der Augen, klar kommt. Zumindest, solange kein Alkohol im Spiel ist. Denn wenn man ein paar Gläser getrunken hat, merkt das Gehirn wieder, dass ein Gleichgewichtsorgan nicht mehr sendet. Doch so übel Schwindel sein kann - das Gehirn will, dass die Welt in Ordnung ist. Und häufig hören die Schwindelattacken nach einer gewissen Zeit ganz von selbst auf.

Ursachen für Schwindel

- Herz- und Kreislauferkrankungen - psychische Ursachen - Erkrankungen des Gleichgewichtsorgans - Sehstörungen oder Augenerkrankungen - Störungen des Tast- und Fühlsinns - Unsicherheit oder Höhenschwindel - neurologische Störungen - Medikamente (Antidepressiva oder Schlafmittel) - Entzündungen im Gehirn

So hilft die Medizin

Die Chance für eine erfolgreiche Behandlung von Schwindel wächst, wenn die Ursachen ermittelt werden können. Der mit dem Schwindel verbundene Brechreiz lässt sich mit Medikamenten behandeln. Häufig werden auch Bewegungsübungen verschrieben, mit denen das Gleichgewichtsorgan trainiert wird. Ob der Fehler im Gleichgewichtsorgan selbst liegt, die Störungen im verarbeitenden Gehirnteil, in der Leitung auf dem Weg dahin auftreten, können Ärzte herausfinden. Gehen Sie zu Ihrer Hausärztin, die überweist Sie, falls nötig, an einen Facharzt (zum Beispiel Neurologen, Orthopäden).

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel