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Schmerz behandeln Was hilft gegen Migräne?

Migräne: Frau mit Tuch auf der Stirn
© catinsyrup / Shutterstock
Migräne oder Kopfschmerzen? Viele Betroffene sind sich nicht sicher, nur jeder Dritte lässt sich behandeln. Was hilft gegen Migräne? Ein Überblick.

Was kann eine Attacke auslösen?

Die Liste möglicher Auslöser (sogenannte Trigger) ist lang: Viele Betroffene reagieren auf Rotwein, relativ häufige Trigger sind zudem Schokolade, Käse, Zitrusfrüchte und der Geschmacksverstärker Glutamat. Darüber hinaus können verqualmte Räume, ein Wetterumschwung, Lärm oder grelles Licht, ein Saunabesuch oder ein intensiver Essensgeruch, Kälte oder eine Reise in die Berge eine Attacke herbeiführen.

Auch wer am Wochenende von seinem üblichen Zeitplan abweicht, erst am frühen Morgen ins Bett geht oder drei Stunden später als sonst zu Abend isst, muss dies unter Umständen mit heftigen Kopfschmerzen büßen - und wundert sich daraufhin, dass die Migräne gerade dann kommt, wenn der Stress nachlässt.

Was passiert bei einem Anfall?

Anders als bei Spannungskopfschmerzen sind an einem Migräne-Anfall die Blutgefäße im Gehirn beteiligt: Sie weiten und verengen sich. Doch während einer Attacke spielt sich noch viel mehr ab. Ein Teil der Nervenzellen wird extrem aktiv und schüttet vermehrt Botenstoffe aus, die entzündliche Veränderungen an den Blutgefäßen verursachen. Dadurch kommt es zu Schwellungen - und zu einem Druck auf die Nerven, der die Schmerzen verstärkt. Die Neigung zu solchen Fehlregulationen ist häufig angeboren. Man nimmt an, dass zu schätzungsweise 70 Prozent Erbfaktoren schuld sind, wenn eine Migräne auftritt.

Lässt sich vorbeugend etwas tun?

Sehr viel sogar, denn für Migräne gilt Ähnliches wie etwa für chronische Rückenschmerzen. Das Nervensystem kann Schmerzen "lernen". Mit jedem Anfall wird es empfindlicher, Wissenschaftler sprechen von "Sensibilisierung". Im Extremfall kommt es dann zum Dauerkopfschmerz. Eine solche Chronifizierung zu vermeiden, ist ein wichtiger Teil der Migräne-Therapie. Dabei setzen Ärzte auf zwei Strategien: Schmerzen so früh wie möglich mit Medikamenten stoppen und Anfällen vorbeugen.

Wie beuge ich am besten vor?

Indem Sie versuchen, für einen regelmäßigen Tagesablauf zu sorgen, mit genügend Schlaf und Platz für persönliche Freiräume. Natürlich kann da mal etwas dazwischenkommen, doch zumindest regelmäßige Mahlzeiten, um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten, sind meist machbar. Besonders das Frühstück sollten Sie nicht ausfallen lassen.

Studien belegen, dass Ausdauersport wie Joggen, Radfahren oder Schwimmen einen positiven Effekt haben. Auch gezielte Entspannung, vor allem die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, kann helfen. Bei einem Biofeedback-Training lernen Sie, die Durchblutung des Gehirns aktiv zu beeinflussen. Wer auf grelles Licht oder flimmernde Bildschirme mit Migräne reagiert, kann möglicherweise mit getönten Kontaktlinsen vorbeugen, so eine britische Studie.

Kann ich auch mit Medikamenten vorbeugen?

Ja. Mehrere Studien legen nahe, dass die regelmäßige Einnahme von Magnesium und Vitamin B2 etwas bringt. Es gibt auch Hinweise, dass homöopathische Kombinationspräparate zur Migräne-Vorbeugung Häufigkeit und Schwere der Anfälle reduzieren können. Ein pflanzliches Mittel aus Pestwurzextrakt kann die Anzahl der Anfälle senken. Es ist zwar rezeptfrei in der Apotheke zu bekommen, doch Sie sollten in jedem Fall vor der Einnahme mit Ihrem Arzt sprechen und sicherheitshalber die Leberwerte kontrollieren lassen.

Ein weiteres Mittel zur Migräne-Vorbeugung ist Botulinumtoxin (Botox), das vor allem als Faltenglätter bekannt ist. In Stirn, Schläfen oder Nacken gespritzt, lähmt die Substanz auch jene Muskeln, die Verspannungen und dadurch Migräne-Anfälle auslösen können, und das monatelang. Aber: Wissenschaftlich ist noch nicht abgesichert, wie gut die teure Botoxbehandlung Anfällen vorbeugt (allein das Präparat kostet über 400 Euro, die Kasse zahlt nicht). Darum sind Ärzte zurückhaltend. Als Nebenwirkung drohen zudem ungewollt starke Lähmungen an den behandelten Stellen.

