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Krank ohne Attest - auch bald bei uns möglich?

Krank ohne Attest - auch bald bei uns möglich?
© Smitt/iStock/Thinkstock
Die Bitte um Krankschreibung führt zu einem Patientenstau in den Arztpraxen. Deswegen sollten wir uns länger ohne Attest krankmelden dürfen, fordern Mediziner.

Kaum ein Europäer geht so oft zum Arzt wie wir: Bis zu 18 Mal im Jahr nimmt der Durchschnittsdeutsche im Wartezimmer Platz. Einer der häufigsten Gründe für den kurzfristigen Besuch beim Hausarzt ist die Bitte um Krankschreibung. Zu diesem Ergebnis kommen Mediziner der Uni Magdeburg nach drei Jahren Recherche. Ihr Lösungsvorschlag: "Wir sollten in Deutschland darüber nachdenken, die Regeln für Krankschreibungen zu lockern", sagte Wolfram Herrmann, Leiter des Forscherteams, gegenüber der "Welt".

Seiner Meinung nach wäre ein Ziel, dass sich Angestellte für bis zu eine Woche selbst krankmelden können. Das hätte gleich zwei Vorteile: Die Hausärzte würden entlastet und die Arbeitnehmer in ihrer Eigenverantwortung gestärkt. Dass das die Fehltage nicht nach oben treibt, zeigt das Beispiel Norwegen. Dort gehen die Menschen nur halb so oft zum Arzt wie hier. Während in Deutschland kurzfristige Krankschreibungen bei kleinen, akuten Erkrankungen dominieren, liegt der Fokus in Norwegen auf den länger krankgeschriebenen Patienten.

Die Regeln für die Krankschreibung von Beschäftigten sind bei unseren Nachbarn im Norden weniger strikt als bei uns: Müssen wir nach spätestens drei Tagen Arbeitsausfall ein Attest vorlegen, dürfen sich Norweger drei Tage am Stück ohne ärztliche Bescheinigung krankmelden. Die meisten Unternehmen erlauben dies sogar bei Ausfällen von bis zu acht Tagen in Folge und höchstens 24 Tagen im Jahr. Die Zahl der Fehltage sei dennoch seit Jahren rückläufig, so die Magdeburger.

Die Bundesregierung will trotzdem an der Regelung für Krankschreibungen festhalten. Einem Sprecher des Arbeitsministeriums zufolge halte man sie "so, wie sie ist, für angezeigt, sinnvoll und nützlich". SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach weist auf die Gefahr hin, dass Erkrankungen nicht frühzeitig behandelt werden. Auch CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Fuchs ist dagegen: "Es muss für Unternehmer die Möglichkeit geben, Krankschreibungen zu überprüfen. Sonst ist ein Missbrauch nicht ausgeschlossen", sagte er gegenüber der "Bild"-Zeitung.

Lediglich der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn zeigte sich aufgeschlossen für eine Reform: "In Deutschland ist die Zahl der durchschnittlichen Arztbesuche auch deswegen so hoch, weil Patienten nur für Rezepte, Verlaufskontrollen oder auch Kurzzeitkrankschreibungen immer zum Arzt müssen", sagte er der "Welt". "Jeden klugen Vorschlag, das zu reduzieren, sollten wir ergebnisoffen prüfen."

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