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Geburts-Erfahrungen: "Das hat mir keiner gesagt"

Frau auf Toilette mit heruntergelassenem Höschen
© LarsZ / Shutterstock
Drei Frauen berichten von ihren körperlichen Problemen bei der Geburt und nach der Schwangerschaft und erzählen, wie sie damit fertig werden.

"Fast vier Stunden mitgepresst - das war wohl ein Fehler"

Marlene* (33), 1 Sohn (6 Monate): "Den Beckenbodenmuskel kenne ich ganz genau. Weil ich immer viel Yoga gemacht habe - auch während der Schwangerschaft. Und weil ich gelernte Physiotherapeutin bin. Früher habe ich sogar mit Frauen nach der Entbindung trainiert, um den Muskel wieder zu aktivieren.

Dass mein eigener Beckenboden mal zum Problem werden könnte - damit hätte ich nicht gerechnet, selbst nach der Geburt von Lukas nicht. Mein Muttermund hatte sich sofort geöffnet, alles ging zügig voran. Irgendwann sagte die Hebamme: "Sie können jetzt pressen." Aber nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl, dass ich den Kleinen da einfach nicht durchbekomme. Nach dreieinhalb Stunden Presswehen machte die Ärztin einen Dammschnitt und mit der nächsten Wehe war Lukas da.

Gleich im Wochenbett habe ich ein wenig mit meinem Beckenboden gearbeitet. Ich hatte keine Probleme, alles lief super - bis zu meinem "schwarzen Freitag" sechs Wochen nach der Geburt. Es war ein stressiger Tag, ich wollte viel erledigen. Auf einmal habe ich mir komplett in die Hose gemacht. Ich hatte null Kontrolle über meine Blase.

Als mir das wenige Stunden später noch mal passiert ist, war ich richtig geschockt. Ich habe heulend meinen Freund angerufen, dass er sofort nach Hause kommen müsse und ich sofort ins Krankenhaus wolle. Dort hat mich ein Arzt untersucht und festgestellt, dass ich meinen Beckenboden kaum bewusst anspannen kann. Vermutlich hat ein Nerv durch die lange Presswehenphase zu viel Druck bekommen. Ich sollte den Muskel ab sofort 100-mal am Tag trainieren.

Mein Trick seitdem: Beim Lesen halte ich die Spannung immer genauso lange, wie der Satz gerade ist. Dann lasse ich wieder locker. Ein Malheur ist mir seitdem nicht wieder passiert. Eine zweite natürliche Geburt würde meinen Beckenboden aber wohl zu sehr belasten."

(* Name geändert)

"Trainierte Beckenbodenmuskeln haben mir die Geburt schwer gemacht"

Britta (37), zwei Kinder (3 Jahre und 2 Monate): Eigentlich hatte ich das, wovon viele Frauen träumen: einen gut trainierten Körper. Sport gehörte immer schon zu meinem Leben - Workout im Winter, Surfen im Sommer. Außerdem reite ich seit meiner Schulzeit. Bis zur Geburt meiner Tochter vor drei Jahre hatte ich jedenfalls noch genug Zeit dafür. Gerade beim Reiten arbeitet man viel mit Körperspannung in Oberschenkeln, Becken und Bauch.

Während meiner ersten Schwangerschaft habe ich mein Sportprogramm auch lange weiter durchgezogen, mich fit und straff gefühlt. In allen Ratgebern steht ja, dass man Sportarten, die der Körper kennt, ohne Bedenken weiter ausüben kann. Jedenfalls solange es keine Probleme gibt. Und dass man schon während der Schwangerschaft seinen Beckenbodenmuskel trainieren soll. Das habe ich auch fleißig gemacht.

Was ich nicht wusste - und was in jedem Buch verschwiegen wird: Ein fester Beckenbodenmuskel kann eine Geburt ganz schön hinauszögern. Trotz starker Wehen und einem geöffneten Muttermund kam Pia nicht weiter voran. Sie steckte richtig fest. Das hat mich viel Kraft und Schmerzen gekostet.

Erst Tage später hat mir eine Ärztin im Krankenhaus gesagt, dass es während der Schwangerschaft viel wichtiger ist, das Loslassen und Öffnen des Beckenbodens zu üben. Anspannen und Festhalten sind erst zur Rückbildung wieder dran. Denn während der Geburt wird das Köpfchen des Babys so stark gegen den Beckenboden gepresst, bis er nachgibt. Muskel- und Bindegewebe müssen sich weit auseinander dehnen, damit das Kind hindurch treten kann. Bei einem gut trainierten Muskel ist das schwieriger.

