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"Mein Rücken tut weh!"

Gehören Sie auch zu den Rückenschmerz-Geplagten? Damit sind Sie nicht alleine: von zehn Menschen haben sechs bis acht mindestens einmal im Leben akute Rückenschmerzen. Vier Betroffene beschreiben hier ihre Beschwerden. Wie sieht die ideale Therapie aus? Wir haben einen Experten gefragt.

Dr. Gerd Müller ist Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie und Sportmedizin im Rücken-Zentrum in Hamburg und unser Experte für Rückenprobleme.

Verspannungen durch das Schreibtischsitzen

Michèle Rothenberg (28), Online-Redakteurin:

Bei mir ist es vor allem der Nacken, der mich regelmäßig piesackt. Ausgelöst werden die Verspannungen meistens durch Stress, wenig Bewegung und viel Schreibtischarbeit. Oft hilft es schon, wenn ich einfach zum Sport gehe oder mich auf dem Sofa entspanne. Doch manchmal sind die Verspannungen so heftig, dass sie sogar Kopfschmerzen auslösen. In so einem Fall lasse ich mir den Nacken von meinem Freund mit Tiger-Balsam einreiben, das ist eine Salbe aus ätherischen Ölen. Dann wickele ich mir noch einen Schal um den Hals und meistens sind die Schmerzen am nächsten Tag besser. Wenn nicht, hilft nur noch eine Schmerztablette.

Ich habe die Verspannungen schon seit meiner Kindheit, ich erinnere mich, dass selbst mein Schwimmtrainer damals staunte, wie hart die Muskeln oft waren. Schwimmen ist also offenbar nicht die Sportart, die dem entgegen wirkt.Ich habe mir aber vor kurzem von einem Trainer in meinem Fitnessstudio ein paar Rückenübungen zeigen lassen und habe das Gefühl, dass es seitdem besser wird.Ich wüsste allerdings auch gerne, wie ich mich im Alltag vor den Verspannungen schützen kann.

Das sagt der Experte:

Die Muskeln der Wirbelsäule sind oft durch die Schreibtischarbeit geschwächt. Zusätzlich zu den Massagen vom Freund sollte sie den Rücken aktiv stärken. Zum Beispiel durch Übungen für den Rückenstrecker im Bereich der Brustwirbelsäule. Das macht sie vermutlich bereits bei dem Rückentraining im Fitnessstudio, das ihr ja auch gut tut.

Zusätzlich sollte sie die Muskulatur der Halswirbelsäule, insbesondere die tiefen Muskeln wie die "Kopfnicker“ trainieren. Dafür gibt es spezielle Übungen, die sie sich von einer Physiotherapeutin zeigen lassen sollte.

Bei Verspannungen im Nacken spielt auch Stress eine wichtige Rolle. Wenn der Druck zu groß wird, nimmt auch im Muskel die Spannung zu. Aber es gibt noch einen zweiten Grund, warum Stress schlecht für den Nacken ist: Er verstärkt bereits vorhandenen Schmerz, als so genannter Schmerzmodulator. Wird der Stresslevel zu hoch, sind Techniken zum Ruhigerwerden sinnvoll, etwa Muskelentspannung oder Autogenes Training.

Schmerzen vom Lendenwirbel zuviel?

Corina Winiger (30), Studentin

Ich bin ziemlich groß, 1,84 Meter. Deshalb musste ich schon in der 1. und 2. Klasse zur Rückenschule. Der Arzt meinte, ich würde sonst Beschwerden bekommen. Ich hatte eigentlich keine Probleme, zumindest bis zum Alter von 24 Jahren. Ich bin morgens aufgestanden und hatte auf einmal heftige Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. Das war so schlimm, dass ich mich nicht mehr aufrichten konnte. Mein Oberkörper knickte zur Seite, eine Schonhaltung, um die Schmerzen zu vermeiden.

