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Hypnosetherapie: Meine Seele als Film

Hypnosetherapie: verschowmmenes Frauengesicht
© RaulArmemta / Shutterstock
Meike Dinklage hat ein Problem – und versucht, es in 50 Minuten Trance zu lösen. Ist Hypnose der Weg, um langwierige Sitzungen bei Psychotherapeuten zu umgehen?

Meine Augen fallen zu, nach nur zehn Sekunden, in denen ich dem Zeigefinger von Hypnosetherapeutin Ramona Höne folge, die hinter mir sitzt. Sie bewegt ihn auf Höhe der Brauen, ich muss extrem weit nach oben blicken und merke, wie das eine ganze Hirnregion ausknipst. Gerade dachte ich noch, für eine Trance viel zu wach und aufgeregt zu sein, jetzt bin ich wie kurz vorm Wegdösen. Wie dicke Watte liegen meine Lider auf den Augen, ich könnte sie öffnen, aber ich will nicht. Lieber sinke ich noch ein bisschen tiefer in dieses angenehme, entspannte Gefühl.

Mein Problem: Prüfungsangst

Dass ich hier bin, hat mit einem Problem zu tun, das nicht mein Leben bestimmt, mich aber zunehmend nervt. Ich habe Prüfungsangst, in der speziellen Variante, dass nicht ich geprüft werde, sondern meine Hunde, also wir als Team. Ich mache Hundesport, die Hunde dürfen Gegenstände erschnüffeln und tolle Apportierübungen machen, und manchmal gehen wir zum Spaß auf Turniere, um zu zeigen, was wir können und um ein Trainingsziel zu haben.

Nur ist dann der Spaß vorbei. Tage vorher schlafe ich schlecht, schwitze kalt und fühle, wie mein Puls flattrig wird. Vor dem Start bin ich dann so aufgeregt, dass ich mich ins Gebüsch übergeben könnte und meine Hunde gar nicht mehr richtig wahrnehme. Globuli, Atemtechniken, Konzentration auf positive innere Bilder – nichts hilft. Was die Hunde natürlich merken, irritiert sind und Fehler machen. Oder gar nicht erst mitarbeiten. Und hinterher sind wir dann alle gefrustet. Nicht schön.

Der Tipp, es mit Hypnosetherapie zu versuchen, kam von einer Freundin. Ihr hatte die Therapie aus einer für sie ausweglosen Job-Situation geholfen. Über Monate hatte uns das Thema bei jedem Treffen beschäftigt, und dann, nach nur zwei Sitzungen, war die Kränkung, die sie erlebt hatte, für sie nicht mehr wichtig. Was genau passiert ist, hat sie nicht erzählt. Nur dass die Behandlung ganz anders abläuft als die Trance, die man aus Fernsehshows kennt, wo Menschen auf einen Fingerschnipp hin lächerliche Dinge tun. "Hypnosetherapie", sagte sie, "ist absolut seriös, da manipuliert dich keiner, sondern hilft dir, tiefer in dein Unterbewusstsein einzusteigen."

Zu Besuch bei Ramona

Ein bisschen mulmig ist mir dennoch, als ich die Stufen zu Ramona Hönes Praxis im Dachgeschoss eines Altbaus am Hamburger Stadtrand hinaufsteige. Man müsse aufgeschlossen sein, bereit, sich zu erforschen, habe ich auf den Seiten mehrerer Therapeut*innen gelesen, und unbedingt zu einer Fachkraft – Psychologin oder Mediziner – gehen. Ramona Höne, 52, ist Kinderärztin, und ihre Praxis wirkt auf mich sofort beruhigend. Gemütliche Möbel, helle Wände, auf dem Tisch Nüsse, gelbe Tulpen.

