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Gebärmutterentfernung: Oft überflüssig und folgenschwer

Gebärmutterentfernung: Oft überflüssig und folgenschwer
© Corbis
Wenn der Arzt zur Gebärmutterentfernung rät, lohnt es sich, kritisch nachzufragen. Viele der 150.000 Operationen pro Jahr sind überflüssig - und die Folgen können gravierend sein.

Eine große gutartige Geschwulst, ein Myom, war so sehr an der Gebärmutterwand festgewachsen, dass es keine andere Lösung zu geben schien. Die Ärzte waren sich einig: Das Ding muss raus - Gebärmutterentfernung. Die Wiesbadenerin Petra Kakmaci haderte mit sich; denn eigentlich fühlte sie sich gut, fit und jugendlich, 50 war sie gerade geworden, und von den Anzeichen der Wechseljahre spürte sie nichts. Auch die Geschwulst bereitete keine Beschwerden. Doch die Ärzte warnten, dass ihr nur eine noch größere Operation bevorstehe, wenn das Myom so weiterwachse. Am Ende willigte sie ein.

Es ist immer wieder dieselbe Geschichte. "Der Arzt hat einfach über mich entschieden", titelte BRIGITTE 1992, vor fast 20 Jahren, und kritisierte, dass 80 Prozent der Operationen zur Gebärmutterentfernung überflüssig seien. Damals war von 146.000 Operationen pro Jahr die Rede. Heute vermeldet das Göttinger AQUA-Institut: 144.000 Gebärmutterentfernungen im Jahr 2009, hinzu kommen die statistisch bisher nicht erfassten ambulanten Operationen, wahrscheinlich sind das einige Tausend. Der einzige Unterschied zu 1992: Heute beziehen sich die Zahlen auf eine um fünf Bundesländer gewachsene Bevölkerung.

Petra Kakmaci war nach zwei Tagen im Krankenhaus wieder zu Hause. Die Gebärmutterentfernung verlief ohne Komplikationen, die Narbe sah gut aus, doch nach vier Wochen dachte sie: "Jetzt müsste ich mal wieder auf die Beine kommen." Stattdessen fühlte sie sich immer schlechter, sie litt unter Schwindel, Müdigkeit, ständigem Schwitzen, ihre Hormone spielten verrückt. Plötzlich war nichts mehr wie vorher. Auch psychisch ging es ihr schlecht. "Für mich gehörte die Periode zur Weiblichkeit dazu, es war ein schönes Gefühl, noch fruchtbar zu sein. Auch wenn man weiß, irgendwann ist man eben alt, war mir diese Umstellung viel zu abrupt."

Könnte sie noch einmal entscheiden, sagt Petra Kakmaci heute, zwei Jahre später, würde sie der Gebärmutterentfernung nicht mehr zustimmen. Sie weiß jetzt, dass es andere Methoden gegeben hätte, ihr Myom zu behandeln, "mir hat das aber damals kein Arzt gesagt". Diese Erfahrung machen viele Frauen: In einer Studie der Berliner Charité gaben über 80 Prozent von 544 Myom-Patientinnen an, dass sie sich eine organerhaltende Behandlung wünschen. 38 Prozent berichteten, dass sie vom Arzt keine Informationen über nichtoperative Alternativen zur Gebärmutterentfernung bekommen hätten.

Glaubt man den Experten, wird heute allerdings längst nicht mehr so bedenkenlos operiert wie vor 20 Jahren. "Die ältere Generation der Gynäkologen war viel radikaler mit diesem Eingriff", sagt etwa Professor Christof Sohn, Direktor der Frauenklinik an der Universität Heidelberg, "inzwischen hat ein Umdenken stattgefunden." Das kann aber nur für die Universitätskliniken zutreffen, denn die Zahlen belegen diese Trendwende nicht. Und so findet sich im Internet auch eine Klinik-Homepage, die mit einer ästhetisch anzusehenden Filmsequenz, unterlegt mit sanfter Musik, regelrecht für Gebärmutterentfernung wirbt.

"Die Gebärmutterentfernung ist eine Lifestyle-OP geworden. Ihre Folgen werden dabei oft unterschätzt", kritisiert Dr. Barbara Ehret. Die Gynäkologin und BRIGITTE-Buchautorin leitete jahrzehntelang eine gynäkologische Rehabilitations-Klinik und stand mit ihrer Kritik an der Operationswut ihrer Kollegen in den achtziger Jahren allein auf weiter Flur. Heute bietet sie eine Zweitmeinungs-Sprechstunde für Frauen an, die vor der Entscheidung für eine gynäkologische Operation stehen.

Gebärmutter-Entfernung als Lifestyle-OP?

Einen medizinisch zwingenden Grund für eine Gebärmutterentfernung gibt es nämlich nur bei einem kleinen Teil der Fälle: In weniger als 20 Prozent der Hysterektomien bildet ein bösartiger Befund den Grund für die Operation (zu der es bei Krebs keine vertretbare Alternative gibt). Zu 60 Prozent geben Myome die Indikation, ein Viertel der Hysterektomien findet wegen sehr starker Menstruationsblutungen oder Regelschmerzenstatt, gegen die es auch andere Therapien gibt. "Hysterektomien sind zunehmend unnötig", erklärt deshalb auch Dr. Christian Albring, Präsident der Berufsverbandes der Frauenärzte.

Wie häufig die Gebärmutterentfernung wirklich notwendig ist und Sinn macht, ist allerdings nicht nur unter Ärzten umstritten, sondern auch unter betroffenen Frauen. In Internetforen - auch hier bei BRIGITTE. de - wird darüber so vehement diskutiert wie über kaum ein anderes gynäkologisches Thema.

Denn es gibt auch Fälle wie den von Rotraut Wiese*: Ihr wurde vor einem Vierteljahrhundert mit knapp 40 Jahren die Gebärmutter entfernt - wegen eines großen Myoms. Eigentlich hatte sie überlegt, noch ein Kind zu bekommen, aber das sei mit der Geschwulst nicht mehr möglich, wurde ihr vom Frauenarzt beschieden. Sie nahm es hin, "weil damals den meisten Frauen im Bekanntenkreis schon die Gebärmutter entfernt worden war". Ein halbes Jahr brauchte sie, um sich körperlich von dem Eingriff zu erholen, doch dann änderte sich für sie alles zum Guten. "Ich habe mich gesundheitlich viel stabiler gefühlt. Und ich war endlich die Verhütung los, die Pille, die ich nie vertragen habe." Nachwirkungen spürte sie nicht. Bis heute, sagt sie, habe ihr der Unterleib keine Beschwerden bereitet.

Endlich frei von Schmerzen?

In den siebziger und achtziger Jahren galt der Uterus nach erfülltem Kinderwunsch als überflüssig, als lästiger Hohlmuskel, der unerwünschte Schwangerschaften produziert, schmerzhafte Regelblutungen und Krebs. Manche Ärzte feierten seine Entfernung als Befreiung für die Frau. Selbsthilfegruppen und Psychologinnen prangerten diese Zustände an.

Seitdem hat sich vieles verändert: Neue, sanftere Behandlungsalternativen unter anderem gegen Myome haben sich etabliert. Und bei der Entfernung der Gebärmutter setzte sich eine neue Operationstechnik durch: Während es jahrzehntelang üblich war, den Uterus per Bauchschnitt oder durch die Scheide zu entfernen, gilt nun die Bauchspiegelung, die Laparoskopie, als überlegen. Durch drei kleine Schnitte werden Instrumente und Kameras in den Bauch eingeführt. Die Gebärmutter wird, oft in Stücken, herausgeholt.

Es ist genau diese Technik, so glaubt Barbara Ehret, die aber aufs Neue zur Verharmlosung des Eingriffes beigetragen hat. Aus manchen Tageskliniken gehen Frauen schon wenige Stunden nach der ambulanten Operation wieder nach Hause - mit Schmerzmitteln und der Telefonnummer des Arztes in der Tasche. Doch die Risiken sind nach wie vor erheblich: Das Institut für Qualitätsförderung AQUA nennt eine durchschnittliche Komplikationsrate von 6,5 Prozent während und nach der Operation. Darunter sind vor allem Blasenverletzungen und Harnwegsinfekte.

