Anzeige

Wie erkläre ich meiner Mutter meine Depression?

Sabrina Benaim leidet unter einer Depression - und unter dem Unverständnis ihrer Familie. Bei einem Poetry Slam brachte sie ihre Verzweiflung eindrucksvoll auf den Punkt.

Wie fühlt sich eine Depression an? Wie schwierig diese Frage zu beantworten ist, weiß wohl jeder, der jemals darunter gelitten hat. Es gibt kaum Worte, die diese Krankheit treffend beschreiben könnten. Deswegen fühlen sich viele Betroffene häufig unverstanden - selbst von Menschen, die ihnen sehr nahe stehen. Gerade Familie und Freunde bewirken mit wohlgemeinten Ratschlägen oft das Gegenteil.

Sabrina Benaim kennt solche Situationen nur zu gut. Ihre Erfahrungen hat die 26-jährige Kanadierin in einem eindrucksvollen Gedicht verarbeitet. Ein Gedicht, das ein typisches Gespräch zwischen Mutter und Tochter wiedergibt und das zeigt, wie einsam sich depressive Menschen oft fühlen.

"Mama, meine Depression kommt in vielen Gestalten - mal ist sie so klein wie eine Fliege, mal so groß wie ein Bär", beginnt Sabrina mit drängender Stimme. "Ich nenne die schlechten Tage die dunklen Tage. Meine Mutter rät mir dann, Kerzen anzuzünden. Doch ich habe keine Angst vor der Dunkelheit. Vielleicht ist das Teil des Problems ... Angst hält mich als Geisel in meinem Haus, in meinem Kopf."

Als Zuschauer sieht man, wie nahe Sabrina das Thema geht. Man hat fast das Gefühl, das Gespräch mitzuerleben. "Meine Mutter fragt: 'Warum gehst du nicht auf Partys, triffst deine Freunde?' - Natürlich schmiede ich Pläne, aber will nicht hingehen. Es macht keinen Spaß, Spaß zu haben, wenn du keinen Spaß haben willst."

Und weiter: "Meine Mutter sagt, ich soll Schafe zählen. Doch mein Geist kann nur Gründe zählen, wach zu bleiben. Ich schlafwandle auf einem Ozean der Glückseligkeit, in dem ich mich nicht taufen kann ... Meine Mutter sagt, glücklich zu sein ist eine Entscheidung. Doch mein Glück ist so hohl wie ein angestochenes Ei ... Meine Mutter fragt, ob ich Angst vorm Sterben habe. Nein! Ich habe Angst vorm Leben!"

Gegen Ende ihres Vortrags ringt Sabrina nach Luft, sie schreit sich ihre Verzweiflung von der Seele und schließt mit den Worten: "Meine Mutter versteht es immer noch nicht. Mama, siehst du nicht, dass ich es genauso wenig verstehe?"

Dieses Gedicht trug Sabrina auf einem Poetry Slam in Kalifornien vor. Damit begeisterte sie nicht nur das Publikum im Saal: Die Aufzeichnung ihres Auftritts wurde bereits mehr als 1,2 Millionen Mal angesehen. Mit ihren eindringlichen Worten spricht Sabrina offenbar sehr vielen Menschen aus der Seele - und rüttelt Nicht-Betroffene wach.

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel