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Kiffen Cannabis-Konsum: Wie gefährlich ist das wirklich?

Kiffen: Cannabispflanze
© yellowj / Adobe Stock
Erwachsene dürfen in Deutschland legal einen Joint rauchen, so regelt es das neue Gesetz. Was man über Cannabis und Gesundheit wissen sollte.

Ist Cannabis eine Einstiegsdroge?

Könnte man glauben, stimmt aber nicht. Klar, Cannabis ist nach Alkohol die hierzulande am häufigsten konsumierte Droge überhaupt. Das heißt aber nicht, dass alle, die kiffen, später auch härtere Drogen wie Amphetamine und Kokain probieren, erklärt Psychologin Anne Beck, die an der Health und Medical University Potsdam zu den neurobiologischen Grundlagen von Suchterkrankungen forscht. "Natürlich gibt es vereinzelte Cannabiskonsument:innen, die auf harte Drogen wechseln oder Cannabis mit harten Drogen konsumieren, aber das ist wirklich ein verschwindend geringer Prozentsatz", sagt die Expertin. In Zahlen heißt das: Etwa jeder dritte Erwachsene probiert im Laufe seines Lebens Haschisch. Aber nur ein bis zwei Prozent der Menschen über 18 konsumieren Ecstasy, Crack oder Heroin.

Wie sieht es im Vergleich zu Alkohol aus?

Beides ist riskant für die Gesundheit. Allerdings richtet Alkohol den größeren Schaden an: Auf Dauer zerstört er Leber, Gehirn, Bauchspeicheldrüse und Herz auf direktem Weg, und er erhöht als starkes Zellgift das Krebsrisiko. Dazu kommt, dass Alkohol schneller abhängig macht, als man denkt – körperlich und psychisch. "Alkohol ist eine Droge, die dem ganzen Körper schadet", betont Anne Beck. "Es gibt keinen ungefährlichen Konsum." Cannabis wirkt dagegen vor allem im Gehirn, es beeinträchtigt das Gedächtnis und das Denken. Und es kann psychische Erkrankungen wie Psychosen begünstigen. Besonders für Menschen mit einer entsprechenden genetischen Veranlagung ist Cannabis deshalb gefährlich und die wenigsten wissen von ihrem erblich bedingten Risiko. Die körperliche Gesundheit wird von Cannabis – bis auf das Inhalieren des Tabakrauches beim Joint – aber kaum beeinträchtigt. Insofern stufen Expert:innen Alkohol als gefährlicher ein.

Wirkt Cannabis denn bei allen gleich?

Manche erleben nach einem Joint absolute Euphorie, andere Panik oder Verfolgungswahn. Wie die Droge wirkt, hängt von sehr vielen Faktoren ab: Wie gut man Cannabis toleriert, ob man es raucht, im Vaper verdampft, isst oder im Tee trinkt, wie viel Cannabinoide die Portion enthält, wie man es verstoffwechselt, welche genetische Veranlagung man für die psychoaktive Wirkung hat. Nicht zu unterschätzen sind persönliche Stimmung, Umgebung oder Situation, in der man konsumiert. Expertin Beck rät daher zumindest beim ersten Konsum zu Bedingungen, in denen man sich wohl- und geschützt fühlt und nicht alleine ist.

Bedeutet tägliches Kiffen abhängig zu sein?

Abhängigkeit wird nicht an der Menge gemessen. "Für eine Sucht ist entscheidend, ob man ein sehr starkes Verlangen hat, zu konsumieren, ob man den Konsum unter Kontrolle hat oder ob man beispielsweise nicht aufhören kann mit dem Kiffen, obwohl man das möchte", sagt Suchtforscherin Beck.

Wer wissen möchte, ob bereits eine Abhängigkeit droht, sollte sich folgende Fragen stellen: Macht mir das Kiffen Probleme in der Schule oder im Job? Schreibe ich schlechtere Noten oder fallen mir Aufgaben schwer, die mir sonst leicht von der Hand gegangen sind? Verzichte ich auf Dinge, die ich eigentlich gern machen würde, gehe ich zum Beispiel nicht mehr zum Sport oder lasse Treffen mit Freund:innen sausen? Habe ich ein starkes Verlangen, zum Joint zu greifen? Versuche ich vergeblich, mit dem Kiffen aufzuhören? Muss ich mehr Gras rauchen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen? Auch Entzugszeichen wie Schlafstörungen, Unruhe oder starkes Schwitzen weisen auf eine Abhängigkeit hin. Sie wird begünstigt, da sich der Anteil von psychoaktiven Substanzen wie THC im Cannabis in den letzten Jahrzehnten erhöht hat.

