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PRP Diese neue Trendtherapie soll ein Wundermittel gegen Gelenkschmerzen sein

Frau mit Tennisschläger hält sich ihren Ellenbogen
© peopleimages.com / Adobe Stock
Ob gegen Falten oder Gelenkschmerzen – plättchenreiches Plasma, kurz PRP, ist die aktuelle Trendtherapie. Autor Markus Brügge wagte einen Selbstversuch.

Das Alter ist ein Massaker. Okay, dieser Gedanke ist erstens mit knapp 48 vielleicht etwas übertrieben. Und zweitens nicht von mir, sondern von dem US-amerikanischen Schriftsteller Philip Roth. Aber die Wahrheit ist eben auch: Mit fast 50 merke ich, dass mein Körper viel mehr zwickt und schmerzt, als er es noch vor zehn Jahren getan hat.

Was kein Wunder ist, schließlich funktionieren die Regenerationsprozesse in meinem Inneren nicht mehr so gut. Ganz wesentlich für diese Prozesse sind die sogenannten Wachstumsfaktoren, eine Art Reparaturteam. Wie der Name schon sagt, lassen sie Strukturen in unserem Körper nachwachsen. Bindegewebe etwa. Hautzellen. Oder Knorpel. Wenn etwas davon durch einen Unfall beschädigt wird oder einfach durch Gebrauch verschleißt, werden die verschiedenen Wachstumsfaktoren zu der entsprechenden Stelle geschickt und: tataa, wieder heile. Leider funktioniert das mit fortschreitendem Alter immer schlechter – weshalb sich etwa eine Schnittwunde bei einem fünfjährigen Kind schneller verschließt als bei einer 70-Jährigen.

Womit wir wieder bei meinem zwickenden Körper wären. Zu Beginn des Frühlings 2021 konnte ich kein Tennis spielen, wegen der Pandemie waren alle Plätze geschlossen. Erst Mitte Mai durfte ich wieder den Schläger schwingen – was ich ausgiebig tat. Offenbar ein bisschen zu ausgiebig. Denn nach kurzer Zeit tat es höllisch weh, wenn ich den rechten Arm über den Kopf heben wollte. Auch bei leichten Drehungen schoss mir der Schmerz wie ein Stromschlag in den Oberarm. Im Ultraschall konnte man gut erkennen: Der Ansatz der langen Bizepssehne hatte sich entzündet, dort und auch weiter unten hatte sich Wasser eingelagert, das wiederum auf die Nerven drückte. Autsch.

PRP – seit den 1990ern

Damit begann eine Odyssee durch Orthopädie-Praxen, zu Physiotherapeuten, Osteopathen, ich bekam Kortisontabletten (es wurde kurz besser), Stoßwellen (es wurde kurz besser), aber nichts half dauerhaft. Bis ich bei der Kölner Orthopädin Betina Piroth landete, die mir fünf Mal in fünf Wochen von vorne und von hinten in Arm und Schulter pikste. Nach dem dritten Mal spürte ich bereits eine Besserung, nach dem fünften waren die Schmerzen so gut wie weg. In der Spritze befand sich jeweils eine goldschimmernde Flüssigkeit, mein Plasma. 30 Milliliter Blut waren mir dafür zuvor aus der Armvene entnommen worden, um dann innerhalb von 15 bis 20 Minuten in einer Zentrifuge in feste und flüssige Bestandteile getrennt zu werden.

Im so entstandenen Plasma schwimmen in hoher Konzentration Thrombozyten, also Blutplättchen, die wie die weißen und die roten Blutkörperchen Bestandteil unseres Blutes sind. So kommt auch der Name des Wirkstoffs zustande: "platelet rich plasma", auf Deutsch plättchenreiches Plasma, kurz PRP. Es enthält große Mengen der oben bereits erwähnten Wachstumsfaktoren.

Eine ebenso simple wie faszinierende Idee, denn man nutzt die körpereigenen Heilungskräfte. "Sie setzen einen gezielten Heilungsreiz", erklärt Thomas Tischer. Tischer ist Orthopäde im St. Marien-Krankenhaus in Erlangen und hat an der europäischen PRP-Leitlinie von 2022 mitgearbeitet. Ganz neu ist die Idee dabei nicht: Schon Mitte der 1990er beschrieb ein amerikanischer Kieferchirurg, dass er bei einem Patienten dessen Plasma eingesetzt hatte, um die Heilung eines Knochens nach einer OP zu fördern. Seither verbreitet sich PRP rasant in der Medizin, aber auch bei Beauty-Eingriffen, um jünger auszusehen. Reality-Star Kim Kardashian machte die Anwendung durch Fotos ihres spektakulären "Vampirliftings" berühmt. Und immer wieder gibt es Berichte von regelrechten Wunderheilungen: Der Mittelfuß des deutschen Nationaltorhüters Manuel Neuer sei nur dank Eigenplasma rechtzeitig zur Fußball-WM 2018 wieder zusammengewachsen. Der Tennisprofi Rafael Nadal könne durch PRP trotz seines lädierten Knies spielen.

Wundermittel oder erfolglos?

Tatsächlich ist die Methode besonders in der Sportmedizin beliebt, sagt auch Thomas Tischer. Wunder dürfe man aber keine erwarten. "Es kommt ganz darauf an, wie zerstört etwa der Knorpel im Knie ist oder wie chronisch eine Entzündung", so der Professor für Orthopädie. Bei einer leichten Arthrose im Anfangsstadium zum Beispiel habe er bei seinen Patient:innen plättchenreiches Plasma oftmals erfolgreich eingesetzt.

