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zu wenige "gut gebildete Männer"? Warum Frauen sich ihre Eizellen einfrieren lassen

Social Freezing
© peopleimages.com / Adobe Stock
Wenn Frauen sich ihre Eizellen einfrieren lassen, geht es ihnen nicht um die Karriere – vielmehr fehlt der richtige Beziehungsmensch: Es gebe einfach nicht genug gut gebildete Männer, sagt die Anthropologin Marcia C. Inhorn, die sich mit dem Thema in ihrer Forschung befasst hat.

"Die biologische Uhr tickt" – ein Satz, den wohl jede Frau ab 30 kennt. Wer einen Kinderwunsch hat, müsse sich mit der Familienplanung langsam ranhalten: Ab 35 werde es schwierig, ab 40 fast unmöglich ein Kind zu bekommen. Das sogenannte "Social Freezing" oder "Egg Freezing" verspricht Frauen, ihre Fruchtbarkeit hinauszuzögern und selbstbestimmt Kinder zu bekommen, wann sie möchten. Doch das Einfrieren der Eizellen ist äußerst kostspielig ­– und keine Garantie für eine erfolgreiche Schwangerschaft. 

Mit den Gründen, warum Frauen sich der körperlich fordernden Prozedur unterziehen, beschäftigt sich die Anthropologin Marcia C. Inhorn in ihrem Buch "Motherhood on Ice: The Mating Gap and Why Women Freeze Their Eggs". Auf Deutsch etwa: "Mutterschaft auf Eis: Die Paarungslücke und warum Frauen ihre Eier einfrieren". Dafür befragte die Yale-Professorin 150 US-amerikanische Frauen, die sich ihre Eizellen einfrieren ließen. Ihr Fazit: Es gebe einfach nicht genug gut gebildete Männer.

In einem Interview mit dem österreichischen "Standard" erklärt die Amerikanerin, wie das Ungleichgewicht zwischen gut gebildeten Frauen und Männern mit der Familienplanung zusammenhängt und was Dating-Apps und Peter Pan damit zu tun haben. 

Was ist Social Freezing?

Unter dem Begriff versteht man das Einfrieren von unbefruchteten Eizellen aus sogenanntem "nicht medizinischen Grund". Ursprünglich war die Technologie als "Medical Freezing" für Krebspatientinnen gedacht. Die reifen Eizellen einer Frau können durch das Einfrieren konserviert und zu einem späteren Zeitpunkt befruchtet in die Gebärmutter eingesetzt werden. So wird die Chance auf eine Schwangerschaft, auch jenseits der 35 Jahre, erhöht. Eine Garantie für eine erfolgreiche Schwangerschaft stellt die sogenannte "Kryokonservierung" der Eizellen allerdings nicht dar und die Patientinnen müssen die Kosten von ca. 4.500 bis 6.000 Euro pro Behandlungsrunde selbst tragen.

Laut Marcia Inhorns Studie sind die Frauen, die sich ihre Eizellen einfrieren lassen, im Durchschnitt 36 Jahre alt, gut ausgebildet und Single. Eigentlich zu spät, sagen Mediziner:innen – denn je früher die Eizellen entnommen werden, desto höher ist die Anzahl und die Qualität der Keimzellen.

Das ist der wahre Grund, warum Frauen sich ihre Eizellen einfrieren lassen

"Es geht den Frauen nicht darum, ihr Leben perfekt planen zu wollen. Sie nutzen die Technologie, weil ihr Leben eben genau nicht nach Plan verlaufen ist, weil sie sich schwertun, einen geeigneten Partner zu finden.", erläutert Inhorn der Journalistin Lisa Breit im Interview. Damit negiert sie das Klischee der karriereorientierten Frau, die ihren Kinderwunsch mithilfe des "Social Freezing" hinten anstellt.

„Es gibt nicht genug gut gebildete Männer“

In ihrem Buch verwendet die amerikanische Professorin den Begriff "mating gap", der so viel wie "Paarungskluft" bedeutet. Er beschreibt das Missverhältnis zwischen gebildeten Frauen und Männern. Heterosexuelle Frauen in den USA würden immer seltener auf einen Partner mit gleichem Bildungsgrad treffen – auch in der EU verfügen Frauen zwischen 25 und 34 häufiger über einen Hochschulabschluss als Männer im gleichen Alter. Für die meisten Frauen aus Inhorns Studie sei der fehlende Partner der ausschlaggebende Punkt für die Entscheidung zum "Egg Freezing" gewesen: „Man mag es wählerisch nennen, aber diese gutgebildeten Frauen wollen sich einfach nicht mit jemandem einlassen, der weniger gebildet ist.“ Dazu käme das Problem, dass Männer sich oft eingeschüchtert fühlen würden, wenn ihre Partnerin erfolgreicher ist als sie selbst. 

Was Peter Pan mit der Familienplanung zu tun hat

Andere Studienteilnehmerinnen hatten kein Problem bei der Partnersuche. Ihr Beweggrund für das Konservieren der Eizellen waren unterschiedliche Vorstellungen in der gemeinsamen Familienplanung. Ihr Partner wäre noch nicht bereit dazu gewesen, Verantwortung zu übernehmen, sagt Inhorn und nennt diese Männer "Peter Pans" – nach der Fantasiefigur, die niemals erwachsen wird. "Für Frauen, die in ihren späten 30ern sind und einen starken Kinderwunsch verspüren, sind solche Partner Zeitverschwendung. Kinderlos zu bleiben ist eine legitime Wahl, aber man muss zu Beginn einer Partnerschaft ehrlich darüber sprechen.", urteilt die Professorin im Interview. 

Während es früher zu den Lebenszielen gehört hätte, eine Familie zu gründen, stelle die jüngeren Generationen die Elternschaft heute vermehrt infrage. Vor allem Dating-Apps würden zu dieser Entwicklung beitragen, man müsse sich nicht mehr auf einen Partner festlegen – das führe dazu, dass Frauen mit Kinderwunsch irgendwann an sich selbst zweifeln und das "Social Freezing" als letzte Hoffnung sehen. 

Freiwillig alleinerziehende Mütter

Frauen, die sich ihren Kinderwunsch schließlich ohne Partner verwirklichen und sich freiwillig für die alleinerziehende Mutterschaft entscheiden, nennt man "Single Mothers by Choice". Den Begriff findet Inhorn allerdings irreführend: "Diese Frauen haben sehr wohl gehofft, einen potenziellen Familienvater zu finden, aber es hat einfach nicht funktioniert." Besonders neu sei folgendes Familienmodell: Frauen, die Kinder mittels Spendersamen bekommen, tun sich mit anderen Müttern, die die Samen desselben Spenders nutzen, zusammen. So können ihre Kinder dann mit ihren biologischen Halbgeschwistern aufwachsen.

Laut der Expertin wird das "Social Freezings" allerdings auch in Zukunft außer Reichweite vieler Frauen sein. Die Kosten für die Hormonbehandlung und den Eingriff seien schlichtweg zu hoch. Außerdem sei die Methode körperlich sehr fordernd – Frauen, die das durchziehen, seien "badass". 

Verwendete Quellen: derstandard.de, klinikum.uni-heidelberg.de, statista.com

Brigitte

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