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HPV: Riskante Krebs-Impfung?

Erst gefeiert, jetzt umstritten - nach zwei Todesfällen gibt es neue Zweifel, ob die HPV-Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs wirklich so gefahrlos ist.

Eine Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs? Klingt gut. Und es ist auch gut, dass intensiv geforscht wird, um ein Mittel zu finden, das eine Infektion mit so genannten HP-Viren verhindert. Der Erreger ist weit verbreitet; etwa 70 Prozent aller Frauen infizieren sich in jungen Jahren beim Geschlechtsverkehr damit. In den meisten Fällen wird ihr Immunsystem mit der Krankheit fertig; in wenigen Fällen aber kann sich Jahrzehnte später Gebärmutterhalskrebs entwickeln. Etwa 6000 Frauen erkranken jedes Jahr in Deutschland, etwa 1700 sterben daran.

Nicht so gut ist dennoch das Tempo, in dem die "HPV-Impfung" Karriere gemacht hat. 2006 erstmalig in Deutschland zugelassen, 2007 von der STIKO (Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut) empfohlen und von den Krankenkassen (für Mädchen zwischen 12 und 17) finanziert - und schon rollt eine gigantische Werbekampagne über uns hinweg, die klar macht: Wer seine Tochter nicht spätestens mit zwölf für die neue Impfung zum Kinderarzt oder Gynäkologen schleppt, ist eine Rabenmutter.

Eine Impfung kostet 465 Euro - und lässt viele Fragen offen

Wie so oft, wenn die Pharmaforschung Großartiges verspricht, lässt die Ernüchterung nicht lange auf sich warten. Jetzt ist es so weit: Eine Reihe von Studien und Veröffentlichungen macht deutlich, dass vieles in Bezug auf HPV noch ungeklärt ist. Und nachdem nun auch noch bekannt wurde, dass in Österreich und Deutschland je eine junge Frau kurz nach der Impfung plötzlich und ohne erkennbare Ursache verstarb, ist die Verunsicherung groß.

Zwar weiß derzeit niemand, ob die beiden Todesfälle nicht nur im zufälligen zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung standen - unerklärliche, plötzliche Sterbefälle gibt es immer wieder. Aber die Frage nach dem Nutzen der Impfung ist erneut auf dem Tisch.

Einen absoluten Schutz vor der Infektion, soviel ist klar, bietet sie jedenfalls nicht: Die bisher zugelassenen Impfstoffe wirken nur gegen zwei der als besonders krebserregend geltenden Virustypen - HPV 16 und 18. Angeblich sind sie für 70 Prozent der Infektionen verantwortlich. Diese Daten wurden allerdings in Entwicklungsländern erhoben.

Und bei uns? Man weiß es nicht genau. Wie werden sich die vielen andere HP-Virustypen entwickeln, wenn ihre aggressiven Kollegen Nr. 16 und 18 per Impfung kalt gestellt sind? Vermehren sie sich, werden sie gar gefährlicher? Man wird sehen.

Unklar ist auch, wie lange der Impfschutz anhält. Fünf Jahre gelten heute als gesichert, aber was geschieht nach 10 oder 15 Jahren? Werden die als junge Mädchen Geimpften dann brav zur Auffrischung gehen? Und was geschieht, wenn eine 30- oder 40-Jährige infiziert wird? Wird ihr Immunsystem ebenso gut mit dem Virus fertig wie das einer viel jüngeren Frau? Und werden geimpfte Frauen künftig regelmäßig zur Früherkennung gehen? Oder sich eher in (falscher) Sicherheit wiegen und damit riskieren, dass ein Gebärmutterhalskrebs zu spät erkannt wird?

Auch das weiß man noch nicht. Bekannt ist hingegen der Preis für den neuen Impfstoff: Rund 465 Euro kostet die Grundimmunisierung. Etwa 350.000 bis 400.000 Mädchen wachsen Jahr für Jahr in die Zielgruppe hinein. Macht einen möglichen Umsatz von bis zu 180 Millionen Euro pro Jahr, allein in Deutschland. Kein Wunder, dass die Hersteller in teure Kampagnen investieren. Ansonsten tun sie wenig dafür, den Verdacht der Profitgier auszuräumen: In den USA, wo viele Gesundheitsleistungen selbst bezahlt werden müssen, kostet die Grundimmunisierung rund 275 Euro. In Deutschland fast das Doppelte.

Und auch die Krankenversicherungen haben sich offenbar wenig bemüht, einen günstigeren Preis auszuhandeln. Zum Vergleich: Einen vaginalen Ultraschall zur Früherkennung von Eierstockkrebs (ab 30 Euro) zahlen die Kassen nicht. Rund 6000 Frauen sterben jedes Jahr in Deutschland an Eierstockkrebs. Viele von ihnen, weil die Krankheit nicht rechtzeitig erkannt wurde.

Aufklärung statt Werbespots und Popsongs

Wie gesagt: Es ist gut, dass an einem Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs geforscht wird. Arzneimittelforschung jedoch sollte dort stattfinden, wo sie in unserem Gesundheitssystem hingehört: in Studien und nicht in der freien Vermarktung. Genau das fordert der "Arbeitskreis Frauengesundheit", ein bundesweiter Zusammenschluss von Gynäkologinnen und anderen Fachfrauen, für den Umgang mit der HPV-Impfung. Dann nämlich würden Mütter und Töchter nicht mehr mit Werbespots und Popsongs zum Impftermin gelockt, sondern ausführlich darüber aufgeklärt, dass Nutzen und Risiken der Impfung noch nicht vollständig erforscht sind.

Wieder einmal müssen Frauen also allein entscheiden. Oder noch besser: gemeinsam, im Gespräch zwischen Mutter und Tochter. Noch gibt ebenso gute Gründe für die Impfung wie dagegen. Und die Folgen dieser Entscheidung haben sie schließlich selbst zu tragen - ein Leben lang.

Text: Irene Stratenwerth Foto: Getty Images

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