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Internet-Arztsuche: Mediziner zu ersteigern!

Im Internet lässt sich inzwischen so ziemlich alles ersteigern. Auch medizinische Behandlungen. Doch wie gut funktioniert die virtuelle Arztsuche?

Sie kannte ihn seit ihrer Kindheit und hätte ihn sicher nie verlassen. Aber dann ging Manuela Schreibers* Zahnarzt in Rente. Die 35-jährige Hamburgerin suchte sich eine neue Praxis, mit der sie soweit zufrieden war; bis eine ihrer Kronen herausbrach. Über 700 Euro sollte sie für den Ersatz bezahlen: viel Geld für eine alleinerziehende Mutter. So kam sie auf die Idee, ihren morschen Zahn unter den Hammer zu bringen - im Internet.

Denn nicht nur Handwerker unterbieten sich dort, um unsere Wohnung tapezieren zu dürfen, im Netz feilschen auch Ärztinnen und Ärzte um Patienten. Auf Plattformen wie www.2tezahnarztmeinung.de oder www.arzt-preisvergleich.de ersteigern sie Behandlungen, die gesetzliche Kassen nicht oder nur zum Teil zahlen, wie Zahnersatz, Augenlasern, Physiotherapie, künstliche Befruchtungen und Schönheitsoperationen. Die Patienten müssen dafür den Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes oder andere, für eine "Preisermittlung" wichtige Angaben in Netz stellen: etwa die Dioptrien-Werte ihrer Augen oder den Umfang einer geplanten Schönheits-OP.

Die Empörung auf Seiten der Ärzteverbände war zunächst groß: "Unärztlich", "unethisch" und "unseriös" sei dieser Internet-Basar und verstoße obendrein gegen das Werbeverbot, dem Ärzte unterliegen. Vor einem Jahr entschied das Oberlandesgericht München gegen eines der Internet-Portale, da es einen unkollegialen Preiskampf unter Zahnärzten entfache. Doch Betreiber Holger Lehmann ging in die Berufung und findet, dass der Erfolg ihm recht gibt: "Über 50.000 Behandlungen sind durch uns zustande gekommen. Mehr als 900 Zahnärzte beteiligen sich." Noch ist der Rechtsstreit nicht endgültig entschieden. Doch einige Krankenkassen verweisen schon auf die Auktionen.

Immerhin können Patienten im Netz nicht nur Kosten vergleichen, sondern auch ihre Erfahrungen über Ärzte und Ärztinnen austauschen, die unter Pseudonymen wie kitzelbohrer, karieskiller und Dr. Superzahn an den Versteigerungen teilnehmen. "Diese Bewertungen sind den Menschen mindestens genauso wichtig wie der Preis", weiß Sigrun Koschel von der MediKompass GmbH, die eine der Plattformen betreibt.

Auch Manuela Schreiber hatte durchaus ihre eigenen Qualitätskriterien: Sie wollte einen Zahnarzt, der seine Kronen aus einem deutschen Labor und nicht vom asiatischen Billighersteller bezieht. Dennoch landete sie schließlich beim niedrigsten Bieter. Mit 350 Euro verlangte dieser weniger als die Hälfte ihres ursprünglichen Heilkostenplans.

Die Patientin war erst mal skeptisch: "Ich dachte, ich guck mir das mal an, aber gehe auch wieder, wenn ich nicht überzeugt bin." So war sie denn erleichtert, dass sie beim ersten Termin nur beraten und zu nichts gedrängt wurde - der neue Heilkostenplan fiel dann sogar noch etwas günstiger aus als der Auktionspreis.

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Doch wie geht das überhaupt ohne Abstriche bei der Qualität? "Die Hauptersparnis liegt beim Zahnlabor", erklärt Manuela Schreibers Zahnmediziner. "Und da haben wir eben unser eigenes mit sehr modernen Geräten, die teure Arbeitszeit ersetzen." Außerdem kalkuliere er von Anfang an zusammen mit einem Zahntechniker und deswegen viel genauer als andere Praxen. Auch wenn ein Teil seines Honorars an den Plattform-Betreiber geht, lohnt sich die Bieterei für ihn. Über manche seiner Kollegen schüttelt er aber auch den Kopf: "Gerade wer frisch bei den Auktionen dabei ist, bietet oft sehr billig. Aber für gute Arbeit muss man schon seinen Preis verlangen."