Ist es egal, in welchem Alter man anfängt?

Im Gegenteil, sagt Psychologin Anne Beck: "Gerade bei Jugendlichen, die ja am meisten kiffen, ist das Gehirn besonders empfindlich, weil die Reifungsprozesse noch nicht abgeschlossen sind." Erst mit Mitte 20 ist das menschliche Gehirn "fertig". Vermutlich stören die Wirkstoffe des Cannabis, die sogenannten Cannabinoide, die Reifung der grauen und weißen Hirnsubstanz. Das kann mit einer verminderten geistigen Leistungsfähigkeit einhergehen – beispielsweise reduziert sich der IQ bei regelmäßig Kiffenden um mehrere Punkte. Auch auf Aufmerksamkeitsspanne, Merkfähigkeit und Konzentrationsleistung gibt es negative Wirkungen, besonders im jungen Erwachsenenalter. Erste Hinweise deuten jedoch darauf hin, dass sich das Gehirn zumindest in Teilen erholt, wenn man aufhört.

Kann Cannabis psychische Probleme auslösen?

Nicht direkt. Doch Faktoren wie ein regelmäßiger Konsum und ein hoher Gehalt an psychoaktiven Substanzen lassen das Risiko für psychische Probleme ansteigen. Dazu gehören psychotische Störungen, Ängste und Depressionen. "Hören die Leute erst Stimmen, sind lustlos oder verängstigt und fangen dann an zu kiffen? Oder entstehen die Probleme durchs Kiffen? Daran wird noch geforscht", sagt Anne Beck. Dass es einen Zusammenhang gibt, ist unumstritten: Unter Menschen, die Cannabis konsumieren, erkranken beispielsweise zwei- bis fünfmal so viele an einer Psychose wie unter Nicht-Konsument:innen. Eine Folge sei auch das "amotivationale Syndrom", so die Psychologin, also der dauerhaft gechillte Kiffer, dem Lebensplanung und Tagesstruktur entgleiten.

Wird mit der Legalisierung die Abhängigkeit zunehmen?

Erst mal sei nicht davon auszugehen, sagen Fachleute wie Anne Beck. Sie beziehen sich dabei auf die Daten aus anderen Ländern: In Neuseeland und Chile, wo der Konsum streng geregelt ist bzw. unter Strafe steht, ist der Anteil der Menschen, die Cannabis konsumieren, eher hoch. In Ländern mit liberaleren Gesetzen wie den Niederlanden oder Belgien wird eher weniger gekifft.

Weil die neue Gesetzgebung jedoch viel Unsicherheit und Sorge mit sich bringe, müsse das Beratungsangebot zunehmen, fordert Expertin Anne Beck und ergänzt: "Außerdem muss mehr Geld in Suchtpräventionsprogramme gesteckt werden, die zu den jungen Konsumentinnen und Konsumenten passen."

Das Cannabis-Glossar

Cannabis sativa ist der lateinische Name der Hanfpflanze. Blüten und Harz haben die höchste Konzentration an Cannabinoiden. Hanffasern, Samen und Öle enthalten nur minimale Mengen und werden für Textilien, Papier, Nahrungsmittel undKosmetika genutzt.

Haschisch ist das Harz, das aus der weiblichen Cannabis-pflanze gewonnen wird.

Marihuana ("Gras") sind getrocknete Blüten und Blätter der weiblichen Cannabispflanze.

Cannabinoide sind einzigartige Inhaltsstoffe von Cannabis. Am besten untersucht sind THC und CBD.

THC (Tetrahydrocannabinol) sorgt für eine Ausschüttung des Nervenbotenstoffs Dopamin und somit für eine berauschende Wirkung. THC scheint auch bei der Entstehung von Psychosen durch Cannabis eine Rolle zu spielen. Die Anbauvereinigungen, die mit der zweiten Stufe des Gesetzes ab Juli zulässig sind, dürfen an junge Menschen zwischen 18 und 21 nur Cannabis mit maximal zehn Prozent THC verkaufen.

CBD (Cannabidiol) hat keine psychoaktive Wirkung. Es wirkt entspannend und entkrampfend, eventuell auch schmerzlindernd und entzündungshemmend und wird für medizinische Zwecke genutzt.

Verlässliche Infos gibt es hier: Dachverband Deutscher Cannabis Social Clubs (csc-dachverband.de), Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (dhs.de), Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (drugcom.de)

Brigitte

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