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Autsch, mein Rücken!

Wir muten unserem Körper im Alltag einiges zu - jeden Tag acht Stunden auf dem Bürostuhl sitzen, zum Beispiel. Wie wirkt sich diese einseitige Belastung auf unseren Rücken aus? Und was können wir tun, um ihn versöhnlich zu stimmen? Mit diesem Artikel starten wir eine neue Serie zum Thema Rückenschmerzen.

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einer Besprechung und die Frau am anderen Ende des Tisches rutscht ständig auf ihrem Stuhl hin und her. Was denken Sie? Sind Sie irritiert? Fragen Sie sich, ob die Frau überhaupt zuhört?

Vermutlich - denn Konzentration und Leistung wird in der Regel mit Ruhe in Verbindung gebracht. Das war schon in der Schule so. Dabei macht es die Frau in der Besprechung genau richtig - und spart sich damit vielleicht den Besuch beim Orthopäden.

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"Muskeln, Knochen, Sehnen und Bänder brauchen Wechselbelastung, um optimal versorgt zu werden", erklärt Anna von Eisenhart Rothe, Leiterin der Berufsfachschule für Physiotherapie, Ergotherapie und Massage (mfn / Döpfer-Schule) in Hamburg. Das Problem: Schon nach zehn Minuten in der gleichen Position werden Muskeln und Bänder nicht mehr optimal durchblutet. Die Folgen: Die Muskeln verlieren an Kraft, Gelenke verschleißen früher, Bandscheiben werden schneller porös.

Wenn Ihr Rücken schmerzt, ist das ein Warnsignal. Der Körper zeigt Ihnen die gelbe Karte. Jetzt liegt es an Ihnen, Ihre Gewohnheiten zu ändern - bevor es zu gravierenden Folgen wie einem Bandscheibenvorfall kommen kann.

Was passiert, wenn ich den ganzen Tag sitze?

Durch die einseitige Haltung verkürzen die Muskeln der Körpervorderseite (Bauch, Brust, Leistengegend), sowie die Muskeln an der Rückseite der Beine. Die Schultern ziehen nach vorne, die Muskeln im oberen Rücken versuchen gegenzuhalten und sind dadurch überanstrengt. Häufige Folge: Verspannungen und Nackenbeschwerden.

Der Bauchraum wird durch die Annäherung von Rippen und Becken eingeengt, der Druck auf die inneren Organe wie Darm und Lunge steigt. Dadurch kann es zu Verdauungsproblemen (Verstopfung) und Magenschmerzen kommen. Der flache Atem kann auf Dauer Kopfschmerzen und Müdigkeit verursachen.

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Auch für den unteren Rücken ist langes Sitzen problematisch. Sobald wir nicht mehr aufrecht sitzen, geht das natürliche Hohlkreuz verloren. Das Becken kippt nach hinten, die s-förmige Wirbelsäule wird c-förmig. Auf Dauer verkürzen die Muskeln im Gesäß und an der Oberschenkel-Rückseite. Das Problem: Je mehr die Muskeln verkürzen, desto schwieriger wird es, aufrecht zu sitzen. Es wird anstrengend, gegen die Verkürzung "anzuarbeiten".

Schlagen Sie gerne die Beine übereinander? Das sollten Sie nicht zu oft tun! Denn auch dabei geht das natürliche Hohlkreuz verloren und das aufrechte Sitzen wird auf Dauer zur Kraftprobe.

Was hilft?

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Die Haltung so oft wie möglich variieren. Sitzen Sie mal aufrecht auf der Vorderkante des Stuhles, schieben Sie dabei das Brustbein bewusst nach vorne oben, als wollten Sie stolz einen Orden auf Ihrer Brust präsentieren. Lehnen Sie sich aber auch mal entspannt zurück. Lümmeln ist erlaubt - nur nicht immer. Und das können Sie sich bei den Männern abschauen: Breitbeiniges Sitzen ist zwar nicht besonders elegant, aber eine Wohltat für Ihren Rücken. Sie sitzen dadurch stabiler, die aufrechte Haltung fällt leichter.

Sie vergessen im Arbeitsalltag, Ihre Position zu verändern? Mit unseren Tricks klappt es bestimmt:

  • Stellen Sie sich eine Eieruhr, die alle 30 Minuten klingelt und Sie daran erinnert, sich anders hinzusetzen.
  • Lassen Sie sich von einer Kollegin fotografieren, wenn Sie in schlechter Haltung am Schreibtisch sitzen, und kleben Sie das Bild zur Erinnerung an Ihren Computerbildschirm.

Was bringen Massagen? Massagen lindern nur die Symptome. Langfristig müssen die Ursachen beseitigt werden. Das heißt, die Muskeln an Körpervorderseite, Oberschenkelrückseite und Po müssen verlängert werden. Übungen dazu finden Sie in unseren Videos.

