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Alternative Medizin Wissenschaft oder Wunder?

Alternative Medizin: Alternative Medizin
© PhotoSGH / Shutterstock
Wenn die Schulmedizin nicht weiterweiß, wenden sich viele der Homöopathie zu. Für manche ist das immer noch Humbug. BRIGITTE-Autorin Natali Michaely vertraut auf Globuli und Co. – und hat ihre ganz persönlichen Gründe.
Autor: Natali Michaely

Es gab eine Zeit, da hatte ich einen Infekt nach dem anderen. Magen, Blase, Nebenhöhle – die Ärzte verordneten Antibiotika. Ansonsten: Vitamine, Bewegung an der frischen Luft, weniger Stress – viel mehr fiel ihnen nicht ein. Manchmal wünschte ich mir eine "echte" Krankheit mit Wärmflaschen, Medikamenten und Mitgefühl statt genervter Blicke.

Weniger niedergeschlagen, mehr Energie

Mein Freund litt damals an einem Karpaltunnelsyndrom. Die Finger seiner rechten Hand waren schon fast taub. "Operation, keine Frage!", hieß es. Mein Freund rief seine Schwester an, die selbst Ärztin ist. "Homöopathie", riet sie. Das erstaunte uns, kannten wir Kügelchen bisher doch eher als Werkzeug gegen kleine Wehwehchen. Sie blieb stur: "Hier ist die Nummer eines Homöopathen. Ruf den an!" Er rief an, machte eine Anamnese, bekam Tropfen, ging kurz darauf ins Bett – und wachte am Morgen mit einer voll beweglichen Hand wieder auf. Bis heute erzähle ich diese Geschichte jeder und jedem, die oder der an dieser Krankheit leidet. Plus die des Kollegen, der sich der OP unterzog und bis heute Schmerzen hat.

Ich komme mir dabei immer ein bisschen wie eine Hexe vor, die andere von einer Wunderheilung überzeugen will, doch ehrlich gesagt: Die seltsamen Blicke, die mir viele zuwerfen, sind mir egal. Bevor mein Sohn auf die Welt kam, setzte mir die Hebamme Akupunkturnadeln, weil er bereits ein paar Tage über den Geburtstermin war. "Aber ich glaube da nicht dran", beharrte ich. "Umso besser", antwortete sie fröhlich. "Desto sicherer wirkt’s!" Am nächsten Tag wurde mein Sohn geboren. Ich machte dann selbst einen Termin beim Homöopathen. "Nehmen Sie sich anderthalb Stunden Zeit", sagte er am Telefon. Es wurden zwei. Und was er nicht alles wissen wollte: Aß ich lieber süß oder salzig? Konnte ich mich an Träume erinnern? Am Ende bekam ich ein Rezept. "Rufen Sie morgen an und sagen Sie mir, was Sie merken." – "Und was genau?", fragte ich. "Alles", sagte er. "Gedanken, plötzliche Unruhe – alles ist ein Schlüssel." Thuja stand auf meinen Tropfen.

Hochgiftig, las ich im Netz. Nach dem Arzt Samuel Hahnemann, der im 18. Jahrhundert die Homöopathie begründete, soll ein Mittel so ausgewählt werden, dass es an Gesunden die Symptome hervorruft, an denen der Kranke leidet. Natürlich in einem verdünnten Zustand, dessen Stärke die "Potenzierung" angibt. Dabei solle auch der "gemütliche und geistige Charakter" des Erkrankten berücksichtigt werden. Der Mensch ist nun mal Körper und Psyche, das ist in der Alternativmedizin ganz selbstverständlich. Ich nahm also meine Tropfen und merkte: wenig. Doch was ich im Lauf der kommenden Wochen beobachtete, in denen ich in Telefonkontakt mit dem Homöopathen stand: Ich fühlte mich weniger niedergeschlagen und hatte deutlich mehr Energie.

Erweckungserlebnis durch Homöopathie

Es kam eine Erkältung, aber sie ging schnell wieder weg. Ich frohlockte: Bäm, wir hatten das richtige Mittel gefunden! Dann kam eine Blasenentzündung. "Bitte nehmen Sie kein Antibiotikum. Vertrauen Sie auf Ihre Tropfen", riet mein Homöopath. "Hatten Sie schon mal eine Blasenentzündung?", fragte ich und krümmte mich vor Schmerz. "Nein, aber es soll sehr unangenehm sein." – "Eben!", antwortete ich mit Wut im Bauch. Ich quälte mich zwei Tage, dann griff ich zur Chemie. Danach bekam ich Globuli zur Neutralisation. Erst dann durfte ich wieder meine Tropfen nehmen.

Für mich war die Bekanntschaft mit der Homöopathie eine Art Erweckungserlebnis. Ich bin mittlerweile beim Jin Shin Jyutsu gelandet, einer asiatischen Heilkunst, bei der Energieblockaden "geströmt" werden. Klingt absurd? Nö. Ich praktiziere es sogar ganz banal zu Hause beim Netflix-Gucken. Komme ich etwa vom täglichen Stress nicht runter, halte ich einfach sanft meine Finger – vom Daumen bis zum kleinen, bis es darin zu kribbeln beginnt. Danach schlafe ich wie ein Baby. Mehr sage ich dazu nicht. Ich will nicht die sein, die anderen ihren "Heilungszauber" aufschwatzt. Denn Vertrauen gehört natürlich dazu, die Bereitschaft zur Selbstbeobachtung und der Mut, alte Glaubenssätze über Bord zu werfen. Einen Beckenbruch kann nur ein Orthopäde behandeln? Klar, ich habe es selbst erlebt. Doch die psychische Belastung, die Wochen im Rollstuhl mit sich bringen, kann er einem nicht nehmen.

Ich habe jeden Tag geströmt und war nicht nur nach ungewöhnlich kurzer Zeit schmerzfrei, sondern auch sehr optimistisch. Noch einmal kreuzte die Homöopathie meinen Weg. Ich goss mir versehentlich bei einem Dinner bei Freunden kochendes Wasser über die Hand. Panisch rannten alle herum und suchten Eiswürfel. Dann klaubte der Gastgeber homöopathische Tabletten hervor. "20 einnehmen, in zehn Minuten noch mal, dann in einer halben Stunde zehn, anschließend zehn stündlich." Genauso machte ich es. Nach kurzer Zeit ließ der Schmerz nach, es gab nicht mal eine Brandblase. Wissenschaft oder Wunder? Ist doch völlig egal. Hauptsache, es hilft!

Natali Michaely, 53, ist mit ihrer Vorliebe für kleine Kügelchen in guter Gesellschaft: Laut einer Umfrage der DHU verwenden 30 Millionen Deutsche die kleinen Kügelchen – vor allem Frauen mit höherer Bildung.

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BRIGITTE 19/2020

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