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Ausprobiert Was bringen 3 Monate EMS-Training?

Ausprobiert. Steffi trainiert
© Ann-Christin Gebhart
Beim EMS-Training werden die Muskeln mit kleinen Stromstößen stimuliert. Schon ein Training pro Woche soll wirksamer sein als das klassische Workout im Fitnessstudio. Ob das tatsächlich funktioniert, hat unsere Autorin im Langzeitcheck ausprobiert.

Als Bürostute hat man es ja nicht leicht: Der Rücken schmerzt vom ständigen Sitzen und die überschüssigen Pfunde wollen auch einfach nicht verschwinden. Denn wer hat nach einem langen Arbeitstag auch noch Zeit (und Lust, ich gebe es zu ...) stundenlang im Fitnessstudio neben muskelbepackten Sporthengsten brav Gewichte zu stemmen? Eben.

Bikinibody für Faule?

Durch EMS-Training („Elektromyostimulation“) soll das klassische Fitness-Workout sowieso bald Geschichte sein. Das Prinzip klingt für Sportmuffel wie mich erstmal wie ein Traum: Durch Elektroden in einer Funktionsweste werden gezielt Muskelpartien stimuliert. Diese sollen dadurch wachsen und Fettdepots abgebaut werden. Und das Beste: Schon ein Training von 20 Minuten pro Woche soll für diese Effekte ausreichen. 

Minimaler Aufwand, maximaler Erfolg?

Ich kontaktiere Clemens, Inhaber des EMS-Studios Körperformen in Hamburg. Und vereinbare mit ihm ein etwas ausgedehnteres Probetraining: Insgesamt drei Monate lasse ich mich jede Woche unter Strom setzen, denn nach dieser Zeitspanne sollten laut ihm die leichten Rückenschmerzen, die ich abends in letzter Zeit öfter mal habe, weitgehend abgeklungen sein. 

Ein konkretes Ziel auf der Waage ist dagegen schwerer festzulegen: Durch das Training wird ja Muskelmasse aufgebaut und Muskeln sind schwerer als Fett. Wenn sich in den drei Monaten etwas an meiner Figur tut, sollte ich es wenn dann entsprechend eher am Spiegelbild merken. Und: Ohne die richtige Ernährung geht auch hier nichts. Hatte ich zwar erwartet, ärgert mich aber trotzdem. Wunder gibt’s halt doch nicht.

Bitte einmal ohne Unterwäsche. Warte, was?!

Ausprobiert: Steffi beim Training
Es trainieren maximal zwei Leute gleichzeitig mit einem Trainer – eine falsche Haltung kann so direkt korrigiert werden
© Ann-Christin Gebhart

Dann macht Clemens mit mir einen kleinen Fitness- und Gesundheitscheck. Welchen Sport habe ich vor EMS gemacht, leide ich eventuell an Herz-Kreislauf-Krankheiten, was erhoffe ich mir vom Training? Erst als ausgeschlossen werden kann, dass das Training gefährlich für mich sein könnte, bekomme ich Sportkleidung von ihm, die unvorteilhafter nicht sein könnte: Ein enges schwarzes Stretch-Oberteil samt passender Radlerhose, beides windet sich zu meinem Kummer mit Genuss um jede Speckrolle. "Ohne Unterwäsche, bitte", meint Clemens und ich frage mich, wie er es fertig bringt, so einen Satz mit völlig neutralem Gesichtsausdruck von sich zu geben. 

Die Erklärung dazu ist aber simpel: Damit der Strom durch die Elektroden der Weste besser geleitet werden kann, wird sie von innen nass gemacht. Die Nässe dringt aber auch durch die Kleidung und würde damit die Unterwäsche treffen. Also raus aus allen Sachen und rein in die Trainingsklamotten. Anschließend werden mir neben der Weste noch zusätzliche Gurte um die Oberarme, die Oberschenkel und um den Po gelegt und alles wird an das Trainingsgerät angeschlossen.

Vom entspannten Start...

Das erste Training empfand ich als sehr angenehm: Wir starteten mit geringer Stromintensität, die sich anfangs nur durch leichtes Kribbeln bemerkbar machte. Alle vier Sekunden kam der Stromimpuls, bei dem ich alle Muskeln anspannen sollte, dann folgten vier Sekunden Pause und das ganze wieder von vorn. Die Elektroden zu den einzelnen Muskelgruppen können individuell vom Trainer geregelt und an das eigene Level angepasst werden. Was mir besonders zusagte: Ein Trainer achtet maximal auf zwei Trainierende, so dass zum Beispiel eine falsche Haltung schnell korrigiert werden kann. 