Gut erprobt und von den Krankenkassen als wirksam akzeptiert ist dagegen die Vorbeugung schwerer Migräne-Attacken mit so genannten Betablockern, die meist bei Bluthochdruck zum Einsatz kommen.

Und was bringt Akupunktur?

Akupunktur kann die Zahl der Anfälle reduzieren. Außerdem mindert sie ihre Intensität: Um die Hälfte bei immerhin jedem zweiten Patienten, so das Ergebnis eines Krankenkassen-Modellversuchs in Deutschland, für den die Teilnehmer über mehrere Wochen akupunktiert wurden. Eine offizielle Kassenleistung ist das Nadeln gegen Migräne zwar noch nicht, aber wegen der guten Ergebnisse sind die meisten Kassen inzwischen kulant.

Was tue ich, wenn der Anfall da ist?

Das Allerwichtigste ist, schnell das richtige Medikament zu nehmen - und zwar in ausreichender Dosierung. So lässt sich vermeiden, dass die Schmerzen sich in das "Gedächtnis" des Nervensystems brennen. Mehr noch: Die Sensibilisierung kann durch eine effektive Schmerztherapie sogar wieder rückgängig gemacht werden.

Besonders wichtig ist es, mittlere und schwere Schmerzattacken nicht erst halbherzig mit zu schwachen Schmerzmitteln zu behandeln, sondern gleich Triptane zu nehmen, verschreibungspflichtige Medikamente zur Akutbehandlung von Migräne. Sie bekämpfen nicht nur den Schmerz, sondern zugleich die Übelkeit sowie die Licht- und Lärmempfindlichkeit. Triptane gibt es auch als Zäpfchen, Spritze oder Nasenspray - das ist wesentlich, wenn man sich übergeben muss. Findet Ihr Hausarzt nicht die richtige Therapie, wenden Sie sich an einen ausgewiesenen Migräne-Spezialisten.

Bei leichteren Migräne-Anfällen reichen häufig rezeptfreie Schmerzmittel aus der Apotheke. Um eine Attacke zuverlässig zu stoppen, sind auf Anhieb 1000 Milligramm Acetylsalicylsäure oder Paracetamol oder 400 Milligramm Ibuprofen nötig. Auch eine Kombination von Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein ist wirksam. Gegen Übelkeit helfen rezeptpflichtige Medikamente mit den Wirkstoffen Metoclopramid oder Domperidon.

Generell sollten alle Kopfschmerz- und Migräne-Medikamente nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht mehr als zehn Tage pro Monat eingenommen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass sich allein durch die vielen Arzneimittel ein andauernder medikamentenbedingter Kopfschmerz entwickelt.

Was hilft außerdem?

Sobald der Migräne-Anfall kommt, sollten Sie sich möglichst schnell gegen Licht und Lärm abschirmen und sich am besten im abgedunkelten Zimmer hinlegen. Versuchen Sie, sich wenig zu bewegen und alles zu vermeiden, was die Übelkeit verstärkt (zum Beispiel kein Essen kochen). Vielen hilft ein Eisbeutel oder ein kalter Umschlag auf dem Kopf und eine Kühl- bzw. Migräne-Brille (gibt's in der Apotheke oder Drogerie), die man auf die Augen legen kann. Linderung verspricht auch Akupressur: mit zwei Fingern die Punkte an der Nasenwurzel drücken, wo die Augenbrauen enden. Oder: beide Ohrläppchen reiben und kneten, bis sie rot und warm werden.

Viele Betroffene spüren schon bis zu 24 Stunden vorher, wenn ein Anfall kommt. Zum Beispiel, weil sie plötzlich ununterbrochen gähnen müssen, extrem müde oder reizbar sind oder Heißhunger auf Süßes haben. Wer dann gleich kürzer tritt oder sich hinlegt und schläft, kann den Anfall unter Umständen vermeiden oder abmildern.

Was geschieht während der Aura?

Etwa 10 bis 15 Prozent der Migräne-Patienten haben kurz vor der eigentlichen Kopfschmerzattacke eine so genannte Aura. Dabei treten ganz unterschiedliche Symptome auf: Sehstörungen wie "blinde Flecken", Lichtblitze oder gezackte Linien, vorübergehende Lähmungen, Sprachstörungen oder ein Kribbeln und Taubheitsgefühl in den Armen. Meist ist die Aura nach 30 bis 60 Minuten vorbei, und die Kopfschmerzen setzen ein.

Wird eine Migräne durch die Pille oder andere Hormonpräparate schlimmer?

