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Starker Brief: "Bitte liebe mich, trotz meiner Depression"

Starker Brief: "Bitte liebe mich, trotz meiner Depression"
© Piotr Marcinski / Shutterstock
"Das bin nicht ich, das ist das Monster": In einem mutigen Brief an ihren Mann, beschreibt die Britin Becci Nicholls ihre Depression - und bittet um Liebe und Verständnis.

Ein starker Brief, der unter die Haut geht

Niemand, der nicht selbst unter Depressionen leidet, hat eine Vorstellung davon, wie sehr die Krankheit jeden Aspekt des täglichen Lebens beeinflusst. Die Britin Becci Nicholls ist Mutter von zwei Kindern - und muss täglich dagegen ankämpfen, nicht von der Dunkelheit in ihrer Seele überwältigt zu werden. Natürlich weiß sie, wie sehr auch ihre Familie unter ihrer Krankheit zu leiden hat. Daher schrieb sie auf ihrem Blog einen offenen Brief an ihren Mann - eine schonungslos ehrliche Abrechnung damit, wie hart ihr Leben mit den Depressionen ist. Und gleichzeitig ein Liebesbrief, mit dem sie sich für die bedingungslose Unterstützung und Akzeptanz ihres Mannes bedankt:

"Ich vergesse manchmal, dass du mich liebst"

Mein lieber Mann,

Ich liebe dich sehr, mehr als alles andere auf der Welt, ich glaube, das weißt du auch. Ich weiß, dass du mich auch liebst, ich vergesse das nur manchmal. Die Depression benebelt meinen Verstand, sie erfüllt mich mit schrecklichen Gedanken darüber, wie wertlos und nicht liebenswert ich bin. Manchmal glaube ich dir, manchmal der Depression.

Ich weiß, du bevorzugst die guten Tage, wenn ich glücklich bin und nicht nervös und kurz angebunden. Und ich wünschte, ich könnte immer diese Tage haben, aber das kann ich nicht. Ich fühle, wie sich die dunkle Wolke nähert, und es lähmt mich. Manchmal sage ich dir das, manchmal nicht. Bitte: Wenn du die Wolke bemerkst, bevor ich es dir sage, drücke mich einfach an dich und sage mir, dass wir sie gemeinsam bekämpfen werden. Bitte frage mich nicht, ob ich okay bin. Meine automatische Antwort wird "Ja" sein, obwohl sie in Wirklichkeit ein riesengroßes NEIN ist. Die Depression sorgt auch für große Scham, weißt du?

"Liebe mich einfach, trotz des Tiefs!"

"Sag mir einfach, dass du mich liebst und gib mir Zeit, mich zu beruhigen."

Ich weiß, manchmal reagiere ich bei den kleinsten Sachen total über und werde sauer, aber bitte sei geduldig mit mir. Der Grund ist nicht, dass ich das Brot vergessen habe, sondern dass ich das Gefühl habe, die Kontrolle über meinen Verstand zu verlieren. Weißt du, die Depression ist sehr raffiniert: Sie baut Stück für Stück eine Wand aus Wut auf, die du nicht bemerkst - bis sie zu groß geworden ist, und langsam umkippt. Es tut mir leid, dass du das Meiste von meinem Ärger abkriegst, an meinen bewölkten Tagen. Bitte vergib mir. Bitte. Sag mir einfach, dass du mich liebst und gib mir Zeit, mich zu beruhigen.

Ich weiß, dass es schwierig ist, jemandem mit Depressionen zu helfen, wenn man sie selbst nie erleiden musste. Ich verstehe das, total. Liebe mich einfach trotz des Tiefs, hör mir zu, frage mich nach den bewölkten Tagen. Ich kann es selbst nicht ansprechen. Die Depression vernebelt den Verstand. Ich brauche dich, um das Schweigen brechen zu können.

Es wird viele Tage geben, an denen ich denke, dass du ohne mich viel besser dran wärest, dass meine Kinder eine bessere Mami verdient haben. Manchmal sage ich dir das. Meistens nicht. Manchmal können Monate vergehen, ohne dass mir so ein Gedanke in den Kopf kommt, und manchmal denke ich jede Sekunde daran, jeden Tag, wochenlang. Das ist die unheimliche Wahrheit. Es ist der erste Gedanke, der mir oft im Kopf herumspukt. Die Depression ist ein abscheuliches, widerliches Monster. Bitte behalte mich im Blick, aber sei dir auch dessen bewusst, dass egal, wie oft du mir sagst, dass ich es wert bin, ich dir das an bewölkten Tagen nicht glauben werde. Aber bitte höre nie auf es mir zu sagen. Niemals.

"So schwer, an bewölkten Tagen eine Mama zu sein ... "

Ich liebe unsere Kinder mehr als alles andere, aber manchmal fühle ich mich wie eine Versagerin. Ich fühle mich wie eine schlechte Mama. Mein Gehirn meckert an mir herum und sagt mir, dass andere Mamis alles besser machen als ich, und liebevoller sind. Ich fühle mich, als ob ich nicht gut genug bin. Bitte sag mir, dass ich sie genug liebe. Es ist so schwer für mich, an bewölkten Tagen eine Mama zu sein, aber ich versuche alles, damit sie die dunklen Wolken nicht bemerken. Ich hoffe, du weißt, dass ich es versuche.

