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Leben mit Endometriose Sängerin LINDA spricht offen über ihre Erkrankung

Sängerin LINDA
Sängerin LINDA
© Daniela Willms
LINDA hat schon im Kindesalter entdeckt, dass Musik ihre Leidenschaft ist. Inzwischen ist sie als Sängerin durchgestartet. Ihr ständiger Begleiter – Endometriose. Im Interview mit BRIGITTE.de spricht sie erstmalig über ihre Erkrankung.

Im Alter von sechs Jahren hat LINDA ihre musikalische Ader entdeckt. Ihre Leidenschaft hat Linda Seidensticker, 29, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, schließlich zum Beruf gemacht. Erste Bühnenerfahrungen machte sie mit ihrem ebenfalls prominenten Onkel Sasha, 49. Am 10. September 2021 wird ihr erstes Album "Echo" veröffentlicht.

Seit ihrer Jugend leidet LINDA unter Endometriose. Und damit ist sie nicht allein: Rund 40.000 Frauen oder trans Personen in Deutschland erkranken jährlich an Endometriose. Bei der chronischen Erkrankung siedelt sich Gebärmutterschleimhaut, die eigentlich mit der Periode abgetragen wird, außerhalb der Gebärmutter (z.B. auf den Eierstöcken) an. Diese sogenannten Endometriose-Herde können Entzündungen und Zysten hervorrufen.

Neben häufigen Beschwerden wie starken Schmerzen und Erschöpfung kann Endometriose auch die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Im Interview spricht LINDA über ihre Erfahrungen mit der Erkrankung und darüber, weshalb Endometriose noch immer ein Tabu-Thema ist. 

LINDA über Endometriose: "Ich leide unter starken Schmerzen, die teilweise bis zu Schwindel und Übelkeit führen"

BRIGITTE.de: Wie würdest du Endometriose anderen Menschen erklären?
LINDA: Ich beschreibe es immer so: Es ist, als würde man ein kleines Messer nehmen und ganz oft in die gleiche Stelle piksen. Irgendwann tut es so sehr weh, dass einem tatsächlich schwarz vor Augen wird. 

Leben mit Endometriose: Zeichnung von Endometriose
Endometriose-Herde können wachsen und auch außerhalb der Regel bluten. Mögliche Symptome sind starke Regelschmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung, Schmerzen beim Wasserlassen, Stuhlgang oder Sex.
© Ok Sotnikova / Shutterstock

Wie hat sich die Erkrankung bei dir bemerkbar gemacht?
Es war ein Zufallsbefund. Ich habe seit dem Einsetzen meiner Periode fürchterliche Schmerzen erlitten. Über die Jahre wurden die Regelschmerzen immer schlimmer. Aber erst, als ich vor zwei Jahren wegen einer anderen Sache operiert wurde, wurde die Endometriose entdeckt und die Herde wurden bei einer Bauchspiegelung entfernt. Der Professor, der die OP durchgeführt hat, konnte mir endlich viele meiner offenen Fragen beantworten.

Heute bin ich heilfroh zu wissen, was mit mir los ist.

Bei vielen Frauen mit Endometriose bleibt der Kinderwunsch unerfüllt

Wie hast du dich mit der Diagnose gefühlt?
Zuerst war ich traurig, weil der Kinderwunsch bei mir sehr stark ausgeprägt ist – ich möchte unbedingt Kinder haben. Die Erkrankung macht das nicht leichter. Ich sehe sie zwar nicht als unüberwindbare Hürde, aber sie nimmt mir die Leichtigkeit.

Ich war froh, dem Feind einen Namen geben zu können.

Macht dir die mögliche Unfruchtbarkeit Angst?
Große Angst sogar. Mein Arzt sagte, dass es dafür eigentlich keinen Grund gäbe, weil es gut entfernt werden konnte. 

Wie ist dein Krankheitsverlauf, welche Symptome hast du?
Ich leide unter starken Schmerzen, die teilweise bis zu Schwindel und Übelkeit führen. Mit Schmerzmitteln kann ich sie allerdings ganz gut in Schach halten. Wenn ich weiß, dass es bald wieder so weit sein müsste, fange ich schon vorzeitig an, Ibuprofen zu nehmen. Seit der OP reicht das.

Die Bauchspiegelung hat dir also geholfen.
Ja, das war die beste Entscheidung. Nach der Operation im Dezember 2019 hat es ungefähr ein halbes Jahr gedauert, bis sich die Symptome deutlich verbessert haben. Der Körper musste sich erst umstellen.

Das Stigma der Endometriose

Obwohl Endometriose eine der häufigsten gynäkologischen Krankheiten ist, fehlt das Bewusstsein dafür. Welchen Vorurteilen bist du begegnet?
Der Spruch 'Stell dich nicht so an' macht mich wahnsinnig wütend. Ich bin äußerst schmerzresistent, aber wenn es mir schlecht geht, muss das niemand infrage stellen. Es sind vor allem Männer, die es überhaupt nicht nachvollziehen können, solche Dinge sagen und mich als hysterisch abstempeln.

Ich wünschte, ich könnte für einen Tag mit einem Mann tauschen, damit er spüren kann, wie sich das anfühlt.