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Das ist mir innerhalb von zwei Jahren etwa fünf Mal passiert. Der Orthopäde hat mir jedes Mal Kortisonspritzen gegeben. Die haben gut geholfen, nach einigen Tagen war wieder alles okay. Er hat mir aber nie gesagt, woher diese Schmerzen kommen. Ich habe dann den Arzt gewechselt. Der neue Arzt hat mich geröntgt und mir gesagt, dass ich einen Lendenwirbel zu viel hätte. Außerdem meinte er, ich würde mich falsch bücken und meine Rücken- und Bauchmuskeln seien nicht so gut. Er hat mich zur Krankengymnastik geschickt.

Zwei Jahre lang ging es mir relativ gut, dann kamen die Schmerzen wieder, einmal im letzen und einmal im vorletzten Jahr. Gerade habe ich meine Examensarbeit geschrieben. Ich musste viel sitzen, das war unangenehm. Ich war in der Zeit regelmäßig bei der Krankengymnastik und habe meine Übungen Zuhause gemacht. Dadurch war es okay. Mich würde interessieren, wie diese Schmerzen entstehen und wie ich langfristig damit umgehen kann.

Das sagt der Experte:

Die passive Behandlung mit lokalen Injektionen ist in der Akutphase völlig in Ordnung, um die Schmerzen zu lindern. Danach muss die Patientin aktiv werden.

Wichtig in der Ursachenforschung ist, eine ernsthafte Rückenerkrankung auszuschließen. Eine weitere Analyse bringt häufig keine zusätzlichen Erkenntnisse, weil Zufallsbefunde wie ein überzähliger Lendenwirbel in ihrer Bedeutung oft überschätzt werden. Zunächst ist die aktive Therapie und die eigene Übungsbehandlung angezeigt.

Mit ihren Übungen ist sie auf dem richtigen Weg. Bei ihr ist es ähnlich wie bei Wiebke Peters. Als große, schlanke Frau hat sie vermutlich eher schwache Muskeln, die gekräftigt werden müssen. 10 bis 15 Minuten Gymnastik täglich sind mindestens notwendig.

Beschwerden im unteren Rücken

Wiebke Peters (34), Online-Redakteurin

Ich bin groß (1,83 Meter) und hatte schon als Kind ein übermäßig ausgeprägtes Hohlkreuz. Besuche bei der Krankengymnastik brachten nicht viel, weil ich nicht besonders konsequent war, was die Übungen zu Hause anbetraf.

Als 16-Jährige begann ich, Volleyball zu spielen. Ein Sport, der nicht gerade für seine Rückenfreundlichkeit bekannt ist. Ich wurde zwar keine gute Spielerin, übte dieses Hobby trotzdem fast zwei Jahrzehnte lang aus.

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Mit 19 ließ ich mich am linken Fuß operieren. Ich hatte eine schief gestellte Großzehe (die Fachsprache nennt das "hallux valgus"), allerdings überhaupt keine Beschwerden. Dachte mir aber, eine operative Korrektur sei trotzdem eine gute Sache. Leider kam alles ganz anders: Nach OP und langwierigem Heilungsprozess hatte ich Schmerzen im Fuß, ein paar Jahre und eine weitere Fußoperation später hatte sich daran nichts geändert. Mittlerweile ist auch mein linkes Knie in Mitleidenschaft gezogen, denn durch 15 Jahre Fuß-Schonhaltung hat sich der Knorpel im Kniegelenk stark abgenutzt.

Inwiefern diese Geschichte mit meinen Rückenbeschwerden zusammenhängt, kann ich nicht beurteilen. Die begannen, als ich etwa Mitte 20 war. Mit 27 hatte ich meinen ersten Vollzeitjob, 40 Stunden und mehr, die meisten davon Sitz-Stunden vor dem Rechner. Nach einiger Zeit wurden die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule so stark, dass sie mich ernsthaft zu stören begannen. Je nachdem wie viel Sport (Radfahren + Schwimmen) ich machte, war es mal besser, mal schlimmer, ganz weg waren die Schmerzen nie. Einmal ging es mir so schlecht, dass ich mich mit vor Schmerzen gekrümmtem Oberkörper zum Orthopäden schleppte, und mir eine Spritze verpassen ließ.