Eine Wirkung, die Betina Piroth bestätigen kann. "Ich habe im MRT nach einigen Monaten schon oft gesehen, dass im Bereich der Defekt-areale eine Regeneration erfolgt ist, nachdem ich PRP gespritzt habe." Weil ihre Patient:innen gleichzeitig über keine oder weniger Schmerzen klagten, geht die Orthopädin von einer Ausheilung aus, je nach Beschwerden reichten dafür drei bis fünf Behandlungen. Auch bei der Gesichtshaut empfehlen die meisten Dermatolog:innen anfänglich drei bis vier Sitzungen, danach dann eine jährliche Wiederholung. Mit Kosten zwischen 150 und 250 Euro pro Behandlung ist die Methode also nicht günstig.

Sicher ist der Erfolg dabei nicht. Die von Thomas Tischer mitentwickelte Leitlinie verweist auf die dünne Studienlage und darauf, dass immer noch nicht eindeutig klar ist, wie das Eigenplasma genau wirkt. So sind es bisher oft Erfahrungswerte und einige, wenige Studien, die zeigen, wie und wo die Behandlung mit Eigenplasma sinnvoll ist. "Für die Patellasehne, den Tennisellenbogen oder Knorpelverschleiß im Knie gibt es umfangreichere Untersuchungen, die vielversprechend sind", erklärt der Orthopäde. Er selbst hat vor zwei Jahren an einer Metastudie mitgearbeitet, die zeigt, dass PRP Knieprobleme verbessern kann, auch im Vergleich zu Hyaluronsäure, die in diesem Bereich gern eingesetzt wird. Aber große klinische Studien seien teuer und meist nur zusammen mit der Industrie finanzierbar, so Tischer. Und die hat wenig Interesse an einem körpereigenen Stoff, der billiger und wahrscheinlich auch nachhaltiger ist als der Superstar Hyaluron, der in Deutschland hunderttausendfach in Gelenke gespritzt wird.

Noch ein langer Weg

Aber auch Thomas Tischer rät zur Zurückhaltung. Es gebe in seinem Fachgebiet zwei Lager, sagt er: "Die einen sind wie ich vom plättchenreichen Plasma überzeugt und machen damit gute Erfahrungen; die anderen halten es für wenig sinnvoll." Tatsächlich ist die Studienlage insgesamt nicht einheitlich, was den Erfolg von PRP angeht. Mal schneidet es eben auch nicht besser ab als Hyaluron, mal wirkt sogar ein Placebo besser.

Ähnlich sieht es auch in der ästhetischen Dermatologie aus. "PRP ist sicher kein Ersatz für Botox oder Hyaluronfiller, damit erzielen Sie einen viel schnelleren und deutlicheren Effekt", sagt Dermatologin Dagmar Ludolph-Hauser, die in der Nähe von Landshut ihre Praxis betreibt. Weil das Eigenplasma aber neue Blutgefäße wachsen lasse und dafür sorge, dass die Haut wieder besser und mehr Wasser binden könne, wirke das Gesicht erkennbar frischer und jugendlicher. Zudem ist die Methode arm an Nebenwirkungen, meist treten vorübergehend leichte Schwellungen und Rötungen auf, manchmal kommt es zu Blutergüssen. Aber für größere "Baustellen", das macht die Hautärztin klar, ergebe PRP einfach keinen Sinn. "Tiefe Falten zwischen Nase und Mund kann ich damit nicht auffüllen."

Ohnehin stehe der Einsatz von plättchenreichem Plasma auch Jahrzehnte nach den ersten Erfolgen noch am Anfang, sagt Thomas Tischer. Wesentliche Fragen bleiben bis heute offen: Wie lange muss das Blut zentrifugiert werden? Wie oft sollte man es bei welchen Beschwerden spritzen? Welche Menge ist überhaupt nötig? Wie "rein" muss das Plasma sein, also wie frei von anderen Blutbestandteilen? "Es ist klar, dass das Verfahren besser standardisiert werden muss und dass wir weitere Studien brauchen", so der Orthopäde.

Sein Optimismus in Sachen Knie und PRP hat aber auf mich abgefärbt. Denn auch meine Knie fangen in letzter Zeit nach dem Tennis etwas zu zwicken und zu zwacken an. Weshalb ich mir bei Betina Piroth neulich schon die erste Dosis abgeholt habe. Vielleicht bin ich noch nicht in dem Alter, in dem das Alter zum Massaker wird. Aber Vorsorge ist auf jeden Fall besser als kaputte Knie.

PRP versus Eigenbluttherapie – die Unterschiede

Bei der sogenannten Eigenbluttherapie, die bisher bekannter ist als PRP, wird Blut abgenommen und wieder ins Gewebe zurückgespritzt (manchmal mit Sauerstoff oder homöopathischen Substanzen angereichert oder zuvor mit UV-Licht bestrahlt). Das dürfen auch Heilpraktiker:innen. PRP dagegen wird mittels Zentrifuge aufbereitet und darf deswegen laut Arzneimittelgesetz nur von Ärzt:innen injiziert werden.

Beim Eigenblut nehme der Körper das reinjizierte Blut als Fremdstoff wahr, sagt die Alternativheilkunde, und so würden der Stoffwechsel und das Immunsystem angeregt. Beim PRP sind es die Wachstumsfaktoren, die die körpereigene Heilung fördern, indem sie etwa die Zellteilung beschleunigen.

Wichtigster Unterschied der beiden Verfahren: Zwar ist die Studienlage beim Eigenplasma uneinheitlich, aber es gibt zumindest einige Untersuchungen, die Effekte nachgewiesen haben. Für die Therapie mit Eigenblut dagegen hat der Medizinische Dienst Bund eindeutig festgestellt: Eine Wirkung ist wissenschaftlich nicht erwiesen.

Brigitte

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