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Fußgesundheit Wer kümmert sich um unsere Füße?

Fußgesundheit: Die Füße einer Frau im Sand
© beto posadas / Adobe Stock
Um unsere Füße kümmern wir uns meistens erst, wenn sie Probleme machen. Dabei tragen sie uns durchs Leben. Antje Kunstmann ließ sich intensiv auf die Zehen schauen und geht seitdem schon etwas anders.

Natürlich habe ich ihn: den degenerierten Wohlstandsfuß, wie Caroline Werkmeister ihn nennt. Als ich barfuß vor ihr stehe, brauche ich eigentlich gar nicht mehr ihre Bestätigung. Ich merke schon selbst, dass meine Knöchel einknicken und sich mein schwächelndes Fußgewölbe nach innen neigt. Und so richtig flossenförmig, wie Füße laut der Expertin sein sollen, nämlich hinten schmal und vorne breit, sind meine auch nicht. Der kleine Zeh beginnt sich bereits über die anderen zu drücken. "Das ist ein Zeichen, dass im Fuß zu wenig Power und Kraft ist", urteilt die Ärztin.

Und an noch etwas mangelt es mir: Fußgefühl. Abwechselnd die große Zehe und alle anderen vier nach oben strecken – wie soll das gehen? Einen Moment bin ich ratlos, wie Werkmeisters Anweisung, obwohl ich sie natürlich verstehe, bei meinen Füßen ankommen soll. Als sich dann tatsächlich langsam die Großzehe hebt und anschließend die anderen, sieht es reichlich ungelenk aus; die Ärztin ist trotzdem zufrieden: "Ganz viele können das gar nicht."

Füße sind genauso wichtig wie der Rücken

Füße sind das Spezialgebiet von Caroline Werkmeister, und gleichzeitig möchte die ärztliche Leiterin des Athleticums am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mehr, als Menschen mit Hallux valgus oder anderen Fußproblemen behandeln: "Meine Vision ist, dass Fußprävention den gleichen Stellenwert bekommt wie die im Bereich Rücken. Für den Rücken gibt es überall entsprechende Angebote, die oft auch von den Krankenkassen übernommen werden. Übungen fürs Knie sind ebenfalls ganz normal, aber für den Fuß gibt es nichts. Und das möchte ich ändern."

Bisher sind Füße Randexistenzen. Mit unseren Händen schaffen wir Kunst, schreiben wir, zeigen wir Zuneigung, unsere Füße dagegen scheinen uns banal: Sie stehen oder gehen halt rum. Und so kümmern wir uns meist erst um sie, wenn wir nicht mehr anders können. Also etwa wenn Fehlstellungen so weit fortgeschritten sind, dass sie richtig wehtun. Dabei beeinflusst unser Stand den ganzen Körper. Wer wie ich mit dem Fuß nach innen knickt, bei dem gibt irgendwann auch das Knie nach, die Hüfte rotiert nach innen und so können Beschwerden auch in diesen Gelenken bis hin zum unteren Rücken auftreten.

Und Schmerzen sind nur das eine. Füße sind nämlich eigentlich nicht viel weniger sensibel als die Hände. Dass wir immer mehr sitzen und sie fast permanent in Schuhen wegsperren, die noch dazu oft zu eng, steif und hoch sind, lässt nicht nur ihre Muskeln verkümmern, sondern auch ihre Empfindsamkeit. Weil wir ihnen das, was sie wollen – nämlich fühlen – so konsequent vorenthalten, müssen die Bereiche unseres Gehirns, die für ihre Wahrnehmung und Ansteuerung zuständig sind, bei den allermeisten erst mal wiederbelebt werden.

Dafür empfiehlt Caroline Werkmeister schon mal, sich täglich in die Zehen zu kneifen, damit "oben überhaupt wieder etwas ankommt". Oder die Füße anzufassen und erst mal mit der Hand die Zehen zu bewegen. "Diese Ansteuerungsübungen muss man immer mit Ruhe und Fokus machen und am besten täglich, damit die entsprechenden Verknüpfungen im Gehirn auch wirklich wieder aktiviert werden." Natürlich sei das mühsam, aber auch spannend, wenn etwa ein kleiner Muskel, der eigentlich die große Zehe abspreizt und anlegt, bei den meisten Menschen aber verkümmert ist, irgendwann wieder seinen Dienst tut. "Mit den Füßen stecken wir fest auf der Welt", so die Ärztin. "Sich das bewusst zu machen und über sie in Kontakt mit der Welt zu treten, ist oft ein krasser Aha-Moment. Und Übungen, die ihre bisher ungenutzte Kapazität fördern, sind der maximale Anstoß zur Selbstwirksamkeit. Damit steht man nicht nur stabiler und bewusster auf den Füßen, sondern insgesamt besser im Leben."