An der Universität Erlangen wurden kürzlich OP-Daten von 1600 Patientinnen verglichen: Während einer Bauchspiegelung kam es, so zeigt die Studie, etwa ebenso oft zu Komplikationen wie während eines Bauchschnitts, nämlich in ein bis zwei Prozent der Fälle. Nach der Operation lag die Komplikationsrate beim Bauchschnitt bei fast neun Prozent, bei der Bauchspiegelung zwischen drei und vier.

Entscheidend für das Gelingen des Eingriffs ist vor allem die Erfahrung des Operateurs, der bei einer Bauchspiegelung seine eigene Arbeit nur über eine Kamera beobachten kann. "Bis zum 100. Eingriff gibt es eine Lernkurve", sagt Dr. Claus Peter Moeller, Gynäkologe an einer Hamburger Tagesklinik. Er schätzt, dass Anfängern allerdings nur bis zum 20. Eingriff ein erfahrener Operateur assistiert. Barbara Ehret geht gar davon aus, dass es bei bis zu 50 Prozent der Laparoskopien während der "Übungsphase" des Operateurs zu Komplikationen kommt.

Kleine Schnitte mit großen Folgen

Doch auch wenn alles gutgeht und die äußeren Narben klein sind - viele Patientinnen leiden nach der Operation noch lange unter Schwäche, Müdigkeit und Schmerzen. "Es gibt keine harmlose Operationsmethode", sagt Petra Bentz vom Frauengesundheitszentrum in Berlin. Manche Nachwirkungen treten erst später auf. Eine Studie des schwedischen Karolinska-Institutes wies nach, dass Frauen nach einer Hysterektomie mehr als doppelt so häufig wegen Stressinkontinenz und Senkungsbeschwerden operiert werden wie Frauen, die ihre Gebärmutter noch haben. Immer häufiger empfehlen Ärzte deshalb heute, den Gebärmutterhals bei der OP zu erhalten. Man verspricht sich davon mehr Stabilität für den Beckenboden, der Nachweis dafür steht allerdings noch aus.

Wie der veränderte Körper reagieren wird, lässt sich im Einzelfall schwer vorhersagen. "Manche Frauen spüren überhaupt keinen hormonellen Unterschied, andere sind von einem Tag zum anderen in den Wechseljahren", sagt die Gynäkologin Ehret. Denn bei dem Eingriff wird eine wichtige Blutversorgung zu den hormonbildenden Eierstöcken gekappt. Meistens können die Eierstöcke diesen Verlust kompensieren. Gelingt das nicht, hat das Folgen: 2009 zeigte eine amerikanische Studie, dass das plötzliche Fehlen der Eierstöcke bei Frauen mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle und Herzkrankheiten einhergeht.

Manche Frauen haben nach dem Eingriff besseren Sex, andere klagen über ein plötzlich schwächeres Empfinden. "Viele Studien weisen auf mehr Zufriedenheit hin. Dabei überwiegt das Positive umso mehr, je größer vorher die Beschwerden waren, wie etwa Dauerblutungen oder Schmerzen", sagt die Hamburger Frauenärztin Dr. Anneliese Schwenkhagen. An der Universität Erlangen wurden 485 Patientinnen befragt, ob sich ihre Sexualität durch die Gebärmutterentfernung verändert habe. Die meisten antworteten mit Nein, immerhin 13 Prozent jedoch mit Ja.

Immer hängt es auch von ihrer Lebenssituation ab, wie eine Frau sich mit dem Eingriff fühlt. "Psychisch stabile Frauen mit großem Leidensdruck, die sich selbst für die Hysterektomie entschieden haben, haben am wenigsten Probleme damit", erklärt die Hamburger Psychotherapeutin Almut Dorn, die sich auf gynäkologische Psychosomatik spezialisiert hat.

