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Muss ich Antibiotika nehmen?

Februar, schon wieder krank. Wann jetzt Antibiotika nötig sind, wann sanfte Mittel genügen. Die zehn wichtigsten Fragen.

1. In welchen Fällen geht es nicht ohne?

Fast zwei Drittel aller Antibiotika verschreiben Ärzte gegen Infektionen der Atemwege. Bei einer Lungenentzündung oder ähnlich schweren bakteriellen Erkrankungen gibt es auch keine Alternative. Anders sieht es oft bei harmloseren Infekten aus. Beispiel Ohrenweh: Neun von zehn Kindern mit einer akuten Mittelohrentzündung bekommen Antibiotika - in den Niederlanden nur knapp jeder dritte kleine Patient.

Eine aktuelle Analyse vorhandener Studien gibt der zurückhaltenderen Verordnungspraxis unserer Nachbarn Recht: Die meisten Kinder mit Mittelohrentzündung wurden durch Antibiotika kaum schneller gesund. Ebenfalls oft fehl am Platz sind antibakterielle Wirkstoffe bei der akuten Bronchitis, einem ihrer Haupteinsatzgebiete. Der Grund: Nur an etwa zehn bis 20 Prozent der Hustenattacken sind Bakterien schuld, typischer Hinweis darauf ist gelblich-eitriger Auswurf. In allen anderen Fällen liegt es in der Regel an Viren. Und gegen die können Antibiotika nichts ausrichten.

Alternativen

2. Was kann man statt Antibiotika nehmen?

Alternativen für die Behandlung einer akuten Bronchitis oder banaler Atemwegsinfektionen können pflanzliche Mittel sein. Cineol aus Eukalyptusblättern zum Beispiel und Umckaloabo, der Wurzelextrakt einer südafrikanischen Pflanze. Beide haben antivirale und schleimlösende Eigenschaften. Untersuchungen zeigten: Mit den Naturarzneien klingen Bronchitissymptome schneller wieder ab.

Bei leichten Blasenentzündungen können oft bereits Tees helfen, die harntreibende Pflanzen wie Birkenblätter, Goldrutenkraut, Orthosiphonblätter, Hauhechelwurzel oder Schachtelhalmkraut enthalten und auf diese Weise eine Durchspülung der Blase unterstützen. Präparate aus Bärentraubenblättern gelten sogar als antibakteriell. Sie können aber nur dann wirken, wenn der Urin nicht sauer, sondern alkalisch ist. Deshalb wird geraten, sie zusammen mit einer Messerspitze Natron (Apotheke) einzunehmen.

Wer es immer wieder mit Blasenentzündungen zu tun hat, kann mit täglich 50 Milliliter Preiselbeersaft oder auch mit Akupunktur vorbeugen. Beides reduzierte in neueren Studien die Erkrankungshäufigkeit um etwa die Hälfte.

Andere mögliche Alternativen kommen aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Sie behandelt bakterielle Infekte mit Kräutern. Als Tees und Tabletten werden sie individuell verordnet. Einige dieser Kräuter gelten als "pflanzliche Antibiotika". Das heißt aber nicht, dass ihre Wirksamkeit gegen spezielle Keime im Labor genauestens bewiesen wäre. Vielmehr begreift die chinesische Medizin jede Entzündung als einen Zustand übermäßiger Hitze, die durch die Kräuter ausgeleitet wird. Bei akuten Infekten müssen die Präparate zum Teil stündlich genommen werden.

Ein ungewöhnlicher Antibiotikum-Ersatz kommt bei chronischen Wunden zum Einsatz: die Maden der Schmeißfliege. Ihre Verdauungsenzyme und antimikrobiellen Ausscheidungen säubern die Wunde und räumen mit Bakterien, Pilzen und Viren auf - zu 90 Prozent mit Erfolg. Den lebenden Wundverband gibt es als teebeutelähnliche Auflage. Schon mehr als 100 Kliniken arbeiten inzwischen mit diesen Verfahren.

Ätherische Öle gegen Bakterien

3. Können ätherische Öle gegen Bakterien etwas ausrichten?

Einige französische Mediziner setzen ätherische Öle versuchsweise bei der Behandlung von Wunden und vaginalen Infektionen ein. Dazu züchten sie die jeweiligen Erreger im Labor und ermitteln, welche Öle das Wachstum dieser Keime hemmen können. Mit Erfolg: Viele Erreger lassen sich durch Öle aufhalten.