Die 20 Minuten, während denen ich leichte Kraftübungen mit dem eigenen Körpergewicht machte, liefen schnell herunter und am Ende fühlte ich mich gelockert und entspannt. Was eigentlich cool ist, aber erste Zweifel in mir weckte: Bekam ich hier nur den bürostutentypischen Schonwaschgang? Nein, erklärte mir Clemens, der harte Teil käme erst noch. Man müsste ja erstmal schauen, wie ich überhaupt mit dem Training zurechtkomme und auf welchem Level ich bin. Klingt einleuchtend.

...zum Horror, der danach kam

Ausprobiert: Steffi im Training
20 Minuten klingen nicht gerade nach viel Trainingszeit, aber danach war ich jedes Mal erschöpft
© Ann-Christin Gebhart

Das zweite Training war schon wesentlich anspruchsvoller, am deutlichsten habe ich aber das dritte im Kopf behalten: Planking, Hampelmänner, Kniebeugen – mir lief der Schweiß in Strömen. Es wurde nicht besser dadurch, dass zum ersten Mal jemand neben mir trainierte. Und die junge Dame hatte das ganze wohl schon etwas häufiger gemacht als ich (hoffe ich). Denn sie zog die Knie selbst dann noch motiviert nach oben, als ich gedanklich schon um ein Sauerstoffzelt oder alternativ direkt um einen Priester für die letzte Beichte flehte. Dabei bin ich nicht mal gläubig. Die vier folgenden Tage konnte ich vor Muskelkater kaum laufen, sondern watschelte ein wenig pinguinartig von einem Fuß auf den anderen.

Immerhin: Es ging voran! Mit der Zeit merkte ich, dass mir die Übungen nach und nach leichter fielen, während gleichzeitig die Stromstärke immer weiter hinaufgeregelt wurde. Außerdem würde ich nie wieder den Fehler machen, ein 20-minütiges Training zu unterschätzen: Am Ende war ich jedes Mal ausgepowert und glücklich, weil ich das Gefühl hatte, etwas geleistet zu haben. Letzteres verdanke ich sicher auch der wirklich motivierenden Art der Trainer vor Ort, die ihre Schäfchen immer noch ein bisschen mehr über ihr Limit hinaus pushen. 

Muskelkater hatte ich übrigens immer mal wieder, vor allem im Po und in den Beinen, aber nie mehr so stark wie nach dem dritten Training. "Jeder hat einmal so einen extremen Muskelkater, bei dir kam er eigentlich recht spät", erklärte Clemens mir dazu. Super, jetzt war ich also auch noch ein Sonderling unter Menschen, die sich freiwillig mit Strom traktieren lassen.

Und was hat das Ganze nun gebracht?

Aus rein gesundheitlicher Sicht bin ich mit meinem Test zufrieden. Mein Rücken machte schon nach etwa sechs Wochen keine Zicken mehr, die leichten Schmerzen am Abend nach einem klassischen Tag im Büro waren verschwunden. Abgenommen habe ich in den drei Monaten so gut wie nichts, dafür habe ich aber etwas an Muskelmasse zugelegt – auch wenn der Zeitraum schlicht zu kurz ist, um große Unterschiede zu bemerken. Dass meine Muskeln gewachsen sind, sehe ich aber quasi auch schwarz auf weiß am Trainingsgerät: Die Stromintensität, mit der ich zuletzt trainiert habe, war bei allen Elektroden rund 15 Prozent höher als zum Testbeginn. 

EMS-Training: Mein Fazit

Eigentlich ist EMS das perfekte Training für Bürostuten und -hengste aller Art: Der Aufwand ist minimal, Beschwerden wie Rückenschmerzen, die durch langes Sitzen auftreten können, werden gemindert oder verschwinden sogar ganz. Man muss dem Training allerdings etwas Zeit einräumen – besonders, wenn man ein paar Kilo abnehmen will. Ungeduldige, die in dieser Hinsicht schnell Erfolge sehen wollen, sollten sich vermutlich lieber eine andere Methode suchen. Und: Mit je nach Studio 20 bis 35 Euro pro Trainingseinheit ist EMS kein günstiges Vergnügen. Dafür bekommt man aber auch quasi ein individuelles Personal Training – ausprobieren lohnt sich also!

Brigitte

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