Nur einmal gelang mir ein Coup, der mir vorübergehend Schmerzfreiheit verschaffte: Im Frühjahr 2002 machte ich eine dreitägige Radtour entlang der Nordseeküste. Ich hatte Glück und meistens Rückenwind, radelte deswegen viele Kilometer freihändig - am ersten Abend waren die Beschwerden fast weg, am zweiten war es, als hätte ich nie Rückenschmerzen gehabt. Die waren ein paar Tage nach der Tour allerdings wieder da.

Vor zwei Jahren versuchte ich es mit Pilates, legte mir jeden Morgen eine CD ein. Drei Monate hielt ich durch - täglich 20 Minuten. Dann hörte ich auf, denn ich merkte keinen Effekt.

In welch mieser Verfassung meine Bauchmuskeln jetzt sind, weiß ich, und auch, dass sie dem Rücken Halt geben könnten, wären sie stärker... Vor der "Kieser-Lösung" (Krafttraining am Gerät) graut mir. Es muss doch was anderes geben als langweiliges Gerätetraining? Yoga war immer eine Idee, die ich bisher nicht ernsthaft verfolgt habe. Wegen meines Knies fallen viele Übungen ohnehin weg - sogar beim Kraulen spüre ich das kaputte Gelenk. Was kann ich tun, um meinen Rücken zu stärken und die Schmerzen zu bessern?

Und das sagt der Experte:

Große und schlanke Frauen haben oft schwächere Muskeln, die sich nur schwer aufbauen lassen. Es dauert oft sechs bis acht Wochen, bis das Training überhaupt erste Erfolge zeigt. Ich empfehle ihr, sich bei einer Krankengymnastin die Tiefenstabilisierung der Bauch- und Rückenmuskulatur zeigen zu lassen. Das ist eine Methode, diese Muskeln anzuspannen, die sie im Alltag selbst anwenden kann.

Sie sagt, der Knorpel im Kniegelenk sei stark abgenutzt. Dies ist sehr selten der Fall, hierzu sollte die Kernspintomographie des Kniegelenks noch einmal genau betrachtet werden. Gerade bei jungen, schlanken Frauen sind Knie-Beschwerden oft die Folge einer Fehleinstellung der Kniescheibe. Schuld ist eine Abschwächung des inneren Oberschenkelstrecker-Muskels. Dieser Muskel fixiert die Kniescheibe. Das sollte sie überprüfen lassen. Sie muss sich dafür auch nicht noch mal röntgen lassen, ältere Röntgenbilder sind ausreichend. Mit Hilfe von Physiotherapie kann sie den Muskel wieder aufbauen.

Generell rate ich ihr, mehr Sport zu treiben. Nachdem die Muskulatur aufgebaut ist, sollte sie sich einen Sport aussuchen, der ihr Spaß macht. Das kann auch Radfahren sein. Falls nötig, sollte sie zusätzlich täglich 10 bis 15 Minuten lang Gymnastik machen, zum Beispiel Pilates oder Übungen aus der Physiotherapie. Die Behandlung ist in diesem Fall eher der Wegweiser, die eigene aktive Übung die Hauptsache.

Bandscheibenvorfall: Kortisonspritzen wirkten nicht

Dirk Sander (45)*, Trainer und Diskjockey

Im Alter von 20 bis 30 Jahren hatte ich immer mal wieder Rückenbeschwerden im Lendenbereich. Ich habe das nicht groß beachtet, habe nur ab und zu mal Massagen bekommen. Zu der Zeit habe ich tagsüber viel gesessen, aber in der Freizeit auch viel Sport getrieben. Squash, Tischtennis, Fußball und ungefähr zwei Mal pro Woche Gerätetraining im Fitnessstudio.

