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Körper akzeptieren Mehr Selbstliebe: Ich bin genug!

Körper akzeptieren: Eine Frau mit braunen Locken umarmt sich selbst vor einem rosa Hintergrund
© Krakenimages.com / Adobe Stock
Einerseits wissen wir es längst: Diäten bringen nichts. Andererseits nehmen viele Frauen zwischen 40 und 50 Jahren um die zehn Kilo zu. Und nun? Die Ernährungsberaterin Dr. Antonie Post über die Suche nach Orientierung und Versöhnung mit dem Körper.

BRIGITTE WOMAN: Frau Dr. Post, Sie haben eine virtuelle Praxis für gewichtsneutrale Ernährungsberatung. Was für Menschen kommen zu Ihnen?

Dr. Antonie Post: Hauptsächlich Frauen, die schon sehr lange Diäten machen, oft seit Jahrzehnten. Und die jetzt an dem Punkt sind, an dem sie merken: Diäten haben mich nicht weitergebracht in meinem Leben, sondern mir ganz viel genommen – an Zeit, Energie, Geld. Selbst unter denen, die ihr Wunschgewicht erreicht haben, stellen viele fest: Glücklicher sind sie trotzdem nicht. Es ist vielmehr ein ewiger Kampf, denn der Körper sorgt ja dafür, dass wir für gewöhnlich das Gewicht auch wieder zunehmen, das wir vorsätzlich verloren haben.

Die Frauen wollen gesund leben, ohne Diät zu machen?

Genau. Und sie möchten Frieden mit ihrem Körper schließen. Aber sie wissen nicht, wie. Oft höre ich: "Ich kann nur Diäten." Oder: "Wenn ich jetzt beim Essen die Kontrolle aufgebe, dann mache ich Dinge, die ungesund sind." Da ist diese große Angst: Wenn ich dick bin, dann werde ich auf jeden Fall krank, oder: Dann bin ich krank.

Aber die Angst ist doch auch berechtigt, oder?

Nein. Man muss nicht schlank sein, um ein gesundes und erfülltes Leben zu leben. Und für viele ist es mit ihrem Körpertyp auch gar nicht möglich, das macht man sich kaum bewusst. Ein permanentes Streben nach einem schlankeren Körper kann im Gegenteil zu einer schlechteren Gesundheit führen, als einfach in dem schweren Körper weiterzuleben und sich dabei gut um sich selbst zu kümmern.

Große Studien zeigen aber, dass Übergewichtige ein höheres Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und Diabetes Typ 2 haben.

Ja, statistisch gesehen ist es richtig: Dicke Menschen sind kränker. Es gibt aber einen Haken: Die Studien, die gemacht werden, zeigen nur auf, welche Phänomene zeitgleich auftauchen, aber nicht, ob sie auch kausal zusammenhängen. Der wirkliche Grund für das erhöhte Krankheitsrisiko wird nicht angeschaut. Es ist aber gar nicht die reine Fettmasse.

Sondern?

Übersehen wird unter anderem der Stress, dem mehrgewichtige Menschen in unserer Gesellschaft permanent ausgesetzt sind. Tagtäglich werden sie beschämt. Weil sie nicht in einen Stuhl hineinpassen, nicht in ein normales Bekleidungsgeschäft gehen können, ständig Ratschläge zum Abnehmen bekommen und das Gefühl haben, nicht richtig zu sein. Studien zeigen, dass sie außerdem medizinisch schlechter versorgt werden. All das schadet der Psyche und erhöht den Kortisolspiegel, was krank macht und dazu führt, dass der Körper nur noch mehr Fett einlagert.

Spielt denn das Körpergewicht wirklich keine Rolle bei Ihren Beratungen?

Doch, weil wir in einer Gesellschaft leben, in der der schlanke Körper der "bessere" ist. Ich biete aber keine Unterstützung dabei an, das Gewicht vorsätzlich zu ändern. Wir nehmen nicht den Umweg über das Gewicht und hoffen, dass sich dann irgendwie das Wohlbefinden oder die Gesundheit verbessern. Sondern wir gucken uns wirklich ganzheitlich die Lebenssituation an, die Kapazitäten, die Ressourcen, die Möglichkeiten, die Erkrankungen. Am Ende geht es darum, gesündere Verhaltensweisen im Leben der jeweiligen Klientin zu verankern: mehr Bewegung, eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung, Stressmanagement, nicht rauchen, nur mäßig Alkohol trinken und ausreichend schlafen.

