Anzeige

Kolumne So kommst du nachts zur Ruhe

Frau schläft
© ryanking999 / Adobe Stock
Immer mehr Frauen kommen nachts nicht zur Ruhe, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschen. Unser Verhältnis zum Schlaf ist angespannt – Zeit für eine neue Ausgeruhtheit.

Ich habe ja eigentlich keine Schlafprobleme, sagte ich, als ich gebeten wurde, diesen Text zu schreiben. Vielleicht ein paar, die mit der Menopause zusammenhängen, ab und zu auch mit den Mondphasen, bilde ich mir ein, aber ansonsten: alles in Ordnung. Und merkte im selben Moment, ich ignoriere, dass ich an einigen Tagen in der Woche mindestens dreimal in der Nacht aufwache und nur noch mithilfe von Hörbüchern wieder einschlafen kann.

Das meist relativ schnell, aber es gibt auch Nächte, in denen ich immer wieder den Timer auf weitere 15 Minuten Hörspielzeit setze und doch nur in einen halbwachen Zustand rutsche, in dem sich die Probleme des Hörspiel-Personals – der Sex ist auch nicht mehr das, was er mal war, der Vater des besten Freundes gestorben, der Mann ausgezogen oder nur die eingekochte Marmelade nichts geworden – plötzlich in wirren Halbträumen zu meinen werden oder sich mit meinen eigenen Problemen vermischen. Habe ich eigentlich gestern die Mail meines Steuerberaters beantwortet? Warum hat meine beste Freundin nicht zurückgerufen? Der Hund kratzt sich ständig am Ohr, muss ich morgen nicht doch zum Tierarzt mit ihm? Aber dann müsste ich das Zoom-Meeting mit dem Kunden verschieben. Und schon türmt sich eine Lawine aus Alltäglichkeiten auf, die mich zu überrollen scheint.

Das passiert meist um drei Uhr: der Stunde der Gespenster und des sich immer schneller drehenden Gedankenkarussells. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Evolution dieses schwarze Gefühlstief, an dem der sinkende Serotoninspiegel schuld ist, in die Mitte der Nacht gelegt hat, damit wir es verschlafen. Würde ich ja gerne dank des Melatonins, das nachts anstelle von Serotonin und Cortisol tritt und den Schlaf fördern soll, klappt aber nur bedingt. So bin ich nicht nur um drei wach, sondern auch zwei Stunden nach dem Einschlafen um eins, um fünf und endgültig eine Stunde später.

Der Kampf um den Schlaf

Ich bin in den letzten Jahren eine Etappenschläferin geworden, die morgens um sechs Uhr mit dem Hund im Park steht und schon sehnsüchtig an den Mittagsschlaf denkt, der sich hoffentlich irgendwo in den Tag schieben lässt. Falsch, weiß mein Verstand, denn auch der Mittagsschlaf kann ein nächtliches Durchschlafen verhindern, aber die Sehnsucht nach ihm bleibt. Und so beginnt er, der Teufelskreis im Kampf um den Schlaf, der für immer mehr Menschen zu einem flüchtigen Bettpartner geworden ist.

Forschungen belegen, dass ausreichender Schlaf glücklicher macht, Impfungen wirken besser, man ist weniger gestresst. Außerdem altert man nicht so schnell, da im Schlaf ein Wachstumshormon ausgeschüttet wird, das der Regeneration dient. Zellteilung, Zellneubildung, Fortpflanzung, Muskelaufbau, das Hirn auf Reset setzen – auch hier hilft Schlaf.

Schlafmangel hingegen macht risikobereiter und dick, denn wer weniger schläft, isst mehr. Er schwächt die Konzentration, man wird häufiger krank, was sich wiederum auf das Bruttosozialprodukt auswirkt. Schlaflosigkeit kostet demnach jährlich 27 Milliarden Euro, denn 40 Prozent der Erwachsenen in Deutschland schlafen nach eigenen Aussagen schlecht, darunter mehr Frauen als Männer. 80 Prozent der Berufstätigen zwischen 35 und 65 Jahren geben an, unruhig zu schlafen. Schlafstörungen haben in dieser Gruppe seit 2010 um 66 Prozent zugenommen, auch immer mehr Kinder und Jugendliche sind betroffen. Etwa sechs bis zehn Prozent der deutschen Bevölkerung, also mindestens fünf Millionen Menschen, leiden mittlerweile an einer behandlungsbedürftigen Ein- oder Durchschlafstörung, haben Angststörungen, Depressionen, Süchte, Konflikte mit Freundinnen und Familie oder ziehen sich ganz zurück.

Guter Schlaf kommt und geht

Es gibt Menschen, die mit all dem scheinbar keine Probleme haben und sogar damit protzen, mit maximal vier Stunden Schlaf auszukommen und trotzdem die Welt regieren zu können, siehe Trump oder Thatcher. Das ist tatsächlich möglich, aber es handelt sich um eine Genmutation, die maximal ein Prozent der Bevölkerung hat.

