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Wie Darmpilze unsere Gesundheit beeinflussen

"Wer gesund isst, braucht vor Pilzen keine Angst zu haben." - Ein Interview mit Dr. Ingrid Gerhard über lästige Pilze im Körper, wirksame Gegenmittel und überschätzte Anti-Pilz-Kuren.

BRIGITTE: Warum gibt es immer mehr Pilzkranke?

Prof. Ingrid Gerhard: Eines vorweg: Pilze im Körper zu haben ist noch keine Krankheit. Hefepilze zum Beispiel gehören, wenn auch in geringer Anzahl, zur normalen Keimflora des Körpers. Pilze gibt es praktisch überall in unserer Umwelt. Wenn heute immer mehr Menschen, besonders Frauen, an Pilzinfektionen leiden, liegt das daran, dass ihr Immunsystem geschwächt ist und die Krankheitserreger nicht abwehren kann.

Wie kommt das?

Es gibt viele Faktoren, die das Immunsystem beeinflussen. Dazu gehören zum Beispiel Stress, Bewegungsmangel, falsche Ernährungsgewohnheiten, Veränderungen im Hormonhaushalt des Körpers und vor allem Umweltbelastungen. Auch Antibiotika und Cortisonpräparate können die körpereigene Abwehr schwächen - besonders, wenn jemand schon in der Kindheit solche Medikamente bekommen hat und die Behandlung häufig wiederholt werden muss. Der wichtigste Faktor sind jedoch die Ernährungsgewohnheiten. Fast food und Fertiggerichte, viel Fleisch, Süßigkeiten, Limonaden und Alkohol - all das beschleunigt das Entstehen einer Pilzinfektion. Umgekehrt kann man der Krankheit vorbeugen oder die Heilung unterstützen, wenn man seine Ernährung auf Vollwertkost umstellt und viel frisches Gemüse, Salat sowie Obst isst.

Was passiert, wenn Pilze nicht behandelt werden?

Sehr oft hat das keinerlei Folgen für die Gesundheit. Viele Menschen haben Pilzinfektionen, ohne krank zu sein. Und so lange ihr Immunsystem in Ordnung ist, wird das auch so bleiben.

Und woran merkt man, dass man wirklich krank ist?

Ständige Verdauungsprobleme - zum Beispiel Völlegefühl, Durchfall oder Verstopfung, laute Darmgeräusche - können erste Symptome einer erhöhten Pilzbesiedlung des Darmes sein ...

... und dann ist es Zeit, gegen die Infektion etwas zu tun?

Ja. Denn sobald eine Krankheit hinzu kommt, die das Immunsystem schwächt, kann die Pilzerkrankung ernste Folgen haben. Mit der Zeit wird die Darmschleimhaut angegriffen und kann sich entzünden. Dadurch entstehen oft Überempfindlichkeiten gegen bestimmte Lebensmittel und auch gegen die Darmpilze selbst - bis hin zur Allergie.

Stimmt es, dass Pilzinfektionen auch Neurodermitis auslösen können?

Neurodermitis ist eine entzündliche Hautkrankheit, die meist schon in der Kindheit auftritt und auch genetisch bedingt ist. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die meisten Menschen, die an Neurodermitis leiden, gleichzeitig eine Pilzinfektion im Darm haben. Ob die Pilzerkrankung die Neurodermitis ausgelöst hat oder umgekehrt von den Kortisonpräparaten verursacht wurde, die bei Neurodermitis oft verordnet werden müssen, lässt sich meist kaum feststellen. In jedem Fall ist es wichtig, Neurodermitis-Kranke auf Pilze zu untersuchen und eine Infektion dann auch zu behandeln.

Woran erkennt man eine Pilzerkrankung?

Es gibt viele mögliche Symptome - von Verdauungsstörungen über häufigen Heißhunger auf Süßes bis hin zu depressiven Verstimmungen, unerklärlicher Müdigkeit und, wie gesagt, allergischen Reaktionen. Aber längst nicht alle, die unter solchen Beschwerden leiden, haben auch Pilze. Ein ziemlich deutlicher Hinweis sind ungeklärte Hautekzeme, vor allem im Bereich des Darmausgangs.

Wenn Frauen immer wieder Scheidenpilze bekommen - müssen sie dann damit rechnen, auch Pilze im Darm zu haben?

Eine Scheidenpilzinfektion kann tatsächlich ein Hinweis auf Darmpilze sein. Doch das eine hat mit dem anderen nicht unbedingt etwas zu tun. Auch wenn eine Frau eine Pilzinfektion in der Scheide hat, kann ihr Darm gesund sein. Kommen die Pilze aber immer wieder, sollte sie sich gründlich untersuchen lassen, denn es können ganz verschiedene Ursachen dahinterstecken: Bei Frauen, die ohnehin leicht Scheidenpilzinfektionen bekommen, kann diese Neigung durch die Pille etwas verstärkt werden. Und wir stellen bei unseren Patientinnen oft fest, dass auch Probleme in der Partnerschaft eine Rolle spielen.

Viele lassen sich auf Pilze untersuchen und bekommen dann gesagt, sie seien in Wahrheit vollkommen gesund. Sind alle diese Menschen Hypochonder?

Sicher nicht. Natürlich kommt es vor, dass jemand sich plötzlich in den Kopf gesetzt hat, pilzkrank zu sein. Auch wir erleben das bei manchen Patientinnen. Hinzu kommt aber, dass es auch für einen Arzt schwierig sein kann, eine Pilzerkrankung zu erkennen. Dazu sind oft mehrere verschiedene Untersuchungen notwendig, und es kann auch sein, dass ein Test mehrmals wiederholt werden muss, um die Infektion mit Sicherheit nachzuweisen oder ausschließen zu können.

Welche Medikamente wirken besonders gut gegen Pilzerkrankungen?

Das am längsten erprobte Medikament gegen Pilzinfektionen im Darm und in der Scheide ist die Substanz Nystatin. Nach meiner Erfahrung wirken die Präparate am besten, die Nystatin als einzige Wirksubstanz enthalten und nicht in Kombination mit anderen Stoffen. Es gibt außerdem eine Reihe neuerer Substanzen wie zum Beispiel Fluoconazol oder Itraconazol. Damit soll man die Infektion schon nach sehr kurzer Zeit in den Griff bekommen. Das gelingt vielleicht bei einem einmaligen Scheidenpilz. Bei Darmpilzen und bei Scheidenpilzen, die immer wieder auftreten, ist eine Behandlung mit solchen Präparaten jedoch wenig erfolgversprechend.

Wie kann man sich mit Naturheilkunde und Hausmitteln helfen?

Sehr wirksam sind zum Beispiel Lebensmittel mit Milchsäurebakterien, zum Beispiel Bio-Naturjoghurt und Brottrunk. Bewährt haben sich auch spezielle Pflanzenextrakte, die man in Apotheken bekommt - wahrscheinlich liegt das aber an der immunstimulierenden Wirkung dieser Pflanzen und nicht daran, dass sie die Infektion direkt bekämpfen. Diese Extrakte enthalten Auszüge von gelbem Labkraut, krausblättrigem Ampfer, Wiesenbärenklaue und Schlehdorn.

Viele Medikamente gegen Pilzerkrankungen sind rezeptfrei. Sollte man sich notfalls selbst behandeln?

Davon würde ich in den meisten Fällen abraten. Wenn eine Frau wegen einer Pilzerkrankung bereits in ärztlicher Behandlung war und wieder dieselben Beschwerden hat, kann sie das Medikament, das sie verschrieben bekommen hat, ruhig wieder einnehmen. Sie sollte sich dann aber so bald wie möglich noch einmal untersuchen lassen. Zwar sind die rezeptfreien Mittel gegen Pilzerkrankungen nicht schädlich. Wendet man sie aber über längere Zeit immer wieder an, kann es passieren, dass die Pilze gegen das Medikament resistent werden und es nicht mehr wirkt. Was außerdem gegen Selbstbehandlung spricht: Wenn Pilze immer wiederkommen, bedeutet das, dass irgendwo noch ein bisher unerkannter Störfaktor steckt. Ob dann eine Ernährungsumstellung reicht oder ob man versuchen sollte, auch die zusätzlichen Belastungen auszuspüren und möglichst auszuschalten - das lässt sich nur mit ärztlicher Hilfe herausfinden.

Viele Frauen erhoffen sich von einer Anti-Pilz-Kur, dass es ihnen bald rundum besser geht: schlanker, fitter, gute Stimmung ...

Das ist unrealistisch. Mit dem Einnehmen der Anti-Pilz-Mittel allein lassen sich solche Effekte schon gar nicht erzielen. Vielen geht es in der ersten Zeit sogar schlechter, weil durch die Behandlung Stoffwechselprodukte der Pilze frei werden, die den Organismus zusätzlich belasten. Sicher ist jedenfalls: Wer nicht zugleich seine Ernährung umstellt und krankmachenden Stress verringert, wird wieder Pilze bekommen, sobald er die Medikamente nicht mehr einnimmt.

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