"Sex und Radfahren tun immer noch weh"

Sandra (35), 1 Sohn (2): "Obwohl ich mir während der Schwangerschaft Sorgen um alles Mögliche gemacht habe, hatte ich vor der Geburt überhaupt keine Angst. In der 37. Woche wusste ich eines Morgens: Jetzt geht es los. Wehen alle sieben Minuten. Ich war ganz ruhig, duschte noch ausgiebig und fuhr mit meinem Mann ins Krankenhaus.

Eine Hebamme untersuchte und bestärkte mich gleich. "Super, der Muttermund ist schon vier Zentimeter weit geöffnet. Da haben Sie die Hälfte ja schon fast geschafft." Große Erleichterung. Doch dann wurde ich ans CTG-Gerät (Herzton-Wehenschreiber) angeschlossen: Finn hatte unregelmäßige Herztöne, dazwischen sogar richtige Aussetzer.

Ich bekam einen Tropf mit Wehenblocker, der nach einiger Zeit gegen einen zum Wehen-Anregen ausgetauscht wurde. So ging es ungefähr zehn Stunden lang, da Finns Herztöne immer wieder aussetzten. Wehen runterfahren, Wehen wieder anregen. Mittlerweile kamen sie im Minutentakt, doch der Muttermund öffnete sich trotzdem nicht richtig.

Obwohl es sich anfühlte, als ob mein Unterleib zerreißen wollte, gab ich keinen Mucks von mir. Du musst alles ganz ruhig angehen, dachte ich. Die werden schon wissen, was sie machen. Als Finns Herztöne gegen 21 Uhr in immer kürzeren Abständen aussetzten, fragte ich mich aber doch, ob ein Kaiserschnitt nicht besser wäre. Doch mein Mund war wie zugenäht.

Die Ärzte beschlossen dann, eine PDA (Rückenmarkspritze) zu legen, die sollte die Schmerzen betäuben und den Muttermund zusätzlich erweichen. Die Anästhesistin war noch bei der Arbeit, als sich das Zimmer innerhalb von Sekunden mit Menschen füllte: Chefarzt, Kinderintensivarzt, Hebammen ... "Wir müssen ihren Sohn jetzt holen, und zwar mit der Zange", sagte der Chefarzt ganz ruhig.

Als er mit dem Gerät in mich hineingriff, gab ich das erste Mal einen Laut von mir. Ein leises "Aua, jetzt kann ich nicht mehr", wie mir mein Mann später erzählte. Als Finn rauskam, war er ganz blau, weil er die Nabelschnur um den Hals hatte. Zwei Stunden lang hat mich der Chefarzt dann noch zusammengenäht. Ich war zu kaputt, um irgendetwas zu fragen.

Die ganze Wahrheit habe ich dann am nächsten Tag erfahren: Finns Herztöne hatten plötzlich so dramatisch ausgesetzt, dass er sofort geholt werden musste. Der Chefarzt war mit der Zange abgerutscht und ich war gerissen bis über den Po hinaus: Dammriss vierten Grades nennt man das. "Achten Sie darauf, dass der Stuhlgang auf der richtigen Seite rauskommt", sagte der Chefarzt. Da wurde mir langsam bewusst, was eigentlich passiert war. "Wir werden nie wieder Sex haben", schoss es mir durch den Kopf.

Die nächsten Monate habe ich als dunkle Masse in Erinnerung. Ich konnte nicht sitzen, nicht stehen, nur unter Schmerzen auf Toilette gehen. Erst seit Finns erstem Geburtstag habe ich das Gefühl, dass es aufwärts geht. An Sex haben wir uns nach anderthalb Jahren wieder rangetraut. Es ist bis heute schmerzhaft. Genauso wie Fahrradfahren.

Eine weitere natürliche Geburt kommt für mich nicht in Frage. Und auch bei Finn hätte ich irgendwann am Abend einfordern sollen: "Schluss jetzt, ich will einen Kaiserschnitt." Und ordentlich schreien. Weil ich so ruhig war, haben wahrscheinlich alle gedacht, das packt sie schon noch."

Text: Bettina Laude Foto: Getty Images

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