Anzeige

Manisch-depressiv: Eine Krankheit, zwei Gesichter

Ein Mensch, zwei Gesichter: Die Bilder der Fotografin Liz Obert zeigen Menschen, die an einer bipolaren Störung leiden.
Ein Mensch, zwei Gesichter: Die Bilder der Fotografin Liz Obert zeigen Menschen, die an einer bipolaren Störung leiden.
© Liz Obert
Liz Obert ist manisch-depressiv. In ihrem Projekt "Dualities" porträtiert die Fotografin Menschen, die wie sie an einer bipolaren Störung leiden und ein Doppelleben führen.

Liz Obert führt ein Doppelleben: "Ich habe eine Persönlichkeit, die die Menschen jeden Tag sehen. Und eine andere, die ich vor der Welt verstecke", schreibt die Fotografin in einem Statement auf ihrer Website. Mit Anfang zwanzig wurde bei ihr eine Depression festgestellt, doch weder Therapie noch Medikamente halfen ihr weiter. Inzwischen weiß Obert, dass sie manisch-depressiv ist - heute als bipolare Störung bezeichnet. Die Diagnose und die dazu passenden Stabilisatoren bekam sie jedoch erst vor fünf Jahren.

Menschen mit einer bipolaren Störung empfinden extreme Emotionen. "Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt" - dieses Spannungsfeld zwischen Manie und Depression bestimmt ihren Alltag und erschwert ein geregeltes Leben erheblich. Ihr Suizidrisiko ist zwanzig Mal so hoch wie das eines gesunden Menschen.

Liz Obert leidet an einer Bipolar-II-Störung, was bedeutet, dass bei ihr die depressiven Phasen überwiegen. Jahrelang ließ sie sich in der Öffentlichkeit nichts anmerken. Arbeitete, als sei alles bestens. Erst zu Hause, wenn sie alleine war, wurde sie regelmäßig von ihrer eigenen Furcht und dem Gefühl von Hoffnungslosigkeit überwältigt. Erfahrungen, die Millionen Menschen mit psychischen Störungen auch machen. Sie vertuschen die Symptome ihrer Krankheit, um im Alltag zu funktionieren. 2013 entschied sich Obert, dieses Doppelleben und die innere Zerrissenheit in der Fotoserie "Dualities" zu thematisieren.

Sie begann bei sich selbst. Obert machte zwei Bilder: Das erste Porträt zeigt sie in ihrer Wohnung während einer depressiven Phase, das zweite zeigt die Person, als die sie in der Öffentlichkeit gerne gesehen werden möchte. "Ich habe mich sehr verletzlich gefühlt", schreibt sie. "Die Selbstporträts haben mich gezwungen, mich meiner psychischen Störung auf eine völlig neue Art zu stellen." Die Notizen zu den Bildern empfand sie als sehr befreiend.

Im Anschluss suchte sie im Freundeskreis nach weiteren Betroffenen, die mitmachen würden - was nicht bei allen auf Zustimmung stieß. Doch inzwischen hat sie neun weitere Doppelporträts realisieren können. Sie diskutiert mit den Protagonisten, wie sie fotografiert werden möchten, was sie in depressiven Phasen tun und wie sie von anderen wahrgenommen werden wollen. Um ihnen die Identifizierung mit den Bildern zu erleichtern, lässt Obert jede Person unter die gedruckten Bilder ihre Gefühle und Gedanken dazu notieren.

Während ihrer Arbeit an dem Projekt merkte Obert, wie wenig Nicht-Betroffene über psychische Störungen - bipolare Störungen im Speziellen - wissen. Mit ihrer Fotoserie möchte sie aufklären und dem Betrachter Einblicke in das Seelenleben von Menschen geben, die mit psychischen Störungen kämpfen. Denn sie fühlen sich nicht nur häufig missverstanden, sondern auch stigmatisiert. "Ich glaube, jeder kann den Unterschied zwischen dem öffentlichen und dem Privatleben nachvollziehen", schreibt Obert auf ihrer Website. Sie hofft, dass die Fotoserie und die Diskussionen darüber gesunden Menschen dabei helfen, sich in Menschen mit psychischen Störungen hineinzuversetzen.

"Dualities": Wie ist es, ein Doppelleben zu führen?

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel