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Pflanzen gegen Schmerzen

Wenn der Kopf dröhnt, die Brust spannt oder der Rücken weh tut, helfen sanfte Mittel wirkungsvoll. Das beweisen inzwischen viele wissenschaftliche Studien.

Schon die vierte Tablette heute. Kein Wunder, dass der Magen rebelliert. Gibt es denn kein Mittel, das sanft ist und trotzdem wirkt? Besonders Menschen mit chronischen Beschwerden wollen nicht immer chemische Schmerztabletten schlucken. Brauchen sie auch nicht. Hausmittel oder Heilpflanzen helfen zuverlässig und haben wenig Nebenwirkungen. Seit einigen Jahren wollen deshalb auch Schmerzspezialisten nicht mehr auf Medikamente aus natürlichen Heilpflanzen verzichten. Unterstützung bekommen sie aus der Wissenschaft. Neue Forschungsergebnisse beweisen, was aus der Volksmedizin längst bekannt war: Heilpflanzen können viel gegen Schmerzen tun - allein oder als Ergänzung zu chemischen Mitteln, von denen dann weniger nötig sind.

Zum Pinseln oder Einreiben

CayennepfefferZu viel Chili in der Suppe kann ganz schön brennen - richtig dosiert wirkt der scharfe Inhaltsstoff aus dem Cayennepfeffer (Capsici fructus acer), das Capsaicin, aber schmerzlindernd. Das funktioniert, weil es, ähnlich wie Campher oder Senfsamen, die Durchblutung fördert und so wärmt. Viele Rheumapflaster und Salben gegen Hexenschuss enthalten deshalb diese Substanz. Hersteller empfehlen, die Pflaster nur zwei Tage kleben zu lassen -anderenfalls könnten die Hautnerven geschädigt, also unempfindlicher werden. Genau das ist bei chronischen Schmerzen aber erwünscht: Diabetiker zum Beispiel, deren Füße oft dauerhaft weh tun, oder Patienten mit juckenden Hautkrankheiten können deswegen von Cayennepfeffer genauso profitieren. Nach etwa zwei Monaten allerdings setzt ein Gewöhnungseffekt ein, so dass die Wirkung nachlässt. Anwendung: Rheumapflaster nach 48 Stunden entfernen, Rheumasalben an zwei aufeinander folgenden Tagen je dreimal einmassieren. Achtung, auf empfindlicher Haut erst mal nur ganz wenig Salbe verwenden und zuvor dick z. B. mit Nivea cremen. Chronische Schmerzen unter ärztlicher Anleitung behandeln.

PfefferminzeWir kennen sie als erfrischendes Bonbon oder als Tee gegen Magengrimmen. Doch die Pfefferminze (Mentha piperita) kann noch mehr: Sie lindert Spannungskopfschmerzen. Professor Hartmut Göbel von der Schmerzklinik der Universität Kiel verglich in zwei Untersuchungen Pfefferminzöl mit den gängigen Schmerzmitteln Paracetamol bzw. Acetylsalicylsäure (z. B. in Aspirin). Das Ergebnis überraschte auch Experten: Auf Schläfen, Stirn und Nacken gestrichenes verdünntes Pfefferminzöl hilft bei einer Kopfschmerzattacke ungefähr gleich gut wie die chemischen Präparate. Die Methode auszuprobieren empfiehlt Professor Göbel besonders denjenigen, die mehr als zehnmal pro Monat eine Tablette brauchen. Denn zu viel chemische Schmerzmittel können unter Umständen selbst Kopfschmerzen auslösen. Anwendung: Verdünntes Öl (10 Gramm Öl, 90 Gramm Alkohol, fertig oder individuell hergestellt aus der Apotheke) mehrmals täglich genau dort auftragen, wo es weh tut.