Höne ist eine schmale Frau mit dezenter, aufmerksamer Ausstrahlung. Sie erzählt, dass sie durch eigene Erfahrung zur Hypnosetherapie kam. 30 Jahre hatte sie unter großer Verlustangst gelitten, die viel mit der Scheidung ihrer Eltern zu tun hatte, die sie als Kind miterlebte. Die Angst packte sie schon, wenn ihr Mann oder eines ihrer Kinder nicht zu Hause waren. Gesprächstherapien hätten ihr Drama eher reaktiviert, sagt sie, bei einer Psychokinesiologin habe sie "gerade mal am Lack gekratzt", Homöopathie, Achtsamkeit – alles habe nicht geholfen. "Die Hypnosetherapie war dann wie eine Erweckung. Man kommt in Ebenen, die man im wachen Zustand einfach nicht erreicht."

Die "Auflösende Hypnose"

Danach machte sie selbst die Ausbildung. Sie praktiziert "Auflösende Hypnose", eine Psychotherapieform, die in der Trance belastende Gefühle und Erinnerungen aufspüren, zu einem neuen, versöhnlichen Ende bringen und sie dadurch löschen soll. Ihre Patient*innen leiden unter leichten Phobien, aber auch unter schwerwiegenden Erkrankungen wie Burn-out, Ängste oder Magersucht. "Für viele, die zu mir kommen", sagt sie, "ist die Hypnose der letzte Strohhalm, nach dem sie greifen."

Eine Stunde reden wir, sie will wissen, wie sich meine Angst aufbaut, was das Besondere an der Arbeit mit Hunden ist, warum mir Wettkämpfe wichtig sind. Dann fragt sie umfassender, biografischer: nach den größten Krisen in meinem Leben, meiner Lebenssituation, meinen Ressourcen, was mich stärkt. Sie macht sich Notizen, schreibt Formulierungen auf, die typisch dafür sind, wie ich die Situation erlebe; später, in der Trance, wird sie sie verwenden, um mich präziser leiten zu können. Während ich erzähle, ahne ich, dass das Problem gar nicht so isoliert ist, wie ich dachte.

Schau, was an Bildern hochkommt, erzähl mir davon.

Dann bereitet sie mich auf die Trance vor. Erklärt, dass die Erlebnisse heftig werden können, ich soll sie einfach zulassen. "Egal, wie stark die Reaktion ist, ob du schreien möchtest oder jemanden schlagen: Unterdrück es nicht, erzähl es mir. Schau es an, nimm es wahr. Es wird abflachen und vorbeigehen." Ich glaube ihr; dass die Bilder heftig werden könnten, weckt in mir eher Neugier als Angst.

Ich darf wählen zwischen Couch und Sessel, die Couch scheint mir angemessen, ich schiebe mir eine Kissenrolle in den Nacken. Der Finger pendelt über meinen Augen, zehn Sekunden, die Bewegung aktiviert jene Hirnteile, die für die Erinnerung und die Verarbeitung von Seheindrücken zuständig sind, dann fallen die Lider zu, und kurz danach schälen sich aus der Dunkelheit erste Bilder, als Ramona Höne sagt:

"Lass uns einmal schauen, was das mit dir macht, wenn die nächste Hundeprüfung ansteht. Der Stress, das Gefühl, dass du dich am liebsten übergeben möchtest. Und das andere Gefühl: Dass du deine Hunde in der Prüfung nicht wahrnimmst. Schau, was hochkommt. Wenn irgendwas entsteht, erzähl davon."

Ich sehe, wie ich zum Startpunkt gehe, der Richter schüttelt mir die Hand, wünscht mir viel Glück, ich nehme nur noch meinen Herzschlag wahr, er ist so laut, dass er alles andere niederknüppelt. Das Gefühl kommt mir ganz nah. Es bebt in mir.

Geschickt leitet mich Ramona Höne aus den nahen, oberflächlichen Emotionen, die unmittelbar mit dem Wettkampf zu tun haben, zu den tieferen. Erst auf dem Band, das ich mitlaufen lasse, höre ich später, wie lange ich schweige, und wie entrückt meine Stimme zeitweilig klingt, mal kindlich, dann wieder klar. Ich selbst habe den Eindruck, die ganze Zeit intensiv zu arbeiten, weil so viele Szenen aufsteigen und der ordnende Verstand nichts herausfiltert. Bald weine ich, wegen eines alten Schmerzes, einer Situation, in der ich mich allein fühlte, zehn bin ich da. Ich sehe das kleine Mädchen vor mir, es schaut mich an, und ich fühle, was es fühlt.