Vor zwei Jahren, Anfang Oktober, habe ich dann richtig schlimme Rückenschmerzen bekommen. Ich konnte nicht mehr richtig gehen. Der Arzt hat gesagt, die Bandscheibe sei "ein bisschen raus". Ich habe acht Wochen lang Kortison-Spritzen bekommen - jede Woche eine. Das hat nichts gebracht. Mitte Dezember war ich völlig fertig. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, lag nur noch. Ich bin dann zu einer anderen Ärztin, die Akupunktur anbietet. Sie hat mich wieder aufgebaut, mit Akupunktur, Magnetfeldtherapie, Infusionen und Spritzen. Im Frühjahr ging es mir wieder besser.

Anschließend hatte ich sechs Wochen lang Reha, jeden Vormittag Krankengymnastik und Pilates. Der Schmerz war weg. Nur im rechten kleinen Zeh habe ich bis heute ein Taubheitsgefühl. Ich bin weiter jede Woche zur Akupunktur und zur Krankengymnastik gegangen. Im Sommer konnte ich sogar wieder in die Berge zum Wandern gehen. Allerdings habe ich zugenommen. Ich wiege jetzt 115 Kilo bei einer Größe von 1,88 Meter.

Ich arbeite etwa 30 Stunden pro Woche als Trainer für Tischtennis und Fußball. Meistens stehe ich daneben und gebe Anweisungen. Ein paar Stunden pro Woche spiele ich auch selbst mit, bewege mich also auch immer mal wieder. In der Freizeit mache ich ab und zu Gymnastik oder fahre Rad, nichts regelmäßiges. Als Diskjockey muss ich häufig schwer tragen. CD-Koffer, Mischpult, Lautsprecher - ein Lautsprecher wiegt bestimmt 30 Kilo. Das Heben hat vermutlich auch die Schmerzen ausgelöst.

Anfang Februar hatte ich einen Auftritt als Diskjockey in Celle. Ich war gut drauf, alles war in Ordnung. Am nächsten Tag bekam ich dann wieder schlimme Schmerzen. Sie haben sich von der Pobacke und dem unteren Rücken bis ins Bein ausgedehnt. Jetzt nehme ich Schmerzmittel und gehe zur Krankengymnastik, dazu Akupunktur und Schröpfmassage (eine alternative Heilmethode, bei der Gefäße auf die Haut gesetzt werden, die Unterdruck erzeugen. Dadurch sollen sich Verspannungen lösen und die Energiebalance im Körper wiederhergestellt werden, die Red.). Die Ärztin vermutet, dass es ein Bandscheibenvorfall ist.

(*Name von der Redaktion geändert)

Das sagt der Experte

Schmerzen im Rücken und im Bein ("Ischialgie") sind klassische Symptome eines Bandscheibenvorfalls. In vielen Fällen helfen drei bis vier lokale Injektionen, exakt an die richtige Stelle gesetzt, zur Linderung der Beschwerden. Wenn durch die Injektionen eine solche Besserung nicht eingetreten ist, oder die Beschwerden mehrfach wiederkommen, sollte mittels Kernspintomographie eine weitere Abklärung durch einen Orthopäden erfolgen.

Was viele Patienten nicht wissen: Die Abnutzung der Wirbelsäule ist zu 70 Prozent genetisch bedingt. Das heißt, weder das Körpergewicht noch das schwere Heben im Job sind bei Dirk Sander die Ursache für den Bandscheibenvorfall. So lange er sich bewegt und seine Muskeln trainiert, ist das für den Rücken nicht problematisch.

Er geht vollkommen richtig mit dem Bandscheibenvorfall um. Wenn die akuten Beschwerden vergangen sind, braucht er auch nichts weiter zu tun als bisher auch, nämlich körperlich aktiv zu sein und regelmäßig Übungen zu machen.

Protokolle: Monika Herbst, Wiebke Peters, Michèle Rothenberg Fotos: Monika Herbst (2), Clipart (1), privat (1)

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