Allerdings ist bisher kaum untersucht, in welcher Menge die so ausgewählten ätherischen Öle an den Infektionsort gelangen - und ob sie auch im Körper, also am Ort der Infektion, das Wachstum von Bakterien beeinträchtigen. Außerdem ist noch weitgehend offen, wie gut verträglich die Öle sind. So wirkt zum Beispiel Teebaumöl mit seinen leicht desinfizierenden Eigenschaften schleimhautreizend und toxisch, wenn es geschluckt wird. Deshalb sollten Sie ätherische Öle auf keinen Fall innerlich anwenden, wenn sie laut Beipackzettel nicht ausdrücklich dafür zugelassen sind.

Unterschied zu "normalen" Arzneimitteln

4. Was unterscheidet denn ein Antibiotikum von einem anderen, "normalen" Arzneimittel?

Zum einen ist das die Herkunft: Die meisten Antibiotika stammen ursprünglich aus Pilzen. Diese haben die Substanzen entwickelt, um sich gegen die unersättlichen Konkurrenten aus dem Bakterienreich zur Wehr zu setzen. Zum anderen ist es die Wirkweise: Antibiotika greifen direkt in den Stoffwechsel von Bakterien ein.

Im Unterschied zu Schmerztabletten oder Schnupfenspray darf man sie darum nicht nur so lange nehmen, wie der Kopf dröhnt oder die Nase zu ist. Denn um einen bakteriellen Infekt ganz und gar loszuwerden, muss auch das letzte Bakterium zugrunde gegangen sein. Wieder gesund fühlt man sich aber oft schon, wenn lediglich ein großer Teil der Krankmacher beseitigt ist. Bricht man dann die Behandlung ab, können sich übrig gebliebene Keime erneut vermehren.

Resistente Erreger erkennen

5. Wie kann ich erkennen, ob der Verursacher meiner Krankheit gegen mein Medikament resistent geworden ist?

Immer mehr Erreger reagieren nicht mehr auf bestimmte Antibiotika. Sobald Antibiotika den Infektionsort in ausreichend hoher Konzentration erreichen, stoppen sie dort die Vermehrung der Bakterien oder töten die Erreger ab. Innerhalb von ein bis zwei Tagen bessern sich dann meist die Krankheitssymptome. Wenn nicht, könnte der Erreger gegen das eingesetzte Mittel resistent sein. Fragen Sie Ihren Arzt, wann Sie die Wirkung erwarten können.

Selbsthilfe bei resistenten Erregern

6. Kann ich gegen die wachsende Zahl resistenter Erreger selbst etwas tun?

Ja. Sie sollten so selten wie möglich Antibiotika nehmen. Denn je häufiger und je länger eine Bakterienart mit einem antibakteriellen Wirkstoff in Berührung kommt, umso eher gelingt es einem der Winzlinge irgendwann, die Wunderwaffe auszutricksen: Der Stoffwechsel des Erregers stellt sich auf das Antibiotikum ein, die Bakterie lernt in Gegenwart des Wirkstoffs zu leben.

Länder mit zurückhaltender Anwendung wie Skandinavien oder die Niederlande haben darum die niedrigsten Resistenzraten. Die höchsten in Europa finden sich dagegen in Ländern, in denen die meisten Bakterienkiller geschluckt werden, wie Frankreich, Spanien oder Ungarn. Dort sind 40 bis 50 Prozent eines häufigen Erregers der Lungenentzündung gegen weit verbreitete Substanzen wie Penicillin resistent.

Im Einzelfall kann es dann vorkommen, dass der Arzt gegen eine gefährliche Erkrankung nichts ausrichten kann, weil die Präparate nicht mehr wirken. "Im Vergleich zu solchen Ländern sieht es bei uns noch relativ gut aus - obwohl auch in Deutschland Resistenzraten besorgniserregend zunehmen", sagt Bernd Wiedemann, Professor für medizinische Mikrobiologie an der Universität Bonn.