Wie gehst du damit um, wenn du auf Unverständnis triffst?
Inzwischen bin ich sehr selbstbewusst und erkläre, was Endometriose ist. Die Details wollen sie meist nicht hören, das finden sie eklig und unangenehm.

Wie könnte ein größeres Bewusstsein für die Krankheit geschaffen werden?
Es fängt mit der Enttabuisierung des weiblichen Zyklus' an: Dass es nicht als etwas Ekliges betrachtet wird, sondern als wichtiger Schritt, damit neues Leben geschaffen werden kann. Unser Körper ist ein Wunder! Dazu gehören auch diese paar Tage im Monat, die vielleicht optisch nicht so schön sind. Sobald darüber offener und ohne Vorurteile gesprochen wird, kann das auch das Bewusstsein für die Erkrankungen schärfen, die daran geknüpft sind. Volkskrankheiten wie Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Infekte sind auch unangenehm, aber gesellschaftlich akzeptiert, weil sie jeden treffen können. Doch so ist es auch mit Endometriose: Wir suchen uns das nicht aus!

LINDA wurde von vielen Ärzt:innen nicht ernstgenommen

Früher wurdest du mit Hormonen behandelt. Wie hast du darauf reagiert?
Mir wurden verschiedene Präparate verschrieben, doch nichts davon hat geholfen, im Gegenteil: Die Medikamente schlugen mir auf die Psyche. Dabei bin ich ein absolutes Stehauf-Männchen, habe immer gute Laune. Aber ich wurde immer trauriger und wusste nicht, warum. Ich habe es anfangs nicht verstanden, habe auch nicht darüber gesprochen. Bis ich im Ausschlussverfahren herausfinden wollte, was meinen Körper derart belastet. Es waren eindeutig die Hormone, denn zwei Wochen nachdem ich sie abgesetzt hatte, ging es mir viel besser. Ich war erleichtert, weil ich mich wieder wie ich selbst gefühlt habe.

Welche Erfahrungen hast du mit den Ärzt:innen gemacht?
Ich war bei sechs verschiedenen Ärzt:innen, die mich belächelt oder vertröstet haben. Teilweise habe ich wirklich unmögliche Antworten bekommen: 'Damit musst du jetzt leben, irgendwann im Alter wird es schon besser', oder dass ich nur zu empfindlich sei – das hat mich wirklich traurig gemacht. Aber damit wollte ich mich nicht zufriedengeben. Ich kenne meinen Körper am besten und wusste, dass etwas nicht stimmt. Eine tolle Gynäkologin in München hat mich schließlich ernstgenommen und die OP angesetzt.

Unglaublich, dass du die Ärzt:innen von deinem Leid überzeugen musstest.
Ich finde es ganz schlimm, wenn Ärzt:innen ihre Patient:innen hinterfragen. Denn es ist eine subjektive Erfahrung. Ich bin danach auch in die Konfrontation gegangen. Viele trauen sich nicht, Mediziner:innen zu widersprechen, doch es sind auch nur Menschen, die Fehler machen können. Deswegen sollte man auf sein Bauchgefühl hören. Ich habe jetzt ein wunderbares Ärzte-Team – auch wenn der Weg dahin beschwerlich war und ich in sehr vielen Wartezimmern saß.

"Ich setze mich bewusster mit meinem Körper auseinander"

Endometriose ist eine chronische Erkrankung, die unberechenbar ist. Auch nach einer Bauchspiegelung können Herde wieder auftreten. Bereitet dir das Sorgen?
Meine Herde beschränken sich bisher auf den Douglas-Raum, also rund um die Gebärmutter. Es gibt aber auch Fälle, bei denen andere Organe betroffen sind. Die Herde könnten sich verteilen und an Stellen festsetzen, an denen sie schwieriger zu entfernen sind. Das ist meine größte Angst. Deswegen bin ich akribisch hinterher, die Erkrankung im Auge zu behalten. Wenn ich ein komisches Gefühl hätte, würde ich sofort noch eine Laparoskopie, also eine Bauchspiegelung, in Betracht ziehen, um den Schaden frühzeitig zu begrenzen.

Wie hat sich dein Leben seit der Diagnose verändert?
Ich setzte mich viel bewusster mit meinem Körper auseinander. Ich glaube, dass die richtige Ernährung wichtig ist und ein fitter Körper besser mit jeder Krankheit umgehen kann. Ich ernähre mich gesund, versuche möglichst auf rotes Fleisch zu verzichten, bin viel an der frischen Luft.

Ich sorge dafür, dass mein Körper so viel Kraft wie möglich hat. Dann kann er auch viel meistern.

Was würdest du Frauen oder trans Personen mit Endometriose raten?
Offen damit umzugehen. Ich würde ihnen auch raten, Menschen aus ihrem Bekanntenkreis einzuweihen und mit auf die Reise zu nehmen. Ich glaube, dass viele unpassende Kommentare daher rühren, dass die Personen nicht wissen, was da eigentlich passiert. Wenn man es ihnen erklärt, gehen sie meist ganz anders damit um. Das macht einem selbst das Leben leichter. Für mich ist es, ganz gleich in welcher Beziehung, wichtig, dass gesprochen wird. Vor allem, wenn es darum geht, Probleme zu lösen – auch beim Thema Endometriose.

Verwendete Quellen: eigenes Interview, netdoktor.de

Brigitte

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