Ich habe mir seit Februar 2010 keine Selbstverletzungen zugefügt, aber der Wunsch danach macht mich oft völlig fertig. Wenn die dunkle Wolke da ist, überwältigt er meinen Verstand. Ich kämpfe so hart dagegen an, ich kämpfe für mich, meine Kinder und für dich. Ich weiß, es ist schwer zu verstehen, warum ich diesen Wunsch zur Selbstverletzung habe. Ich kann es selbst nicht erklären, wenn ich ehrlich bin. Es ist wie eine alte Sucht, die zurückkehrt um mich zu verletzen, sobald sie die dunkle Wolke wittert. Ich hoffe, dass sie mir eines Tages einfach komplett aus dem Sinn verschwunden sein wird.

Ich weiß, ich bin ein Albtraum für dich, wenn ich deine Umarmungen abwehre, weil ich aufgewühlt bin, oder von der Dunkelheit überwältigt. Aber drücke mich trotzdem, ich brauche das. Ich tue so, als ob ich stark bin, aber du weißt, dass das nicht stimmt. Umarme mich wieder.

"Die dunkle Wolke nimmt mir die Sicht"

"Die Depression macht mich müde bis zur Erschöpfung."

Ich weiß, ich rede nicht oft über die dunklen Wolken, aber ich will es. Ich hasse das Schweigen, das die Wolken mir aufzwingen. Offen über das Monster zu reden, schenkt mir eine gewisse Freiheit. Hilf mir, diese Freiheit zu finden.

Ich weiß, manchmal sage ich dir, dass ich nicht aus dem Haus will. Ich weiß, dass du das nicht verstehen kannst, aber danke, dass du trotzdem verständnisvoll bist. Die dunkle Wolke nimmt mir die Sicht. Sie macht einfache Dinge bedrohlich. Sie läd ihren Freund Mr. Ängstlichkeit ein und sorgt dafür, dass der Alltag nur noch aus Sorgen besteht. Sie macht, dass mein Herz wild klopft und mein Hals ganz trocken ist. Sie macht mich wahnsinnig. Dann ist es, als ob ein unsichtbares Abwehrfeld auf der Haustür ist. Bitte, sei versichert, dass ich daran arbeite. Ich arbeite wirklich daran.

Die Depression macht mich müde bis zur Erschöpfung. Manchmal bin ich so geschafft, dass ich nur noch heulen möchte. Jeder Knochen tut weh. Das klingt verrückt, ich weiß, aber das ist wirklich so. An diesen erschöpften Tagen, bitte sei versichert, dass das Monster ist, und nicht einfach nur ein bisschen Müdigkeit bei mir.

"Bitte drücke meine Hand ... "

"... umarme mich einfach und sag mir, dass alles okay sein wird."

Ich weine häufig, meistens für mich allein. Ich mag es nicht, wenn Menschen mich in so einem verletzlichen Zustand sehen. Wenn ich so aussehe, als hätte ich gerade geweint, umarme mich einfach und sag mir, dass alles okay sein wird. Frage mich nicht nach dem Grund, die Depression ist der Grund.

Manchmal nehmen die Wolken alles Gute weg. Manchmal will ich mir nicht die Haare waschen. Seltsam, das weiß ich, aber alle, die mit mir leiden verstehen diese Antriebslosigkeit, die uns überwältigt. Sag mir, dass ich mir die Haare waschen soll!

Manchmal liege ich nachts wach und mache mir Sorgen über Dinge, die niemals passieren werden. Drücke meine Hand, wenn du auch wach bist.

"Du bist der Beste!"

Manchmal brauche ich jedes kleine Stück Motivation, umd nur morgens aus dem Bett zu kommen, aber das sage ich dir nie. Einer neuer Tag macht mir oft Angst. Ich frage mich: Werde ich klarkommen? Wird der Himmel blau oder schwarz sein? Ist das Wetter gut? Das Wetter steuert meine Stimmung enorm, und ich weiß nicht, warum! Jeder einzelen Morgen ist hart, aber dich zu sehen macht es einfacher.

Ich möchte dir öffentlich dafür danken, dass du mich liebst und unterstützt. Du bist der Beste.

Für immer dein x

Da! Ich hab's geschrieben. Ich hoffe, dass es jemanden da draußen hilft, für mich war es hilfreich. Es liegt Freiheit in der Wahrheit.

Hilfe für alle, die unter Depressionen leiden

Eindringliche, schonungslos ehrliche Worte, mit denen Becci hofft, auch anderen Betroffenen Mut zu machen und helfen zu können. "Ihr könnt den Brief mit eurem eigenen Partnern, Geschwistern, Müttern, Kindern oder Kollegen teilen", so schreibt sie auf ihrem Blog. "Ich möchte, dass er anderen Leuten hilft. Jedes Leben ist lebenswert, sogar an den Tagen, wenn du dir wünschst, endlich deinen letzten Atemzug zu tun. Es gibt Hoffnung, es gibt immer, immer Hoffnung."

Hilfe für Betroffene gibt es überall - hier gibt es eine Übersicht über kostenlose Hotlines und Hilfsangebote in ganz Deutschland.

heh

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