ArnikaEinmal nicht aufgepasst, und schon ist man umgeknickt, der Knöchel schwillt an und schmerzt. Dann hilft Arnika (Arnica montana), eine gelbe Gebirgsblume. Ein Extrakt aus ihren Blüten lindert Schmerzen bei Prellungen, Quetschungen, Verstauchungen und Gelenkbeschwerden. Das schafft er, indem er die dabei ablaufenden entzündlichen Prozesse hemmt. Wer oft empfindlich reagiert, verzichtet aber besser auf Arnika: Die Pflanze kann Allergien auslösen, deshalb sollte man den Extrakt auch niemals einnehmen. Anwendung: Mehrmals täglich als Salbe (Apotheke) oder Umschlag. Dazu etwa vier Teelöffel (zwei Gramm) Arnikablüten (Arnicae flos) mit 100 Milliliter kochendem Wasser übergießen. Nach zehn bis 15 Minuten durch ein Teesieb gießen. Bequemer: Einen Teelöffel der aus einem Teil Blüten und zehn Teilen Alkohol hergestellten fertigen Arnikatinktur (Apotheke) mit einer Tasse Wasser verdünnen.

NelkenEs ist Wochenende, und Sie haben plötzlich Zahnschmerzen? Ein Gang zum Gewürzregal könnte sich lohnen. Denn die getrockneten Knospen (Caryophylli flos) des Nelkenstrauchs enthalten ätherisches Öl mit viel Eugenol, einer betäubend und antibakteriell wirkenden Substanz. Deshalb lindern Nelken - ähnlich wie Myrrhe - auch Zahnfleischentzündungen schnell. Noch wirkungsvoller ist das ätherische Öl (Oleum caryophylli) selbst, das aus den Blüten gewonnen wird. Anwendung: Mehrmals täglich das Öl (Apotheke) unverdünnt auf die schmerzenden Stellen tupfen.

Zum Einnehmen als Tee oder Tablette

PestwurzLicht ist unerträglich, im Kopf hämmert es gemein, und der Magen spielt verrückt: Migräne kann einen völlig lahm legen, selbst starke Schmerzmittel helfen nicht immer. Wenn derart heftige Attacken mehr als zweimal pro Monat auftreten, lohnt es sich vorzubeugen. Dabei hilft eine große Staude, die Pestwurz (Petasites hybridus). Das ergab kürzlich eine Studie am Städtischen Krankenhaus München-Harlaching, für die Patienten mit starker Migräne zwölf Wochen lang Pestwurz-Extrakt oder ein Scheinmedikament erhielten. Die Pestwurz-Gruppe hatte danach nur noch halb so viele Anfälle wie zuvor. Bei den Placebo-Patienten wurden die Attacken kaum weniger. "Einige Patienten hatten selbst eineinhalb Jahre nach der Behandlung keine ernsten Migräne-Attacken mehr. Dass man mit Pestwurz der Migräne so gut vorbeugen kann, ist neu", sagt der Studienleiter Professor Werner Grossmann.

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Anwendung: Bei schwerer Migräne empfiehlt Prof. Grossmann folgende Kur: In den ersten sechs Wochen dreimal, dann drei Monate lang zweimal täglich 50 Milligramm Pestwurz-Extrakt als Kapseln einnehmen. Danach sollte das Mittel allmählich abgesetzt werden.

