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Herzmuskelentzündung Fragen und Antworten rund um eine Myokarditis

Herzmuskelentzündung: Mann fasst sich ans Herz
© Anciens / Adobe Stock
Ob als Folge einer Infektion oder Risiko einer Impfung – seit der Pandemie ist immer öfter von Herzmuskelentzündungen die Rede. Wir klären die wichtigsten Fragen.

Meike Engelsing hört diesen Satz mittlerweile mehrmals täglich: "Ich hatte einen Virusinfekt und habe jetzt Sorge, dass der auch aufs Herz gegangen ist." Die Kardiologin kann dann beruhigen, Herzmuskelentzündungen sind generell selten. Von den rund 50 000 Patientinnen und Patienten, die sie und ihre Berliner Schwerpunktpraxisgemeinschaft Kardios in den vergangenen zwei Jahren aufgesucht haben, hatten nur zehn bis 20 eine Herzmuskelentzündung. Da diese aber in seltenen Fällen zu Komplikationen führen kann, sollte man über sie trotzdem einige Dinge wissen.

Wie entsteht überhaupt eine Herzmuskelentzündung?

Der Kern der Erkrankung, medizinisch Myokarditis genannt, sind entzündliche Prozesse in den Herzmuskelzellen. Für diese sind Männer generell etwas anfälliger als Frauen; das Verhältnis beträgt großen Studien zufolge etwa eins zu 1,5. Ursache sind verschiedene Erreger, die direkt auf das Herzmuskelgewebe übergreifen – in unseren Breiten vor allem von Atemwegsinfekten, also Erkältungs-, Grippe- oder eben Corona-Viren. Weitaus seltener führt die Immunantwort nach Kontakt mit einem Virus dazu, dass der Körper Antikörper gegen die Herzmuskelzellen selbst bildet. Diese Überreaktion ist genetisch bedingt. Als dritte Ursache können toxische Substanzen wie Alkohol, Medikamente wie bestimmte Chemotherapien, Drogen und radioaktive Strahlen die Herzmuskelzellen angreifen.

Kann eine Corona-Impfung der Auslöser sein?

Eine Impfung mit einem der mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna verursacht sehr selten eine Herzmuskelentzündung – Studien sprechen von zwei Fällen pro 100 000 Impfungen. Hier sind eher junge Männer betroffen, vermutlich weil ihr Immunsystem besonders aktiv ist. Die Erkrankung verläuft dann in der Regel mild und heilt von allein und ohne Folgeschäden aus. Viel häufiger tritt eine Herzmuskelentzündung als Komplikation einer Corona-Infektion selbst auf – das Risiko liegt um mehr als das Vierfache über dem nach der Impfung. Außerdem besteht nach einer Infektion ein höheres Risiko für einen schweren Verlauf der Myokarditis.

Wie gefährlich ist die Erkrankung?

Schaukelt sie sich auf, können im schlimms-ten Fall Herzmuskelzellen absterben. Das Muskelgewebe wird dann durch minderwertiges, funktionsloses Bindegewebe ersetzt. Das Ausmaß des Schadens be-stimmt die Langzeitbeschwerden, etwa eine Schwäche oder Rhythmusstörungen des Herzens. Äußerst selten führt eine akute Herzmuskelentzündung zum plötzlichen Herztod; solche Fälle gibt es auch im Leistungssport, wiederum vor allem bei jungen Männern, wenn zu früh auf Hochleistungsniveau trainiert und das Herz so überfordert wird.

Wie äußert sich eine Herzmuskelentzündung?

Atemnot, Herzrasen und -stolpern, vor allem bei Anstrengung, können Hinweise sein. "In vielen Fällen verläuft die Herzmuskelerkrankung aber so uncharakteristisch, dass die Menschen sie eher als Folge der durchgemachten Infektion und nicht als Herzbeschwerden wahrnehmen", sagt Meike Engelsing. Wichtig: Schmerzen in der Brust im Verlaufe eines Atemwegsinfektes rühren in der Regel nicht vom Herzen her, sondern weil das Brustfell mit entzündet ist, das die Lungen umgibt.

Wann sollte man zur Ärztin oder zum Arzt?

Wenn der Infekt abgeklungen ist, aber Beschwerden wie Luftnot und körperliche Schwäche nicht weggehen, könnte das am Herzen liegen. Doch auch dann rät Meike Engelsing zur Besonnenheit. "Ich frage dann, ob die Person Treppen steigen kann, es ohne Pause in den dritten Stock schafft, ohne Beschwerden zum Sport geht." Wer das bejaht, hat in der Regel keine Herzmuskelentzündung. Wer sich trotzdem sorgt, kann Hausarzt oder -ärztin aufsuchen. Sie machen ein EKG und bestimmen Entzündungswerte, Parameter für eine Herzschwäche und die Herzmuskelenzyme. "Damit lässt sich einschätzen, ob die Beschwerden normal sind oder ob man sich sorgen muss und noch jemand vom Fach aufs Herz schauen sollte", so die Kardiologin. 

Wie sieht die Behandlung aus?

In den meisten Fällen verläuft eine Herzmuskelentzündung unauffällig und bedarf keiner weiteren Behandlung. Oft würde sie gar nicht diagnostiziert, sagt Engelsing. "Es gibt lediglich eine kurze Entzündungsreaktion, die wieder ausheilt und bei der das Herz keinerlei Schaden nimmt." Nur etwa zehn Prozent der Betroffenen haben eine stärkere Herzbeteiligung, die man etwa durch hohe Herz-enzyme im Labor erkennt. Hier heißt es geduldig sein und sich körperlich schonen, um das Herz nicht zu überlasten, bis die Entzündung, meist nach etwa sechs Wochen, abgeklungen ist. Mit Sport sollte allerdings auch dann noch sechs Monate pausiert werden, so die Deutsche Herzstiftung. Nur selten führt die Erkrankung zu Komplikationen. Die Herzmuskelzellen können dann so sehr geschädigt sein, dass sich die Herzkammern vergrößern und das Herz nicht mehr gut pumpt. Dann kommen Medikamente wie ACE-Hemmer, Betablocker und Mittel zum Entwässern zum Einsatz. Mitunter muss ein Defibrillator vorübergehend oder auch dauerhaft den Herzschlag überwachen. Auch eine kleine Pumpe, die das Herz unterstützt, wurde in einigen Fällen schon für eine Weile eingesetzt, bis das Organ selbst wieder leistungsfähig genug ist. 

Kann man vorbeugen?

Ja, indem man sich während und nach einem Infekt schont und dem Körper Zeit gibt, mit dem Erreger fertigzuwerden und sich zu erholen. Mit Sport und allgemein körperlicher Anstrengung sollte man so lange aussetzen, bis man sich wieder fit und leistungsfähig fühlt.

Brigitte

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