Alle anderen versuchen, den Schlaf anzulocken, auf dass er bitte die ganze Nacht und am besten acht Stunden bleibt. Wir Schlaflosen essen keine Pasta mehr vor dem Zubettgehen, meiden Kaffee am Nachmittag und Alkohol am Abend, netflixen nicht mehr im Bett. Der Fußballstar Erling Haaland von Manchester City trägt drei Stunden vor dem Schlafengehen eine Brille, die Blaulicht abschirmt, und klebt sich den Mund mit einem Pflaster zu, damit er beim Schlafen nur durch die Nase atmet, was ihn angeblich am nächsten Tag fitter sein lässt. Auch Gwyneth Paltrow versiegelt sich nachts die Lippen und verkauft das ihren Followerinnen als einzigartigen Bio-Hack für regenerativen Schlaf. Mir hilft es inzwischen, die miesen Gedanken aufzuschreiben, die mich nachts überfallen. Am Morgen lese ich sie und denke: Was bitte war das denn, warum denke ich über Dinge nach, die ich gar nicht mehr ändern kann, warum türmt sich die Zukunft auf wie ein fresslustiger Eisbär, wenn vieles davon fast lächerlich ist.

Außerdem ist mieser Schlaf etwas, was im Leben immer mal wieder auftauchen und wieder verschwinden kann. Es gibt Lebensphasen, da drängelt sich alles auf einmal. Zwischen 21 und 45 Jahren stehen plötzlich Ausbildung, Karriere- und Familienplanung, Wohnungskauf, kleine Kinder im Mittelpunkt. In dieser Phase habe ich das erste Mal gespürt, dass es kein Gewohnheitsrecht auf guten Schlaf gibt. Ich konnte früher immer und überall schlafen, auf Langstreckenflügen, in Zügen, ich musste mich nur in einen Sitz fallen lassen und sofort fielen mir die Augen zu. Als das Kind kam, wurde ich, die sich selbst für den Chronotyp der Eule hielt, zu einer Zwangslerche und ich zählte anfangs die Tage bis zu seinem Abitur, weil ich dann ja endlich wieder auf Eule umstellen könnte.

Nachts aufwachen: Warum ist das eigentlich so schlimm?

Die nächste Phase ab 46 kam, ich schlief immer noch leichter, obwohl ich mein Ohr nachts nicht mehr Richtung Kinderzimmer ausrichten musste. Und ich blieb eine Lerche, die plötzlich mit maximal sieben Stunden wunderbar auskam, meine innere Uhr hatte sich in all der Zeit daran gewöhnt. Doch nach und nach merkte ich, dass sich Hormonumstellung, Kaffee und Alkohol negativer als früher auf meinen Schlaf auswirkten. Er kam und ging mehrmals jede Nacht, so wie es ihm gerade passte, und ich holte Schlafdefizite nicht mehr so leicht nach.

Dieses permanente Aufwachen ist aber halb so schlimm, sagt die Schlafforschung, wenn es keine medizinischen Ursachen gibt. Es gibt sogar Fachleute, die behaupten, wir Menschen haben sowieso nie durchgeschlafen, waren in früheren Zeiten ständig im Habachtmodus und konnten es uns angesichts der Wölfe und Bären vor der Höhle gar nicht leisten durchzuschlafen. Beweisen kann man das nicht, aber der Gedanke, dass Menschen seit Jahrtausenden scheinbar mehrmals die Nacht aufwachen, beruhigt. Wenn man die Erwartungen an den Schlaf ändert, ihm mehr vertraut und ihn nimmt, wie er kommt, lässt einen allein das wieder besser weiterschlafen.

Ich habe gleichzeitig gelernt, mein Wachsein in der Nacht wieder zu schätzen, weil es einem auch die Augen über einen selbst öffnen kann. Denn die Nacht zeigt uns zwar verletzlich, aber auch wahr und unverstellt: Die wichtigsten und offensten Gespräche meines Lebens habe ich tatsächlich nachts geführt.

Wovon wir träumen

  • Die drei häufigsten Motive: Träume, in denen wir verfolgt werden, Träume mit sexuellem Inhalt und der Traum, aus großer Höhe zu fallen.
  • Der Einfluss des Alters: Verfolgungsträume nehmen nach der Kindheit ab. Erwachsene träumen nachts dafür immer öfter von Situationen, in denen sie wieder und wieder etwas versuchen (und nicht schaffen) oder zu spät kommen, so eine italienische Studie.
  • Der "Zurück in die Kindheit"-Effekt: Von Schule und Lehrer:innen träumen vor allem Teenager, aber verstärkt auch wieder Menschen ab 60.
Brigitte

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel