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Hexenschuss-Notruf Wenn der Rücken schmerzt, hilft diese Telefonnummer

Frau sitzt auf Bett und hält sich den Rücken.
© dragonstock / Adobe Stock
Wer im unteren Rücken schon mal Besuch von einer Hexe hatte, ist für jeden aufrichtenden Hinweis dankbar. Ein Anruf bei Deutschlands wohl einzigem Hexenschuss-Notruf.

Eine falsche Bewegung, aber es passiert auch aus dem Nichts: Jederzeit kann der Schmerz in den Rücken oder den Nacken schießen, und dann tut es unfassbar weh. Während man noch dabei ist zu begreifen, was hier gerade passiert ist, dämmert einem, wie sehr man jetzt auf Hilfe angewiesen ist. Bernhard Schwarz, ausgebildeter Rettungssanitäter, Heilpraktiker und Personal Trainer, bietet sie an.

BRIGITTE WOMAN: Herr Schwarz, wie kam es zu Ihrem Hexenschuss-Notruf?

BERNHARD SCHWARZ: Dabei spielt ein Wäschekorb eine Rolle. An einem Morgen im Juni 2017 hob ich ihn hoch, und mir fuhr der Schmerz in den Rücken. Hexenschuss. Ich war damals bereits seit einigen Jahren Fitnesstrainer. Also bin ich ins Studio gefahren, um mich zu dehnen und zu mobilisieren … und musste dabei niesen. Danach war es tausendmal schlimmer: Ich konnte kaum atmen, so weh tat es. Allein habe ich es nicht mehr nach Hause geschafft, dann dauerte es zwei Wochen, bis ich wiederhergestellt war. Aus dieser Erfahrung ist der Wunsch entstanden, etwas zu verändern. Denn es ist ja so: Wenn es Sie wirklich erwischt, können Sie nur hoffen, dass jemand bei Ihnen ist, der Sie ein bisschen versorgt. Sie sind ja hilflos ohne Ende. Dabei kann man mit der richtigen Behandlung die Situation der Betroffenen oft schnell sehr deutlich verbessern. Darum habe ich diesen Notdienst gegründet, für die schlimmen Fälle, bei denen gar nichts mehr geht.

Obwohl Sie weder Orthopäde noch Physiotherapeut sind.

Die sind sicherlich am besten ausgebildet. Aber der Hexenschuss ist anscheinend kein spannendes Beschwerdebild oder Themenfeld für sie. Und sie würden wohl auch nicht am Sonntag zum Patienten fahren. Wenn man beim Orthopäden oder in der Physiotherapie-Praxis anruft und sagt, ich brauche ganz dringend einen Termin, bekommt man den oft erst in Wochen.

Wie war denn Ihr Ausbildungsweg?

Als Personal Trainer habe ich mich auf Reha und Prävention spezialisiert und verschiedene Ausbildungen in der manuellen Schmerztherapie gemacht. Später kam der Rettungssanitäter dazu, ich fahre immer noch im Schnitt eine Schicht pro Woche. Die Zulassung als Heilpraktiker brauchte ich dann, um dem Hexenschuss-Notruf einen rechtlichen Rahmen zu geben. Denn ohne Zulassung dürfte ich gar nicht selbstständig behandeln.

Und Sie kommen wirklich auch am Sonntag nach dem Frühstück?

Ja, ich biete Termine grundsätzlich von Montag bis Sonntag an, von 10 bis 20 Uhr. Aber es kommt auch mal vor, dass ich um 6:30 Uhr schon im Einsatz bin oder noch nachts um halb eins. Also wenn es nicht anders geht, der Patient mich unbedingt braucht und ich das auch noch machen kann von meiner Leistungsfähigkeit her, dann versuche ich das möglich zu machen.

Die Hilfe, die unser Gesundheitssystem außerhalb der Öffnungszeiten von Praxen vorsieht, ist der kassenärztliche Notdienst.

Der ist von der Sache her eine super Institution. Aber wenn Sie in acht Stunden Schicht zwölf Patienten behandeln oder 15, dann können Sie sich vorstellen, wie schnell das gehen muss. Wenn der Arzt nur reinschneit und ein Schmerzmittelrezept dalässt oder eine Spritze gibt, die womöglich nicht hilft, ist das unbefriedigend. Und manch einer hat zwei Stunden in der Warteschleife zugebracht und erst dann bei mir angerufen.

Was passiert bei einem Hexenschuss genau?

