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Biologisches Alter: Wie jung ist mein Körper?

Leseprobe: BRIGITTE-Autorin Ildikó von Kürthy wollte ihr biologisches Alter wissen und unterzog sich 40 Tage lang einem gnadenlosen Selbstversuch.

Mit 40 ist das Leben im Grunde vorbei. Davon war ich überzeugt. Das war früher. Und früher ist jetzt auch schon wieder eine ganze Weile her. Ich bin 41, immer noch am Leben und versuche, es so lange wie möglich zu bleiben und dabei einigermaßen auszusehen. Deswegen liege ich jetzt in einer engen, dröhnend knatternden Röhre, mein stetig vor sich hinalternder Körper ist zusätzlich in eine Art Panzer verpackt, in einer angstschweißnassen Hand halte ich den Alarmknopf, so fest und zittrig wie ein Pubertierender die Hand seines Mädchens beim ersten Date.

Für jemanden, der im Kino am liebsten am Rand sitzt, ist eine Komplett-Untersuchung mit der Magnetresonanztomografie eine ernstzunehmende Herausforderung. Würde mich nicht wundern, wenn ich in diesen 60 klaustrophobischen Minuten um Jahre älter geworden wäre.

"Ihr Körper ist noch nicht gealtert. Sie haben die Werte einer 19-Jährigen", sagt der Mann in Weiß, und ich erwäge ergriffen, um seine Hand anzuhalten. Prof. Christoph M. Bamberger ist der Direktor des Medizinischen Präventions-Centrums in Hamburg, Anti-Aging-Papst nennt er sich nicht selbst, aber alle anderen nennen ihn so. Für 2750 Euro bekommt man von ihm und seinem Ärzte-Team einen Rundum-Körpercheck "von der Locke bis zur Socke", wie Bamberger sagt.

Bei 80 Prozent seiner Kunden zeigt sich ein deutliches Risiko. Die müssen ihren Lebensstil ändern, um gesund zu bleiben oder wieder zu werden. Bei zehn Prozent findet Bamberger etwas Besorgniserregendes, was sofort geklärt oder behandelt werden muss. Und bei zehn Prozent findet er nix.

Zu denen gehöre ich - und das ist erfreulich, zumal selbst meine tapfere Leber es mir bisher nicht übel genommen hat, dass ich gern Wein in Mengen zu mir nehme, die deutlich über dem von der WHO empfohlenen Maximum liegen.

Der Ultraschall-Experte hatte sich voller Begeisterung auf meine Innereien gestürzt und frohlockt: "Herrlich, Sie sind sehr gut zu schallen. Der perfekte Körper! Bei dicken Menschen geht das nämlich nicht gut!" Gerade überlegte ich, ihn um eine private Anschlussverabredung zu bitten, als er hinzufügte: "Bei dünnen allerdings auch nicht."

Ich verlasse das Präventionszentrum als die personifizierte Norm. Ich bin weder zu dick noch zu dünn. Mein Body-Mass-Index ist mit 22,3 normal, mein Körperfettanteil mit 32,0 auch. Knochenqualität, EKG, Hormone, Blutwerte: alles in Ordnung. Meine Eingeweidearterie - ich habe eine Eingeweidearterie? - ist super, meine Bauchspeicheldrüse sieht langweilig aus, meine Leber macht beim Ultraschall Geräusche, die mich an die tiefen, brodelnd-verzerrten Stimmen von Entführern in amerikanischen Thrillern erinnern, und beim Belastungs-EKG strampele ich unzureichend bekleidet und mit Elektroden zugepflastert auf einem ewig unbeweglichen Rad und hoffe sehr, dass niemand außer der Schwester reinkommt.

Auf den Magnetresonanz-Bildern sehe ich aus wie eine Person aus dem Bio-Buch der Oberstufe. Professor Bamberger spricht zufrieden von einem "gleichmäßigen Faltenrelief" und zitiert einen spaßigen Kollegen: "Ihr Gehirn ist quasi unbenutzt!"

Und dann entlässt mich der Arzt meines Vertrauens zurück ins Leben. Und vor dem Einschlafen denke ich gerührt an meine hübschen Nieren und an mein tapferes Herz. An den "juvenilen Aspekt" meiner Halsgefäße, meine vollständig belüfteten Lungen, die zartwandige Gallenblase - und ich habe das beruhigende Gefühl, unter Freunden zu sein. Und die Gewissheit, dass ich gesund und belastbar genug bin, um jetzt auch mit zügigem Tempo meiner ewigen Jugend hinterherzurennen. Warum? Weil ich wissen will, was möglich ist, weil ich ausreichend oberflächlich bin, mich brennend für meine Oberfläche zu interessieren, und weil wabbelige Oberarme ein Zeichen für mangelnde Disziplin sind, genauso wie ein schlaffes Hirn. Muss man nicht mit leben, oder?

"Dein Körper liefert dir keine Ausreden, irgendwas nicht zu tun", sagt eine strenge Stimme in meinem schmerzenden Rücken. Ich könnte heulen. Diese elendigen Hanteln sind so ungeheuerlich schwer, meine Arme tun so ungeheuerlich weh, und ich halte es für absolut ausgeschlossen, dass ich die letzten drei von 15 Wiederholungen lebend überstehe.

"Du musst über deine Grenzen gehen!", sagt die Stimme. "Dafür bin ich aber nicht der Typ!", keuche ich grantig. "Dann wirst du eben der Typ. Noch drei Wiederholungen!" Die Stimme, die keine Gnade kennt, gehört meinem Fleisch gewordenen inneren Schweinehund. Der heißt Marco Santoro, ist Personal Trainer und ruiniert für einen Freundschaftspreis von 80 Euro die Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer mein Leben.

Ich hatte mich bisher für einen sportlichen Menschen gehalten. Dreimal die Woche eine Stunde Ausdauertraining - kein Problem für eine Athletin wie mich. Dass ich bei meinen Runden um die Hamburger Alster häufig von fettleibigen Dackeln und walkenden Seniorinnen-Gruppen überholt wurde, hatte mich kaum gestört. Fettverbrennung funktioniert am wirksamsten im aeroben Bereich, ganz ohne Anstrengung, ohne Schweiß, hatte ich mich getröstet. Dieses Konzept des Niedrigleistungs-Sports kam meinem trägen Gemüt uind meinem auf Widerstandsvermeidung ausgelegten Charakter sehr entgegen.

Text: Ildikó Kürthy Foto: Mathias Bothor Ein Artikel aus der BRIGITTE 13/09

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