Ja, das möchte ich.

"Mach das mal. Laut, leise, gedanklich – so, dass es sich gut anfühlt."

Von Heilbildern und Hundeplätzen

Auf meinem inneren Bildschirm umarme ich das Kind, es richtet sich auf, es tut ihr gut. Ein paar Minuten stehen wir so da, mein kleines Ich und ich heute, beide getröstet. Es ist ein großes Gefühl, und dass ich Bilder dazu habe, verstärkt die Empfindung noch. Ich kann dem Kind da heraushelfen. Und einer düsteren Erinnerung einen anderen Ausweg bauen. "Heilbilder", nennt Ramona Höne solche Szenen. "Sie helfen bei der Verarbeitung. Man muss sie nicht suchen, sie kommen einfach." Immer wieder, wenn ich auf Nebengleise einbiege, holt sie mich sanft, aber bestimmt zu meinem eigentlichen Thema zurück:

Ich gehe durch die unmittelbare Prüfungsangst, dann durch die nächsten Schichten, ich fühle immer deutlicher, was diese Angst mit meiner Biografie zu tun hat, den Glaubenssätzen, die ich mit mir herumtrage und die früh geprägt wurden. Was das spezielle Hundethema damit zu tun hat, dass meine Mutter keine Tiere im Haus mochte und meinen Wunsch nach einem Hund nie verstanden hat.

Zuletzt führt Ramona Höne mich auf dem Hundeplatz mit meiner Mutter zusammen. Ich soll mir vorstellen, dass wir durchgefallen sind, richtig krachend mit null Punkten, und dann schauen, ob meine Mutter in der Nähe ist. Sie ist da, voller Wohlwollen und Zuwendung. Es fühlt sich sehr gut an.

Aber ich bin auch erleichtert, dass die Arbeit getan ist, als Ramona Höne sagt: "Komm langsam zurück, mach die Augen auf."

Es ist, als käme ich gerade aus dem Kino, und zu sehen gab es meine verfilmte Seele.

Noch einmal setzen wir uns an den Tisch mit den gelben Tulpen, es ist, als käme ich gerade aus dem Kino, und zu sehen gab es meine verfilmte Seele. Erst jetzt wird mir klar, wie weit weg ich war, dabei hatte sich alles so nah und echt angefühlt. Wir reden kurz, aber eigentlich ist alles gesagt. Für dieses Mal. Drei bis sieben Sitzungen, sagt Ramona Höne, seien normal, bei schweren Erkrankungen auch mehr. Ich kann erst mal nicht entscheiden, ob ich weitermachen möchte, dafür fühle ich mich gerade zu erschöpft.

Einen Monat ist das jetzt her. Ich habe bisher keinen neuen Termin gemacht; mein Respekt davor, mich noch mal so krass mit mir selbst zu konfrontieren, ist noch zu groß. Aber ich habe das Gefühl, dass die Therapie einiges in mir angestoßen hat, für das ich jetzt erst mal meinen Verstand brauche, um es einzuordnen. Die einmalige Sitzung hat mein Problem nicht weggezaubert – wenn ich an die nächste Prüfung denke, beschleunigt sich mein Puls doch wieder –, aber sie hat mir Zusammenhänge aufgezeigt, auf die ich im wachen Zustand niemals gekommen wäre. Ich glaube, auch das ist Heilung.

Nutzen und Nebenwirkungen

Wie viele Sitzungen bei einer Hypnosetherapie nötig sind, variiert je nach Patient*in, Thema und Behandlungsansatz. Nicht geeignet ist die Therapie bei psychischen Erkrankungen wie Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen. Eine 50-minütige Sitzung kostet zwischen 80 und 250 Euro. Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten, wenn ein Arzt / eine Ärztin die Hypnose durchführt. Mehr als 200 Studien - nicht alle wissenschaftlich anerkannt - weisen nach, dass Hypnosetherapie heilsam sein kann. Liste mit qualifizierten Therapeut*innen unter www.meg-hypnose.de oder www.dgh-hypnose.de. Kontakt zu Ramona Höne: www.ramona-hoene.de

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