Sie beraten nach dem Konzept "Health at Every Size". Wie funktioniert das?

"Health at Every Size" ist sowohl eine politische Bewegung, die sich für soziale Gerechtigkeit, den Abbau von Vorurteilen und respektvolle Gesundheitsversorgung einsetzt, als auch ein gewichtsneutrales Gesundheitskonzept, das in erster Linie auf Selbstfürsorge beruht. Dazu zählen auf individueller Ebene Körperrespekt, intuitive Ernährung und Bewegung aus Freude. Nichts ist verboten. Jede Person entscheidet selbst, was sie braucht und was zu ihr passt.

Isst man dann nicht sehr, sehr viel Schokolade, wenn alles erlaubt ist?

Am Anfang vielleicht. Ich habe wochenlang jeden Abend einen Wahnsinnsappetit auf Chips gehabt, das war mein Angst-Lebensmittel, bei dem ich mich am wenigsten kontrollieren konnte. Aber von einem Tag auf den anderen war das vorbei. Ich glaube, das war der Zeitpunkt, als mein Körper mir wirklich geglaubt hat, dass ich es ernst meine mit "keine Diäten mehr" und angefangen hat, mir zu vertrauen, dass ich ihn gut versorge. Und das zeigen auch Studien: Wenn wir gut mit unserem Körper verbunden sind und auf die Rückmeldungen hören – also wie uns das Essen bekommt, wie viel Energie es uns gibt –, machen uns Chips und Süßigkeiten nach einiger Zeit nicht mehr reflexhaft an. Dieses Nachspüren ist ein essenzieller Teil des Konzepts.

Was ist für Sie der wichtigste Punkt bei der Beratung?

Einen Raum zu schaffen, der geschützt ist, an dem meine Klientinnen Verständnis und Wertschätzung bekommen, an dem ihnen keine Vorurteile begegnen. Und in dem Essattacken kein Versagen sind. Für viele ist das das allererste Gespräch über ihren Körper und ihre Gesundheit, das nicht von Vorwürfen geprägt ist oder von Schuldzuweisungen wie etwa: "Ihr Diabetes Typ 2, der sich jetzt manifestiert, ist Ihre Schuld, weil Sie zu viel gegessen und sich zu wenig bewegt haben." Die meisten Frauen, die zu mir kommen, haben ihr Leben lang alles dafür getan, um abzunehmen, auch weil sie dachten, dass sie das gesünder machen würde. Mit Respekt auf ihren Körper zu sehen nimmt eine große Last von ihren Schultern.

Gibt es Tricks, um seinen Körper besser zu akzeptieren?

Ja, zum Beispiel den Social-Media-Feed der Wahl öffnen, Instagram, Facebook, was auch immer. Und dann gucken: Was sind die ersten zehn Posts, die mir das Gefühl geben, nicht schön genug, nicht schlank genug, nicht perfekt genug, nicht erfolgreich genug, nicht diszipliniert genug – einfach nicht genug zu sein? Denen entfolgen Sie. Und folgen stattdessen zehn empowernden Accounts. Da kann man zum Beispiel einfach mal gucken, wem ich (@drantoniepost, Anm. d. Red.) oder meine Anti-Diät-Kolleginnen so folgen. Da merkt man sehr schnell, was das mit einem macht.

Sie geben also die Erlaubnis, wegzugucken.

Genau. Sich aufs Positive zu fokussieren. Das kann man auch mit einem Foto üben, auf dem man sich grauenvoll findet. Die Aufgabe ist: Suchen Sie darauf nach fünf Dingen, für die Sie dankbar sind. Fünf Dinge, die Ihnen gut gefallen. Ich merke bei solchen Übungen oft, wie schwer es den Frauen fällt, sich aus dem Körperhass herauszubewegen.

Weil er so vertraut ist.