Vereinfacht gesagt ist das meist eine Verkrampfung von Muskulatur, eine muskuläre Dysbalance, oft im Lendenbereich, seltener im Nacken oder der Brustwirbelsäule. Es gibt auf der einen Seite diese akuten, aus dem Nichts einschießenden Schmerzen. Es gibt aber auch die Situation, dass es über Tage oder Wochen zunehmend wehtut, die Beweglichkeit nach und nach eingeschränkt ist, und dann schießt akut Schmerz ein, etwa wenn Sie eine Beuge- oder Drehbewegung machen. Hinter den typischen Hexenschuss-Symptomen können aber auch internistische Erkrankungen oder Verletzungen wie ein Bandscheibenvorfall stehen. Da hilft mir dann meine Erfahrung aus dem Rettungsdienst, solche Fälle zu erkennen.

Können Sie das nicht im telefonischen Vorgespräch abklären?

Nicht zu 100 Prozent, auch wenn ich versuche, schon vorab ein möglichst genaues Bild zu gewinnen. Meine erste Frage ist immer, ob Atemnot oder Brustschmerzen bestehen. Dann ist eine Abklärung durch den Notarzt oder Rettungsdienst unerlässlich. Dann frage ich, wie es zu den Schmerzen kam und ob Lähmungserscheinungen, Inkontinenz oder zum Beispiel ein Kribbeln der Oberschenkel bestehen – all das deutet auf schwerwiegendere Ursachen hin, dann kann ich nicht helfen und fahre gar nicht erst los. Bei den ungefähr 1000 Menschen, die ich bisher behandelt habe, gab es dennoch zwei, bei denen ich erst vor Ort erkannt habe: Hier bin ich der Falsche, diese Person braucht sofort ärztliche Hilfe. Und es ist auch immer wieder vorgekommen, dass meine Behandlung nicht oder nur ganz kurzfristig geholfen hat. Dann ist klar, dass die verkrampften Muskeln nicht das größte Problem sind, sondern wahrscheinlich die Bandscheiben. Dann weiß der Patient definitiv, dass er eine weiterführende Therapie und eventuell eine bildgebende Diagnostik braucht.

Und wie behandeln Sie die verkrampften Muskeln?

Erst mit meinen Händen und Ellenbogen: Ich versuche, die Verhärtungen, die ich spüre, mit vorsichtigem Druck an den richtigen Stellen zu lösen. Das allein kann mehr als eine Stunde dauern. Danach klebe ich für gewöhnlich Tapes auf – im gedehnten Zustand, sodass sie sich auf der Haut wieder etwas zusammenziehen und dabei die verkrampften Strukturen etwas lockern, was deren Durchblutung verbessert. Außerdem geben die Tapes eine gewisse Stabilität. Man fühlt sich damit sicherer und will sich auch wieder mehr bewegen. Und das wiederum fördert natürlich die Linderung der Schmerzen, die Heilung und den Abbau von Entzündungen oder entzündungsähnlichen Prozessen, die durch die Verkrampfung entstehen können. Das Ziel meiner Behandlung ist, dass der Körper wieder ein Gleichgewicht herstellen und die Muskulatur wieder so arbeiten kann, wie sie auch soll. Schmerzmittel gebe ich gar nicht.

Sie sitzen in München, sind aber dabei, den Notruf mit Therapeuten, die nach Ihrem Konzept arbeiten, auszubauen. Welche Städte werden als Nächstes versorgt?

Das werden Frankfurt und Berlin sein. Von dort bekomme ich die meisten Anrufe, nach München und Umgebung natürlich.

Am besten bekommt man den Hexenschuss erst gar nicht. Ist es wie bei anderen Rückenschmerzen auch, dass das ganze Übel überwiegend mit schwachen Muskeln zu tun hat?

Das ist ein Faktor, ja, aber ich sehe solche Schmerzereignisse eher als die Spitze eines Eisbergs. Unter der Wasseroberfläche ist nicht nur die schwache Muskulatur. Vor allem ein schiefes Iliosakralgelenk scheint mir eine Rolle zu spielen. Es befindet sich hinten im Becken und überträgt die Kräfte, die von der Wirbelsäule kommen, auf die Beine. Aber da gehen die Meinungen auseinander. Ein wichtiger Faktor sind definitiv vorangegangene Stöße, Schläge, Unfälle oder auch wiederkehrende ungünstige Belastungen im Alltag. Also alles, was die Muskulatur und eben dieses Gelenk aus der Balance bringen kann. Das ist dann quasi eine Einladung für einen Hexenschuss. Dazu gehören natürlich auch alle nicht vollständig ausgeheilten Verletzungen des Bewegungsapparats. Darum ist meiner Erfahrung nach die beste Vorbeugung, sich wirklich zu schonen, wenn man sich eine Verletzung zugezogen hat und mit Physiotherapie die beeinträchtigte Muskulatur und die umliegenden Strukturen wieder ganz langsam aufzubauen.

Brigitte

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