Dass sich Fehlstellungen vorbeugen lassen, wenn man den Fuß derart fordert und fördert, klingt logisch. Aber was ist, wenn es bereits Probleme wie einen Hallux valgus gibt? Bei jeder Vierten, ab 65 bei jeder Dritten ist das schließlich der Fall. "Es kommt darauf an, wie weit fortgeschritten der Hallux ist", so die Expertin. Jahrzehntelange Entwicklungen seien schwierig, rückgängig zu machen. "Wenn es aber noch keine strukturellen Veränderungen an den Knochen gibt und keine Grunderkrankungen wie Rheuma vorliegen, kann man durch Übungen ganz viel erreichen." Den oben erwähnten Muskel zu aktivieren und zu trainieren, der die Großzehe spreizt und wieder anlegt, sei zum Beispiel eine gute Aufgabe für Menschen mit Hallux valgus. Und vor allem: Alternativ auf eine Operation zu setzen, ist eindeutig wenig zielführend. Danach kommt es nämlich oft relativ schnell zu einem Rezidiv, also einem Wiederauftreten des Hallux. Die Ursache, also der kraftlose, instabile Fuß, besteht ja weiterhin. Aus dem gleichen Grund sieht die Ärztin auch Einlagen kritisch: "Natürlich machen sie in bestimmten Fällen Sinn, aber sie sind kein Allheilmittel, denn auch sie lösen das Problem nicht. Deshalb sollten sie immer in ein Gesamtkonzept eingebettet sein."

Wäre es denn für uns alle das Beste, allen Schuhe abzuschwören und die Füße endgültig für immer frei zu setzen? "Barfuß zu laufen, ist eine Belastung für den Fuß und den ganzen Körper", so die Ärztin. "Übermotiviert damit loszulegen, ohne dass der Fuß es kennt und genug Spannung und Kraft hat, geht oft nach hinten los." Außerdem gehe es auch gar nicht darum, aus dem Barfußlaufen eine Weltanschauung zu machen. Sie selbst ziehe auch gern mal High Heels an, aber sorge eben auch immer wieder für Ausgleich, zum Beispiel bei der Arbeit durch Schuhe, die den Zehen besonders viel Platz lassen. "Ich kann meinen Füßen Gutes tun, ohne gleich mein ganzes Leben zu ändern", sagt Caroline Werkmeister und zieht wiederum den Vergleich zu Knie und Rücken. "Da mache ich ja auch einen Teil des Tages meine Übungen und den Rest des Tages gehe ich meinem Alltag nach. So eine gesunde Balance existiert für den Fuß leider noch nicht: Zwischen Fetischisten und dogmatischen Barfußjüngern gibt es wenig. Auch deswegen ist es so schwierig, Menschen ein ganz normales Bewusstsein für ihre Füße zu vermitteln."

Was diese neuen Bodenständigkeit bedeuten kann, erlebe ich, als ich nach einer Stunde Fußdiagnostik aus dem Athleticum nach Hause gehe: Ganz bewusst nehme ich das Pflaster unter meinen Schuhen wahr, wie die Zehen bei jedem Schritt arbeiten. Vielleicht liegt es an der Sonne, die mir ins Gesicht scheint, aber ich fühle mich so leichtfüßig, wie seit Langem nicht mehr.

Die Füße neu entdecken

Barfuß laufen

Füße lieben Abwechslung. Je mehr ihr Empfinden und ihre Muskeln angeregt werden, desto stabiler stehen wir. Deswegen ist Barfußlaufen auf verschiedenen Untergründen gut, etwa auf unterschiedlichen Teppichen oder auch mal Reiskörnern oder zerknülltem Zeitungspapier.

Ausrollen

Nimm einen Ball, etwa einen Tennisball, lege ihn jeweils im Stehen unter einen Fuß und rolle ihn in Längs- und Querrichtung etwa drei Minuten mit leichtem Druck über die gesamte Sohle. Wer bereits geübter ist, kann auch einen Igelball nehmen.

Greifen

Stelle den Fuß auf ein kleines Handtuch oder ein Stück Stoff, hebe die Ferse etwa zwei bis vier Zentimeter an, verlagere das Gewicht auf den Ballen und greife mit den Zehen, als wolltest du das Tuch unter den Fuß raffen. Wiederhole das Greifen mehrfach für etwa eine halbe Minute pro Seite.

Kreisen

Lege im Sitzen einen Fuß auf dem Knie der anderen Seite ab und schiebe die Finger von unten zwischen die Zehen. Dann kreist, beugst und streckst du die Zehen mit der Hand und unter leichtem Zug, wie es für dich angenehm ist.

Brigitte

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