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Schwanger - na und?

Keine Vorsorge-Untersuchung auslassen und unbedingt in der Klinik entbinden... zehn Schwangerschaftsmythen und warum man sich nicht immer daran halten muss.

Wer schwanger ist, will alles richtig machen. Doch für viele werdende Mütter artet genau das in Stress aus. Dabei zeigt ein Blick über die Landesgrenze: Es gibt viele Wege, die sicher durch Schwangerschaft und Geburt führen. Ein guter Grund, sich von vermeintlichen Vorschriften nicht verrückt machen zu lassen.

"Freut euch bloß nicht zu früh!"

Lauthals jubeln dürfen junge Eltern erst, wenn das Baby gesund und munter auf der Welt ist. Es kann ja noch so viel passieren... Das stimmt auch. Aber muss man deshalb in ängstliche Schweigsamkeit verfallen? In Holland greifen viele Frauen schon zum Telefonhörer, sobald der Schwangerschaftstest positiv ist.

Wenn doch etwas schief geht? Sind die Freundinnen informiert und können trösten. Amerikanische Frauen feiern vor der Geburt: Im achten Monat kommen die Freundinnen zur "Shower-Party", einer Baby-Vorfreude-Feier mit Geschenken und Kuchen. In Finnland freuen sich die Mitmenschen über die ganze Schwangerschaft hinweg lautstark mit: Dort wird einer Frau mit Babybauch ständig gratuliert. Einfach, weil sie schwanger ist.

"Frauen ab 35 müssen während der Schwangerschaft besonders vorsichtig sein"

Wer in Deutschland mit 35 schwanger wird, bekommt sofort den Vermerk "Risiko-Schwangere" in den Mutterpass und damit eine ganze Menge Sorgen: Soll ich eine Fruchtwasser-Untersuchung machen? Ernähre ich mich gesund genug? Wird mein stressiger Job dem Baby schaden?

Dabei vergisst man schnell, dass es mit dem Begriff Risiko-Schwangerschaft so ist wie mit dem Steuersatz: Er ist nicht naturgegeben, sondern wird von Land zu Land verschieden festgelegt. In Frankreich oder Holland gelten Erstgebärende zum Beispiel erst ab 39 als ältere Schwangere.

Es stimmt zwar, dass das Risiko für Fehlbildungen und Komplikationen mit den Jahren steigt, aber dabei handelt es sich um einen kontinuierlichen Prozess und nicht um einen sprunghaften Anstieg am 35. Geburtstag. Diese Grenze wurde in den 60er Jahren festgelegt, als gerade mal ein Prozent der Frauen jenseits der 35 ihr erstes Kind bekamen. Heute sind es 20 Prozent, und die 35-Jährigen sind wesentlich fitter und vitaler als vor 40 Jahren.

"Schmerzen gehören nun mal zur Geburt"

Die Geburt ohne Schmerzmittel durchzustehen, gilt hierzulande vielen noch immer als Zeichen der Stärke. Der Gegenschluss: Frauen, die während der Geburt Schmerzmittel nehmen, sind irgendwie schwach. S

panierinnen, Französinnen und auch Amerikanerinnen denken darüber ganz anders. Sie sind sich einig, dass Kinderkriegen ein fast übermenschlicher Kraftakt ist - und dass man die Schmerzen dabei auf ein Minimum reduzieren sollte. Darum nehmen bis zu 90 Prozent der Frauen in diesen Ländern zur Geburt eine lokale Betäubung (PDA) in Anspruch. In Deutschland sind es nur knapp 20 Prozent.

In Frankreich ist man sogar der Meinung, dass Angst, hoher Blutdruck und andere Stressreaktionen auf die Geburtsschmerzen für das Kind schädlich sind. Dort gilt: Erst die PDA gibt der Mutter die Möglichkeit, bei der Geburt richtig mitzuhelfen.

"Der Vater muss bei der Entbindung dabei sein"

90 Prozent der werdenden Eltern gehen in Deutschland, Frankreich, England oder Skandinavien gemeinsam in den Kreißsaal. Das Wunschbild: Der Vater hilft bei der Geburt, sorgt für gute Stimmung und Ansporn. Und ganz nebenbei knüpft er gleich ein starkes Band zum Kind.

Die Realität sieht oft anders aus: Der Vater fühlt sich überflüssig, sobald es richtig losgeht, ist unsicher, im schlechtesten Fall nervt er. In einer englischen Studie gaben deshalb 41 Prozent der befragten Mütter an, dass sie im Nachhinein lieber auf den Partner im Kreißsaal verzichtet hätten.

Freundinnen, die selbst schon Kinder auf die Welt gebracht haben, sind dagegen ideale Geburtshelferinnen, zeigt eine große kanadische Studie. In Kanada und Großbritannien ist es deshalb nicht unüblich, zusätzlich zur Hebamme eine geschulte Mutter als professionelle Geburtsbegleiterin zu buchen. In Süditalien löst man das Problem auch heute noch elegant mit Tradition: Hier wartet der Vater draußen vor der Kreißsaaltür.

"Zur Geburt in die Klinik!"

In Deutschland kommen 98,5 Prozent der Kinder im Krankenhaus zur Welt. Die Klinikgeburt gilt bei uns als besonders sicher. Deshalb haben nur sehr wenige Frauen den Mut zu einer Hausgeburt.

