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Insulinresistenz So erkennst du sie

Insulinresistenz: Frau sitzt mit Essen nachdenklich am Tisch
© Dejan Dundjerski / Shutterstock
Eine Diagnose aus dem Nichts: Insulinresistenz – Vorstufe von Diabetes Typ 2. Mittlerweile sind immer mehr jüngere Menschen davon betroffen. Alicja Kurzius war 23 – und damit begann für sie eine Odyssee.

Ich wollte immer früh Mutter werden, am liebsten mit Anfang 20. Zwei Jahre lang probierte ich es, erfolglos, dann ließ ich mich in einem Kinderwunschzentrum durchchecken. Die Diagnose: Die Eileiter und Eierstöcke waren okay, aber der Stoffwechsel gestört – Polycystisches Ovarsyndrom, PCOS, dazu eine Insulinresistenz.

Ich verstand: nichts. Insulin? Polycystisch? Und was bedeutete das für mich? Mein Frauenarzt sagte nur: "Machen Sie sich keine Gedanken, nehmen Sie einfach ein paar Kilo ab."

Abnehmen? Gar nicht so einfach

Das tat ich. Dabei wog ich 70 Kilo – bei 1,67 Meter eigentlich kein schlimmes Übergewicht. Dennoch probierte ich alles aus, von Kohlsuppen- über Low-Carb-Diät bis zu Fasten und Abnehm-Shakes. Nichts half, im Gegenteil: Ich verlor zwar Gewicht, nahm aber danach jedes Mal schnell wieder zu. Die Folge: Frust und Schuldgefühle. Denn immer, wenn ich den negativen Schwangerschaftstest in der Hand hielt, hatte ich das Gefühl, nicht genug getan zu haben.

Irgendwann wog ich 94 Kilo – ganz klar zu viel. Mein Herz raste, mir war ständig schwindelig. Mein Hausarzt schickte mich zum Psychologen. Jetzt bin ich auch noch verrückt, dachte ich. Doch auch der fand nichts. Es war der Horror.

Sechs Jahre ging das so. Bis bei meiner Freundin eine Insulinresistenz festgestellt wurde. Moment mal, dachte ich: Die habe ich doch auch! Und verstand durch meine Freundin, die besser aufgeklärt wurde, endlich, dass es absolut keine harmlose Diagnose ist, sondern ein Alarmsignal: Weil meine Körperzellen nicht mehr richtig auf das Hormon Insulin reagierten, das nach dem Essen von Kohlenhydraten in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird und dafür sorgt, dass der Zucker im Blut von den Zellen aufgenommen wird. Werden die Zellen wie bei mir taub gegen das Hormon, bleibt zu viel Insulin und als Folge zu viel Zucker im Blut. Die möglichen Folgen: Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer – und im Zusammenhang mit einem PCOS ein erhöhtes Risiko für Unfruchtbarkeit.

Diabetes ist nicht mehr weit

Insulinresistenz ist die Vorstufe zu Diabetes, sechs Millionen Deutsche leiden bereits an der Typ-2-Variante, bedingt durch einen ungesunden Lebensstil und erbliche Veranlagung – Tendenz steigend. Und die Betroffenen werden immer jünger. Eine Volkskrankheit, und ich stand kurz vor der Tür zum Klub. Die Erkenntnis war ein Schock.

Was ich auch gern schon sechs Jahre früher gewusst hätte: Dass ich selber jede Menge hätte tun können, um meine Gesundheit wieder ins Lot zu bringen – mit Sport und einer kohlenhydratangepassten Ernährung, viel Schlaf und ausreichend Entspannung. Vor allem Zucker in Kuchen, Limonaden, weißem Brot oder Reis und Schokolade lässt den Blutzucker schnell ansteigen und wieder absinken. Der Organismus reagiert mit Herzrasen, kaltem Schweiß, Schwindel, Müdigkeit, Konzentrationsproblemen, Angst. All das hatte ich jahrelang gehabt. Aber kein Arzt hatte mir je gesagt, wieso und was hilft.

Ich fiel emotional in ein tiefes Loch. Es fühlte sich an, als hätte ich meine besten Jahre verschwendet. Mit diesem zermürbenden Kampf gegen meinen zu dicken Körper, statt ihn zu meinem Verbündeten zu machen.

Das Leben einmal umkrempeln

Dass ich endlich etwas tun konnte, war wie eine Erlösung für mich. Ich änderte mein Leben, von heute auf morgen. Achtete auf genug Schlaf und übte Entspannungsmethoden. Ich lernte, dass manche Lebensmittel krank machen können, und was eine gesunde Ernährung bedeutet: viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Ballaststoffe. Und wie man mit dem richtigen Essen den Blutzuckerspiegel stabil hält. Verabschiedete mich von Zucker und Weißbrot, Fertiggerichten, Schokolade und Chips, fing sogar an, bei Youtube Fitness-Programme mitzumachen, Rad zu fahren und zu tanzen, obwohl Sport in der Schulzeit für mich immer ein Horror war. Wenn ich doch mal vor dem Kühlschrank stand, mit einem Jieper auf Schokopudding, hielt mich der Gedanke an das Baby zurück, das ich mir so sehr wünschte und auf das ich schon so lange wartete.

Doch die Mühe lohnte sich. Nach wenigen Wochen ließen meine Beschwer-den nach, innerhalb eines Jahres verlor ich 34 Kilo und konnte meine Werte so verbessern, dass man inzwischen nicht mehr von einer Insulinresistenz spricht. Wow! Das machte mich stolz.

Die Krönung: endlich Mutter werden

Noch stolzer allerdings war ich, als ich mit 30 endlich schwanger wurde. Heute habe ich eine gesunde Tochter. Aber ich muss immer noch aufpassen auf meine Ernährung, auf regelmäßige Bewegung und Entspannung, jeden Tag. Manchmal kommt es mir vor wie ein Kampf, den ich oft verliere: Wenn ich mal wieder schwach werde, weil der Käsekuchen meiner Freundin einfach so lecker duftet, oder ich abends lieber auf der Couch liegen bleibe, statt aufs Rad zu steigen. Es läuft nicht immer gut, aber ich sage mir: Hauptsache, nicht aufgeben! Ich muss schließlich ein Leben lang durchhalten, Diabetes lauert immer noch gefühlt hinter jedem Schokoriegel.

Es macht mir Angst, dass ich früh sterben könnte, vor allem wegen des Kindes. Deshalb bleibe ich dran und kontrolliere mindestens einmal im Jahr beim Endokrinologen meine Insulin- und Blutzuckerwerte. Für andere Betroffene habe ich eine Website eingerichtet: insulinresistenz.club – damit sie wissen, wie sie ihr Leben umstellen müssen und nicht so ratlos umherirren wie ich und wertvolle Jahre vergeuden.“ 

Sechs Jahre dauerte es, bis Alicja Kurzius, 35, erfuhr, was wirklich mit ihr los ist – und was sie tun kann. Auf insulinresistenz.club hilft sie heute anderen Betroffenen.

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18/2021 Brigitte

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