Die Entscheidung für eine Gebärmutterentfernung bleibt also für jede einzelne Frau auch ein Wagnis. Warum wird trotzdem noch so viel operiert? Zum einen trifft sich der Aktionismus der Ärzte mit der Ungeduld mancher Patientinnen: Die Operation gilt als schnelle, "saubere" Lösung, während andere Wege mehr Geduld verlangen.

Zum anderen haben Mediziner und Krankenhäuser handfeste ökonomische Interessen: Denn die Operationen bringen berechenbare "Fallpauschalen" in die Kassen ein - und außerdem Ausbildungsmöglichkeiten für angehende Fachärzte. Für den Operateur ist der Fall meist schon Stunden oder Tage nach dem Eingriff abgeschlossen, für seine Patientin aber auch dann nicht, wenn alles gutgegangen ist. "Wie groß der Eingriff ist, zeigt ja auch, dass man erst nach einem halben Jahr wieder schwimmen und radfahren darf", bestätigt Iris Demrich*, 45, die im letzten Sommer operiert wurde, "man ist keinesfalls schnell wieder fit. Das dauert Monate."

* Namen von der Redaktion geändert

Alternativen zur Gebärmutterentfernung

Hier finden Sie schonende alternative Therapiemethoden zur Gebärmutterentfernung und Links zu weiterführenden Informationen im Internet.

Wenn Myome entfernt werden sollen - und dies ist nur angezeigt, falls die Geschwulste auch tatsächlich Beschwerden verursachen -, muss dabei nicht zwangsläufig auch die ganze Gebärmutter herausgenommen werden. Myome von weniger als fünf Zentimeter Größe können laparoskopisch, größere durch eine direkte Operation entfernt werden. Außerdem gibt es folgende nicht-invasive Behandlungsmöglichkeiten.

Embolisation: Eine Injektion von Kunststoffkügelchen verstopft die Blutzufuhr zum Myom, so dass es abstirbt. Schnelles, ambulant durchgeführtes Verfahren, dessen Einsatz bei Frauen mit Kinderwunsch jedoch umstritten ist.

Ultraschall: Unter MRT-Kontrolle schmelzen Ultraschallwellen zielgenau Myome ein; umliegendes Gewebe wird geschont. Keine Auswirkung auf die Fruchtbarkeit. Allerdings ist die Methode noch nicht sehr verbreitet und wird noch nicht von allen gesetzlichen Krankenkassen gezahlt. Auch bei Blutungsstörungen sollte eine Hysterektomie erst erwogen werden, wenn andere Behandlungen keine Besserung bringen. Je nach Ursache der Beschwerden können Medikamente wie Hormone die Blutungen regulieren.

Auch eine so genannte Endometriumablation führt in 80 Prozent der Fälle zu einer deutlichen Besserung, so meldet die Frauenklinik Kiel: Dabei wird die Gebärmutterschleimhaut mit Hilfe einer Elektrode oder einer erhitzten Glucose-Lösung verödet. Dieses Verfahren ist allerdings nur für Frauen ohne Kinderwunsch geeignet.

Weiterlesen zum Thema Gebärmutterentfernung

www.frauengesundheitszentren.de: Mit Adressen für Beratungsstellen in Deutschland, Hinweise auf Broschüren etwa zu Myomen und gebärmuttererhaltenden Therapiemethoden.

www.endometriose-vereinigung.de: Die Vereinigung bietet telefonische und persönliche Beratung bei Endometriose, Adressen von Selbsthilfegruppen, persönliche Begleitung in schwierigen Lebenssituationen. www.izfg.de: Das Internationale Zentrum für Frauengesundheit in Bad Salzuflen bietet eine Zweitmeinungssprechstunde bei schwierigen gynäkologischen Fragestellungen.

www.sqg.de: Seite der "Sektorenübergreifenden Qualitätssicherung im Gesundheitswesen"; hier sind aktuelle Zahlen zum Thema Gebärmutterentfernung zu finden.

Text: Natalie Rösner Foto: Corbis Ein Artikel aus BRIGITTE 3/11

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