Unsere Nachbarinnen in Holland denken dagegen, dass gerade die Geburt in bekannter Umgebung besonders gut für Mutter und Kind ist. Deshalb entscheiden sich 30 Prozent der Holländerinnen für eine Hausgeburt. Matratzenschoner, sterile Tücher und andere Geburts-Utensilien gibt es in der Drogerie. Wenn es wirklich zu Komplikationen kommt, fährt die Hebamme die gebärende Frau rasch in die nächste Klinik. Probleme macht das nicht: Untersuchungen zufolge ist die Gesundheit von Schwangeren und Säuglingen in Holland vorbildlich.

"Kaiserschnitt ist doch nur was für Models oder Notfälle"

Wie Versagerinnen fühlen sich viele Mütter, die ihr Baby per Kaiserschnitt zur Welt bringen. Schließlich lernt man im Geburtsvorbereitungskurs, dass die vaginale Geburt das Normale ist. Frauen, die vom Kaiserschnitt überrascht werden, fragen sich deshalb oft noch jahrelang: War ich zu verkopft? Zu verkrampft? Zu schwach?

Dabei kommt in Deutschland inzwischen fast jedes vierte Baby per Kaiserschnitt zur Welt. Nur die wenigsten davon sind so genannte Wunsch-Kaiserschnitte, bei denen die Schwangere den Eingriff ohne triftigen medizinischen Grund schlichtweg bevorzugt. Vielmehr entscheiden sich Ärzte immer häufiger vor oder während der Geburt zur OP. Beispielsweise, weil der Kopf des Babys nicht durch das Becken der Mutter passt, weil die Frau sehr große Angst vor der Geburt hat oder weil die Geburt nicht vorankommt.

"Einen Kaiserschnitt macht man nur aus guten Gründen. Allerdings haben die guten Gründe zugenommen", sagt Prof. Klaus Vetter, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. In Italien oder Brasilien hat sich diese Ansicht längst durchgesetzt. Über 30 Prozent der italienischen Kinder kommen per Kaiserschnitt zur Welt. In den Privatkliniken Brasiliens sind es sogar 80 Prozent der Babys.

"Geburtsvorbereitung geht nur zu zweit"

Einmal die Woche zum Schwangeren-Yoga, ab dem siebten Monat Geburtsvorbereitung mit dem Partner, Info-Abende in Kliniken und Säuglingspflegekurse am Wochenende. Der Terminkalender von Schwangeren und ihren Männern ist rappelvoll.

In Spanien, Italien oder Finnland gibt es diese Vielzahl von Kursen gar nicht. Dafür gibt es andere Rituale, mit denen sich Eltern auf ihr Baby vorbereiten. Spanische Paare verbringen viel Zeit damit, schon während der Schwangerschaft das Kinderzimmer einzurichten. In Süditalien haben die Paare Gesprächstermine beim Pfarrer. Thema: Kindererziehung. Frauen in Finnland finden, dass regelmäßige Sauna-Besuche die optimale Paar-Geburtsvorbereitung sind. Das entspannt, und außerdem hat man dort alle Zeit der Welt, um mit dem Liebsten über das neue Leben nachzudenken.

"Ultraschall mindestens dreimal, zur Sicherheit"

Irgendwie sind die schwarz-weißen Ultraschall-Babybilder ja niedlich. Aber ein bisschen Angst, dass Arzt oder Ärztin irgendetwas Unnormales entdecken, ist auch immer dabei. Drei Ultraschall-Untersuchungen sind bei uns Pflicht, manche Ärzte schallen sogar wesentlich häufiger. Zur Sicherheit.

Ob die zusätzlichen Untersuchungen medizinisch etwas bringen, ist allerdings fraglich. In Holland, Finnland oder Dänemark kennt man den Hype um das Ultraschallgerät gar nicht. Wenn die Schwangerschaft normal verläuft, ist nur in der Mitte der Schwangerschaft eine Ultraschall-Untersuchung üblich, um die Organe und die Lage des Babys zu prüfen.

"14 Tage nach dem Termin muss die Geburt eingeleitet werden"

In Italien warten Ärzte normalerweise höchstens acht Tage nach dem errechneten Termin, bevor sie die Geburt einleiten. In Skandinavien geduldet man sich drei Wochen. In Deutschland zwei. Offensichtlich ist der optimale Geburtszeitpunkt Ansichtssache.

In Amerika holt man die Babys sogar häufig überpünktlich. Der Arzt leitet die Geburt ein, wenn er den Zeitpunkt für gekommen hält. So kommen die allermeisten Amerikaner werktags und mit einem geburtsfreundlichen Gewicht von unter vier Kilo zur Welt. Die Frauen sind darüber nicht unbedingt unglücklich.

Auch in Deutschland liegt die Rate der eingeleiteten Geburten inzwischen bei über 20 Prozent. Allerdings empfinden viele Frauen auch das Einleiten wie ein Versagen. Denn hier hält sich hartnäckig die Ansicht, dass die Geburt, die von allein beginnt, eine "bessere" Geburt sei.

"Habt ihr das Kinderzimmer schon fertig?"

Ihr Baby soll in vier Wochen kommen, und Sie haben noch keinen Strampler im Haus? Keine Panik! Denken Sie einfach an die Finnen. Denn die Nordländer wissen, was Neugeborene wirklich brauchen: ein kleines Bett und Windeln, ein paar Strampelhosen, Bodys und was Warmes für draußen.

Das Baby-Starter-Paket schickt der finnische Staat jeder Frau ein paar Wochen vor der Geburt zu, wenn sie es sich wünscht. Der leere Karton kann zum Babybettchen umgebaut werden. Fertig ist die Vorbereitung. Und die werdenen Eltern können sich entspannen.

Text: Carola Kleinschmidt Mitarbeit: Anne Otto

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