Hormone spielen bei Migräne eine große Rolle: Jede zehnte Patientin hat ausschließlich vor oder während der Regel Schmerzen. Wer ein Kind erwartet, bekommt während der Schwangerschaft mit 50- bis 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit keine Attacken mehr. Was Hormonpräparate angeht, gibt es bisher wenig aussagekräftige Erkenntnisse.

Fest steht, dass Pillen-Konsumentinnen ihre Anfälle vermehrt in der Einnahmepause haben, wenn der Hormonspiegel abfällt. Dann empfehlen Experten für gewöhnlich, die Pille ohne Pause durchzunehmen. Grundsätzlich gilt: Jede Frau, die Hormone nimmt, muss selbst ausprobieren, ob sie damit mehr oder weniger Migräne-Beschwerden hat.

Allerdings sind Hormonpräparate gerade für Migräne-Geplagte ohnehin nur mit Einschränkung zu empfehlen. Eine Studie der Uni Münster zeigte: Migräne-Patientinnen bekommen etwas häufiger einen Schlaganfall - wenn sie zusätzliche Risikofaktoren wie einen zu hohen Blutdruck oder erhöhte Blutfettwerte haben. Auch Pille und Hormonersatztherapie erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, genau wie Zigaretten.

Gibt es heute wirklich mehr Kinder, die an Migräne leiden? Wie kann man ihnen helfen?

Seit Jahren beobachten Experten, dass Kopfschmerzen bei Kindern häufiger werden, berichtet die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft in ihrem Eltern-Ratgeber. Schon im Vorschulalter seien 20 Prozent betroffen, bis zum Ende der Grundschulzeit mehr als die Hälfte. Eine Untersuchung an fast 7000 Schülern habe belegt, dass bis zum 12. Lebensjahr rund 90 Prozent der Kinder Erfahrungen mit Kopfschmerzen gemacht haben. Etwa 60 Prozent dieser Kinder kennen Spannungskopfschmerzen und bis zu zwölf Prozent leiden an Migräne.

Manche wirksamen Migräne-Mittel dürfen Kinder nicht nehmen, umso wichtiger sind daher Vorbeugung, natürliche Mittel und ein liebevoller Umgang mit der Krankheit bzw. des kleinen Patienten mit sich selbst. Experten plädieren dafür, dem Kind in Ruhe zu erklären, dass es ein besonders empfindliches Nervensystem hat. Es ist gut, wenn das Kind sich mit dieser Besonderheit aussöhnt. Dabei helfen Entspannungsübungen, die junge Patienten genauso gut wie Erwachsene lernen und anwenden können. Aber auch eine tolle Geschichte oder Fantasiereise entspannen Kinder und lenken sie ab. Viele kleine Patienten können die Migräne gut "wegschlafen". Daher ist es ratsam, sie gleich zu Beginn einer Attacke ins Bett zu legen. Pfefferminzöl, das an den Schläfen verrieben wird, und ein kalter Waschlappen auf der Stirn helfen ebenfalls.

Außerdem sollten Eltern versuchsweise für eine Zeit Lebensmittel wie Käse, Nüsse, Würstchen oder Schweinefleisch weglassen. Eine israelische Studie hat gezeigt, dass Kinder, die mehr als 1,5 Liter Cola am Tag tranken, ihre Kopfschmerzen durch einen Cola-Entzug in den Griff bekamen (Cola-Menge langsam reduzieren, pro Tag ein Glas weniger). Ein regelmäßiger Tagesablauf ohne Überforderung und ausreichend Schlaf sind auch für Migräne-Kinder besonders wichtig. Hanne Seemann, die an der Uniklinik Heidelberg kleine Migräne-Patienten behandelt, empfiehlt außerdem: Jeden Monat ein paar "Hängemattentage" ohne Termine einlegen - und zwar, wenn es dem Kind gut geht, nicht erst, wenn die Attacke da ist. Übrigens: Oft klagen Kinder bei Migräne vor allem über Übelkeit und Bauchweh und weniger über Kopfschmerzen.

Checkliste: Ist es wirklich Migräne?

Manchmal kann das wirklich nur ein Spezialist beurteilen. Aber es gibt ein paar Anhaltspunkte. Wenn Sie mindestens drei der folgenden Fragen mit Ja beantwortet, leiden Sie eher an Migräne als an "normalen" Spannungskopfschmerzen:

  • Ist der Kopfschmerz einseitig?
  • Werden die Schmerzen schlimmer, wenn Sie sich bewegen?
  • Können Sie wegen der Schmerzen Ihr normales Arbeitspensum nicht erledigen?
  • Ist Ihnen während der Attacken übel oder müssen Sie sich übergeben?
  • Sind Licht und/oder Geräusche eine Qual?
  • Ist der Schmerz pulsierend oder pochend?
  • Kündigt sich eine Schmerzattacke mit einer Aura an?
Text: Dr. Sabine Thor-Wiedemann

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