Spüren Sie beim Aufrichten ein unangenehmes Ziehen im Bauch? Die Ursache könnte eine Narbe sein, die nicht elastisch genug ist - zum Beispiel von einem Kaiserschnitt oder einer Blinddarm-Operation. Behandlungen wie Narbenmassagen und spezielle Übungen helfen, die Elastizität wieder herzustellen. Übrigens: manchmal ist auch ein Stechen im Rücken auf solche Narben zurückzuführen, weil Betroffene automatisch in eine Schonhaltung gehen.

Was passiert, wenn ich den ganzen Tag stehe?

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Die gute Nachricht: Die Belastung für die Lendenwirbelsäule ist geringer als bei Menschen, die viel sitzen, weil der Gegendruck der Sitzfläche wegfällt.

Für die Halswirbelsäule bleibt es anstrengend. Die Schwerkraft zieht den Brustkorb nach unten - eine Bewegung, die durch die Blickrichtung nach unten, zum Beispiel bei Friseurinnen während sie Haare schneiden, oft noch verstärkt wird. Der Rücken kann die natürliche S-Form nicht mehr halten und bekommt eine C-Form.

Lenden- und Halswirbelsäule werden überanstrengt und abgenutzt - im schlimmsten Fall bis hin zum Bandscheibenvorfall.

Was hilft?

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Oberkörper immer wieder bewusst aufrichten, strecken. Steißbein nach hinten, oben schieben - ein leichtes Hohlkreuz im unteren Rücken ist ideal.

Wenn möglich, die Füße bewegen und nicht den Oberkörper (als Friseurin beispielsweise nicht zur Seite beugen, sondern um die Kundin herumgehen).

Gut für Ihren Rücken sind die Übungen aus dem zweiten Video, bei denen Sie sich aufrichten und die Muskeln der Körpervorderseite dehnen.

Was passiert, wenn ich häufig mit gebeugtem Oberkörper arbeite?

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Sie müssen Badewannen putzen, Wasserkisten heben oder bettlägerige Patienten umdrehen? Häufig gerät Ihre Wirbelsäule dabei in die C-förmige Fehlstellung.

Durch zusätzliches Gewicht, zum Beispiel die Wasserkiste, wirken erhöhte Kräfte auf die Lendenwirbelsäule - dort entstehen dann häufig Schmerzen. Versuchen Sie daher, Ihre Wirbelsäule bei diesen Tätigkeiten in der S-Form, also mit einem leichten Hohlkreuz in der Lendenwirbelsäule, zu halten, und statt des Rückens die Hüft- und Kniegelenke zu beugen.

Was hilft?

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Oberkörper immer wieder bewusst aufrichten, strecken. Legen Sie sich nach Feierabend auf den Boden (am besten auf eine Gymnastikmatte oder auf den Teppich), mit einer Wärmflasche oder einem gefalteten Handtuch als Stütze für die Lendenwirbelsäule.

Achtung: Die Stütze liegt weiter oben, als Sie wahrscheinlich vermuten: Die untere Kante sollte auf Höhe des Bauchnabels abschließen. Erst da beginnt die natürliche Wölbung der Lendenwirbelsäule. In unserem dritten Video können Sie sich die Position ansehen.

Worauf sollte ich beim Training im Fitnessstudio achten?

Als Ausgleich für einseitige Belastungen des Rückens sind alle Übungen ideal, bei denen die Muskeln der Körpervorderseite und Beinrückseite gedehnt und die Bauch- und Rückenmuskeln gekräftigt werden.

Wichtig für alle Übungen: Bauchmuskeln lang machen und strecken, Brustbein aufrichten (zeigen Sie den Orden auf der Brust). Ihr Bauch strafft sich und stabilisiert Ihre Haltung von vorne. Übrigens: Wer sich oft und viel gerade hält, trainiert allein dadurch die Bauchmuskulatur.

Gute Nachrichten für alle, die sich für klassische Bauchmuskel-Übungen in Rückenlage nie richtig erwärmen konnten: Die "Sit-ups" oder "Crunches" gehören in vielen Fitness-Studios zum Standard. Der Nachteil: Der Rücken wird dabei gerundet und nimmt damit genau die Fehlhaltung ein, die eigentlich vermieden werden soll.

Besser: Bauchmuskeln in aufrechter Haltung trainieren, zum Beispiel indem Sie sich auf einem Stuhl oder Gymnastikball setzen und den Oberkörper langsam nach hinten beugen, bis Sie die Anspannung der Bauchmuskeln spüren. Dabei Brustbein aufrichten, Bauch anspannen.

Wer auf klassische Bauchübungen nicht verzichten will, sollte den Rhythmus ändern: Das heißt, den Oberkörper schnell abheben (1-2 Sekunden) und langsam wieder absenken (4-5 Sekunden). Beim Absenken liegt der Schwerpunkt in der Haltearbeit und im Strecken und Aufrichten des Oberkörpers. Wichtig: Den Bauch als Ausgleich regelmäßig dehnen - zumindest nach jedem Training. Eine sehr effektive Dehnübung finden Sie in unserem dritten Video.

Text: Monika Herbst Videos: Monika Herbst und Henning Hönicke Schnitt: Henning Hönicke

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