WeidenrindeDer Kopf ist dick, man fühlt sich total schlapp, und die Körpertemperatur ist auch leicht erhöht... Gegen die typischen Erkältungsbeschwerden gibt es ein sanftes Mittel: die Weidenrinde (Salicis cortex). Ihr Inhaltsstoff Salicin hemmt die Entstehung entzündungs- und schmerzvermittelnder Botenstoffe. Die Rinde wirkt also ähnlich wie Acetylsalicylsäure (Aspirin), das sie vor rund 100 Jahren als Standardmittel gegen Schmerzen, Fieber und rheumatische Beschwerden ablöste. Der Vorteil der Weidenrinde: Der Pflanzenauszug ist besonders gut verträglich - und sehr wirksam bei Rückenschmerzen. Das fand Professor Sigrun Chrubasik von der Uni Freiburg heraus, indem sie 210 Patienten vier Wochen lang beobachtete. Anwendung: Prof. Chrubasik empfiehlt Tabletten mit 240 Milligramm Salicin, das mit Alkohol aus der Pflanze gelöst wurde. Für diesen Extrakt konnte sie die Wirkung belegen. Wer es erst mal mit Tee probieren will, trinkt drei bis fünf Tassen pro Tag, entsprechend 60 bis 120 Milligramm Salicin. Für jede Tasse eineinhalb bis zwei Teelöffel der fein geschnittenen oder grob pulverisierten Rinde mit kaltem Wasser ansetzen, zum Sieden erhitzen und nach fünf Minuten durch ein Teesieb gießen.

TeufelskralleEin kleiner Spaziergang, die Schnürsenkel binden oder gemütlich im Sessel sitzen: Mit Rückenschmerzen oder Gelenkproblemen kann sogar Nichtstun quälend schmerzen. Dass ein Extrakt aus der Wurzel der Teufelskralle (Harpagophyti radix) da eine wirksame Hilfe sein kann, wiesen mehrere Wissenschaftler-Teams nach, zuletzt das um Professor Hartmut Göbel von der Schmerzklinik der Universität Kiel. Professor Göbel gab einem Teil der 63 Studienteilnehmer vier Wochen lang zweimal täglich 480 Milligramm eines Teufelskrallen-Extraktes, dem anderen ein Scheinmedikament. Bereits nach zwei Wochen konnte die Extrakt-Gruppe beispielsweise Druck auf die schmerzhafte Stelle viel gelassener aushalten als die Placebo-Patienten. Denn die Pflanze normalisiert die erhöhte Empfindlichkeit der schmerzenden Bereiche, indem sie die Muskeldurchblutung drosselt. Außerdem ist bewiesen, dass Teufelskrallen-Auszüge die Produktion bestimmter Botenstoffe hemmen, die zum Beispiel bei Rheuma die Entzündung im Gange halten. Anwendung: Besser per Tablette statt als Tee - weil der wichtigste Extrakt-Bestandteil Harpagosid ein Bitterstoff ist, schmeckt Teufelskrallen-Tee einfach fürchterlich.

MönchspfefferViele Frauen merken an ihrer Brust, dass sie bald ihre Tage bekommen: Sie spannt, und das kann ganz schön schmerzhaft sein. Hinzu kommen beim prämenstruellen Syndrom (PMS) z. B. Kopfweh, Stimmungs- schwankungen oder Reizbarkeit. Wer jetzt nicht zwei Tage mit wohltuender Wärmflasche im Bett verbringen oder sich Schmerzmittel und Antidepressiva gleichzeitig verschreiben lassen will, sollte es mit Mönchspfeffer (Vitex Agnus Castus oder Keuschlamm) probieren: Die scharf schmeckenden Früchte des Mönchspfeffer-Strauches, der im Mittelmeerraum wächst, kommen traditionell bei PMS zum Einsatz. Aber erst seit rund zehn Jahren ist bewiesen, dass der Extrakt tatsächlich den Hormonspiegel beeinflussen kann. Zuletzt zeigte eine Untersuchung, die dieses Jahr im renommierten ?British Medical Journal? erschien, gute Ergebnisse. Krankenkassen übernehmen die Kosten für Mönchspfeffer-Tropfen, -Tabletten oder -Kapseln, die Präparate sind aber auch ohne Verschreibung zu haben. Sie wirken allerdings nicht sofort, sondern erst nach zwei bis drei Monaten. Anwendung: laut Packungsbeilage.

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SchlafmohnWenn Schmerzen unerträglich werden, etwa bei Krebs oder Osteoporose, verordnen Ärzte Morphin und seine chemisch abgewandelten Verwandten - stärkere Mittel als die so genannten Opiate gibt es bis heute nicht. Morphin ist Hauptbestandteil des Opiums, des getrockneten Milchsafts der Schlafmohn-Pflanze (Papaver somniferum), der aus den unreifen Früchten gewonnen wird. Opiate haben Nebenwirkungen, Patienten klagen z. B. über Übelkeit und Verstopfung. Weil Morphin bei falschem Gebrauch schnell abhängig macht, unterliegt es dem Betäubungsmittelgesetz; über jede Verordnung muss exakt Buch geführt werden, und sie darf bestimmte Mengen keinesfalls überschreiten.

Hanf (Cannabis)Seit ein paar Jahren gibt es in den Niederlanden eine ganz neue Art von Touristen: Chronische Schmerzpatienten reisen an, um sich mit Hanf (Cannabis sativa) zu versorgen. "Sie tun das auf Anraten ihres Arztes", sagt Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident des Schmerztherapeutischen Kolloquiums in Göppingen. Denn Cannabis hilft gegen Schmerzen, ist aber hierzulande verboten. Die Pflanze kann vor allem dann Linderung bringen, wenn die Opiate (siehe links) allein nicht ausreichen oder die Patienten sehr mit deren Nebenwirkung Übelkeit zu kämpfen haben. Das gilt auch für die legalen Arzneimittel mit dem künstlich hergestellten Hauptwirkstoff von Hanf (THC oder Dronabinol). Sie können aus den USA importiert werden, und auch individuell herzustellende Rezepturen mit Dronabinol lassen sich verschreiben, sind aber noch nicht optimal. "Dringend gebraucht werden langwirksame Tabletten mit unterschiedlichen Dosierungen, deren Gehalt genau geprüft ist", sagt Dr. Müller-Schwefe - und ist optimistisch, dass es die in rund zehn Jahren gibt: "Wir werden eine Revolution in der Schmerztherapie erleben. Und dabei wird Cannabis eine sehr große Rolle spielen."

Phytotherapie

Was wirklich hilftBei Ihrer Freundin hat's funktioniert, Ihnen dagegen brachte das pflanzliche Mittel überhaupt nichts? Das kann verschiedene Gründe haben. Vielleicht haben Sie ein anderes Präparat gewählt: Jede Firma hat ihr eigenes Verfahren, Wirkstoffe aus der Pflanze zu lösen - mit Wasser oder mit Alkohol, bei 30 oder bei 90 Grad. Deswegen schwankt die Zusammensetzung der Extrakte. Hinzu kommt, dass in manchen Mitteln einfach zu wenig des fertigen Auszugs steckt, um richtig wirken zu können. Lassen Sie sich deswegen vom Apotheker beraten, und verzichten Sie besser auf Schnäppchen aus dem Supermarkt. Auch lose, getrocknete Pflanzenteile aus der Apotheke sind gut: Das Deutsche Arzneibuch garantiert eine festgelegte Menge des wichtigsten Wirkstoffes. Außerdem werden viele Heilpflanzen seit Jahrhunderten eingesetzt, ohne dass klar ist, wie viel Milligramm welches Inhaltsstoffes mindestens nötig sind, um die gewünschte Wirkung hervorzurufen. Bei anderen Pflanzen dagegen ist das nach wissenschaftlichen Methoden überprüft worden. Experten unterscheiden deswegen die 'rationale' (wissenschaftlich gesicherte) von der 'traditionellen' Phytotherapie. Sie zu verwechseln, kann bei ernsten Beschwerden problematisch werden, warnt Prof. Theo Dingermann von der Universität Frankfurt: "Wer auf ein ungeprüftes Präparat setzt, dem entgeht möglicherweise eine wirksame Therapie." Zum Glück erkennen Sie solche Mittel mit einem kurzen Blick auf die Packung: Im Anwendungshinweis steht dann 'traditionell angewendet bei...'.

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