Aber nicht nur der unkontrollierte Umgang, sondern auch zu niedrige Dosierungen fördern die Resistenzbildung. Deshalb ist es wichtig, Antibiotika in den vorgeschriebenen zeitlichen Abständen und über die gesamte Therapiedauer einzunehmen (siehe Frage 4).

Antibiotika-Rückstände im Essen

7. Mit Schnitzeln, Steaks und Hühnerbrust nehmen wir Antibiotika-Rückstände zu uns. Reichen die aus, um einen Erreger in unserem Körper resistent gegen diese Mittel werden zu lassen?

"Nein", sagt Dr. Undine Büttner-Peter vom zuständigen Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. "Selbst erhöhte Rückstände, die in weniger als einem Prozent der Kontrolluntersuchungen festgestellt wurden, können keine Resistenzen hervorrufen." Denn sie machen nur Bruchteile einer mikrobiologisch wirksamen Dosis aus. Wirkstoffe, die wir mit der Nahrung zu uns nehmen, sind dann zwar im Körper vorhanden, aber in so niedriger Konzentration, dass sie den Erreger nicht beeinflussen können.

Dennoch ist der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung problematisch. Denn durch ihn kommen gängige Bakterien praktisch ununterbrochen in Kontakt mit wichtigen Wirkstoffen. Die Folge: Unter Salmonellen genauso wie unter harmlosen Mikroben aus dem Stall trifft man immer öfter auf Stämme, die gleich gegen mehrere der üblichen Antibiotika resistent sind. Gefährlich wird das, wenn diese Erreger über verunreinigte Fleischprodukte in unseren Körper gelangen.

Was beachten bei der Einnahme

8. Und wenn ich doch ein Antibiotikum brauche: Was muss ich während der Einnahme beachten?

Antibiotika sollten Sie immer mit viel Flüssigkeit zu sich nehmen, aber nicht mit milch- oder alkoholhaltigen Getränken. Milch kann die Wirkung mancher antibakterieller Mittel stark herabsetzen. Deshalb nach der Einnahme des Medikaments zwei Stunden vergehen lassen, bevor Sie zum Beispiel Joghurt essen.

Auf Alkohol sollten Sie während der gesamten Therapie verzichten. Denn manche Mittel (vor allem die Cephalosporine) sorgen dafür, dass er nur sehr schlecht abgebaut wird. Außerdem können viele Antibiotika die Wirksamkeit der Pille vermindern. Wer hormonell verhütet, braucht deshalb von Beginn der Behandlung bis zum Ende des Zyklus zusätzlichen Schutz, zum Beispiel mit Kondomen.

Nebenwirkungen

9. Welche Nebenwirkungen sind typisch für Antibiotika?

Häufig sind es vaginale Pilzinfektionen und Durchfallerkrankungen. Der Grund: In unserem Darm leben Milliarden von Bakterien, die beim Verdauen und bei der Abwehr von Erregern helfen. Und in der Scheide sorgen Bakterien für das übliche saure Milieu. Weil Antibiotika nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden, beseitigen sie auch diese nützlichen Mikroben. An einigen Körperstellen haben Pilze dann leichteres Spiel, und im Darm löst das zwischen den Mikroben aus den Fugen geratene Gleichgewicht bei fast jedem fünften Patienten Durchfälle aus.

Daneben gehören besonders bei Penicillinen allergische Reaktionen - zum Beispiel als großflächige Hautausschläge - zu den häufigen unerwünschten Reaktionen.

Hilfe gegen unerwünschte Wirkungen

10. Was hilft gegen die unerwünschten Wirkungen?

Wer in der Vergangenheit Darmprobleme hatte, kann zu lebenden Mikroben greifen. Präparate mit bestimmten Bakterien der Art Lactobacillus beugten in Studien Durchfallbeschwerden vor, wenn sie gemeinsam mit Antibiotika geschluckt wurden. Dasselbe schaffte die Hefe Saccharomyces boulardii.

Bleiben nach Ende einer Antibiotika-Therapie Magen-Darm-Beschwerden bestehen, können solche Präparate auch helfen, das Gleichgewicht zwischen den Darmmikroben wieder ins Lot zu bringen und die Körperabwehr anzuregen. Und lästiges Scheidenjucken wird man durch Vaginalzäpfchen oder -kapseln mit lebenden Milchsäurebakterien schneller wieder los.

Text: Dr.Michael Rudert

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