Bis jetzt sind es vor allem Zahnärzte und Anbieter von Augen-Lasern und Schönheits-Operationen, die sich am Preiskampf im Netz beteiligen. Ein Augenarzt aus Köln etwa hat schon über 200 Laser-Operationen ersteigert - und lastet damit seine teuren Geräte aus: "Über die Internet-Auktionen verdiene ich pro Patient zwar weniger, habe dafür aber umso mehr Patienten."

Eine seiner Patientinnen ist die 34-jährige Anna Bergmann*. "Ich hatte unglaubliche Angst vor der Laser-OP", erinnert sie sich, "und den Arzt, dem ich meine Augen anvertraue, über eine Internet-Auktion zu finden, war mir absolut suspekt." Erst die positiven Erfahrungen eines Arbeitskollegen machten ihr Mut. Und Augenarzt M., für den sie sich nach der Auktion entschied, war mit 2300 nicht nur 1000 Euro günstiger als die regionale Klinik, sondern besaß auch die modernere Technik. Aber vor allem fühlte sie sich bei ihm von Anfang an gut aufgehoben: "Ich wusste, dass ich immer noch sagen konnte, ich mach es doch nicht."

Dem Gesundheitswesen bringen die Auktionen vor allem mehr Transparenz. "Wir bringen die Leute dazu, Preise zu hinterfragen. Kein Wunder, dass das vielen Medizinern nicht passt", sagt Holger Lehmann. Profitieren kann übrigens auch, wer seinen Hauszahnarzt gar nicht verlassen möchte.

"Manche Patienten gehen mit den Geboten auch zu ihrem alten Arzt, um neu zu verhandeln", weiß Judith Storf, Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientinnenstellen und -initiativen. Andere, wie Manuela Schreiber, machen den Schnäppchendoktor für die Zukunft zum Zahnarzt ihres Vertrauens - ohne jedes Mal aufs Neue die Preise zu vergleichen. Denn eines machen die Erfahrungen mit Arzt-Versteigerungen klar: Billiger bedeutet nicht unbedingt schlechter. Aber die kritische Prüfung der Qualifikation und Erfahrung einer Arztpraxis, der man sich anvertrauen will, sollte man sich auch beim Billig-Anbieter keinesfalls sparen.

*Namen von der Redaktion geändert

Worauf Sie achten sollten

  • Niemand ist verpflichtet, die ersteigerte Therapie zu "nehmen". Versteigerungen von Arztleistungen im Internet sind absolut unverbindlich. Ob Arzt oder Ärztin die Behandlung wirklich durchführen können und ob Sie ihnen vertrauen, klärt sich erst im persönlichen Kontakt in der Sprechstunde.
  • Auch die Preise der Auktion sind nicht verbindlich. Die endgültige Kostenaufstellung legt der Arzt erst vor, wenn er den Patienten oder die Patientin selbst untersucht hat. Wenn der Preis deutlich steigt, ist Skepsis erlaubt. "Viele Patienten beklagen sich, dass sie hinterher doch mehr zahlen sollen, als im Netz geboten wurde", sagt die Patientensprecherin Judith Storf.
  • Fragen Sie nach der Erfahrung des Arztes. Über die Internet-Portale ver suchen oft Berufsanfänger, einen Patientenstamm aufzubauen. Das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, denn wer frisch von der Uniklinik kommt, ist auf dem neuesten Stand der Wissenschaft ausgebildet. Aber insbesondere bei komplizierteren Eingriffen sollte man in die Entscheidung mit einbeziehen, wie viel Erfahrung der Arzt oder die Ärztin damit schon gesammelt hat.
  • Die Entfernung bestimmt jede/r selbst. Vor der Auktion legt man fest, wie weit man zu reisen bereit ist. Judith Storf rät: Fahrtkosten beim Preisvergleich von Anfang mit einkalkulieren. Sonst könnten die gesparten Euros gleich wieder im Tank des Autos verschwinden - besonders wenn vorab noch Abklärungstermine anstehen.
  • Patientenberichte helfen weiter. Gute Online-Portale stellen Bewertungen von Patienten und Kommentare der Ärzte dazu ins Netz. Das gibt Einblick in den Arbeitsstil einer Praxis.
Text: Antje Kunstmann Illustrationen: www.skizzomat.de

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