Ja, wir haben gelernt, auf das Negative zu gucken. Immer die beste Version von uns selbst sein zu wollen. Aber wir könnten doch auch einfach mal wir selbst sein, eine authentische Version unserer selbst. Und dann schauen, wie sich das anfühlt. Ein anderer absoluter Gamechanger sind positive Selbstgespräche. Sich zum Beispiel vorstellen, eine Freundin käme zu Ihnen und spräche despektierlich über sich, und Sie reagieren darauf. Und dann kommen da die tollsten, empowernden Sätze. Ja, und dann höre ich oft: Aber so über mich selbst sprechen, also nein, das kann ich nicht. Aber das darf man üben, jeden Tag ein bisschen dran arbeiten. Und dann gibt es sehr schnell nicht mehr dieses Schwarz-Weiß-Denken. Es gibt nicht mehr gut und schlecht. Es gibt nicht mehr gesund und ungesund, sondern es gibt nur noch die eigene Lebensrealität. Und wenn ein Essanfall darin stattfindet und es furchtbar war und jetzt die Versagensgefühle riesengroß sind, dann kann man auch darauf wertschätzend gucken und fragen, was vielleicht dieser Anfall in dem Moment für einen Sinn hatte.

Was könnte das für ein Sinn sein?

Vielleicht habe ich den ganzen Tag nicht genügend Selbstfürsorge betrieben. Ich habe nicht genügend Pausen gemacht. Mein Stressmanagement stinkt zum Himmel, mir ist das Leben dazwischengekommen, oder ich habe was Negatives erlebt. Ich habe das Essen als Bewältigungsmechanismus gebraucht, weil ich keinen anderen hatte ich diesem Augenblick. Und dann ist es wichtig zu fragen: Okay, was hätte ich denn eigentlich gebraucht? Was hätte ich mir zusätzlich zu dem Essen noch gewünscht? Eine Umarmung? Ein Gespräch? Mal wieder mehr als sechs Stunden schlafen? Vielleicht war es auch so, dass ich einfach nicht genug gegessen habe, sodass der Essanfall aus der Entbehrung heraus kam. Das glaubt mir auch fast keiner, dass es bei meinen Klientinnen erst mal sehr oft darum geht, sie überhaupt dahin zu kriegen, dass sie regelmäßig genug essen, dass sie erkennen: Sie dürfen sich satt essen.

Essen zur Frustbewältigung wird unterschätzt.

Ja. In unserer Gesellschaft ist es okay, sich mit Sport oder Mediation zu beruhigen, auch mit Zigaretten oder Alkohol. Aber mit Essen? Das ist verboten. Dabei ist eine der ersten schönen, zärtlichen, liebevollen Erfahrungen, die wir hoffentlich als Babys machen, die Nahrungsaufnahme mit ihrer Geborgenheit. Wir verbinden Essen mit Gefühlen. Und das muss auch so sein, weil es unser Überleben sichert.

Ist das Thema "Frieden schließen mit dem Körper" eines, das in der Lebensmitte besonders groß ist?

Ja, das sehe ich auf Instagram, wo fast zwei Drittel meiner Follower zwischen 35 und 55 Jahre alt sind. Man kommt einfach irgendwann an einen Punkt, an dem man erkennt: Jawoll, mein Körper verändert sich. Und ich kann mich jetzt entweder dafür entscheiden, dem Schönheitsideal weiter nachzulaufen, mit noch mehr Aufwand, oder nicht. Wer das möchte, soll das natürlich machen. Aber viele erkennen irgendwann: Ich will das nicht, es macht mich nicht glücklich. Hinzu kommt: Gerade Frauen mit Töchtern im Teenie-Alter möchten denen ihr eigenes Essverhalten und ihren Körperhass nicht länger vorleben.

Gibt es etwas, das wir unseren Kindern sofort sagen sollten?

Macht niemals eine Diät! Zwei Drittel der Menschen, die eine gemacht haben, sind nach einiger Zeit dicker als vorher. Und ein Viertel endet in einer therapiebedürftigen Essstörung. Wer gar nicht erst damit anfängt, lebt einfach gesünder. Und genau das wünschen wir unseren Kindern doch.

Zur Person

Dr. Antonie Post ist Ernährungswissenschaftlerin und -therapeutin. Sie hat zusammen mit ihrer Kollegin Petra Schleifer ein Buch geschrieben ("Gesundheit kennt kein Gewicht", 18 Euro, südwest Verlag). Für das BRIGITTE-Balance-Konzept 2023 hat sie ein Workbook entwickelt, das in der BRIGITTE-Ausgabe vom 7. Januar erschienen ist.

Dieser Text stammt aus der BRIGITTE WOMAN.

Brigitte

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