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Selbstversuch Snowkiten: Ab in die Powerzone

So war das nicht gedacht: Statt mit dem Lenk-Drachen elegante Kurven auf dem Silvaplaner See zu drehen, gab es für Autorin Stephanie Souron erst einmal Nachhilfe in Physik.
Selbstversuch Snowkiten: Ab in die Powerzone
© Max Galli

Das Abenteuer Snowkiten beginnt für mich mit einem kryptischen Gemälde. Snowkite-Lehrer Simon kniet im Schnee und zeichnet mit dem Zeigefinger ein Bild: Ein Halbkreis, der von einer senkrechten Linie geteilt wird. "Die Linie zeigt die Windrichtung an, der Halbkreis ist der Spielraum eures Kite-Segel", sagt Simon. "Wenn ihr das kapiert habt, ist der Rest ganz einfach." Vor Simon breitet sich der Silvaplaner See aus. Wir sind im Oberengadin, in der Schweiz. 40 Kilometer weiter und wir wären in Italien. Hinter dem See, der auch im Sommer bei Surfern und Kitern wegen seiner idealen Windverhältnisse beliebt ist, strecken die Berge des Engadins ihre Spitzen in den Himmel.

Doch zum Snowkiten braucht man gar keine Berge. Denn Snowkiten ist, verkürzt ausgedrückt, wie Schlepplift-Fahren in der Ebene. Man hat zwei Ski oder ein Snowboard unter den Füßen und lässt sich von einem Lenk-Drachen ziehen. Als Skifahrerin hast Du da bestimmt gute Karten, dachte ich, und ich sah mich mit meinem Drachen elegante Kurven über den vereisten See ziehen. Doch erstens ist der See noch nicht vereist. Und zweitens hat mich der Halbkreis mit dem senkrechten Strich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Nach Simons Vortrag wird mir klar: Wer die Ebene zu seiner Piste machen will, muss Physik können. Begriffe wie "Powerzone" und "Windfenster" sind gefallen und ich verstehe nun, dass die wahre Kunst des Kitens darin besteht, den Wind zu beherrschen. Der macht sich momentan allerdings noch rar. Um die Flaute zu überbrücken, erklärt Simon die Steuer-Schnüre des Kite. Dann üben wir erst mal ohne Ski.

Selbstversuch Snowkiten: Ab in die Powerzone
© Max Galli

Mein erster Drachen-Flug endet mit einer Bauchlandung im Tiefschnee. Maike hat Knoten in den Schnüren. Freds Segel hebt erst gar nicht ab. Und der Kite von Michael startet zwar wie eine Rakete, sackt dann aber immer wieder in sich zusammen. Nur Stefan hat den Dreh raus: Den Kite in den Schnee legen, Schnüre leicht spannen, auf den Wind warten, einen Ausfall-Schritt nach hinten machen und gleichzeitig an der Mittelleine ziehen. Wenn der Wind den Drachen dann mitnimmt auf große Fahrt, beginnt der Spaß. Man steuert den Kite nach rechts, nach links und lässt ihn Loopings machen. "Boah, da werden Endorphine frei" sagt Stefan, 44, und schnauft. Eine halbe Stunde später schiebt sich die Sonne durch die Wolken. Der Schnee glitzert und der Wind hat aufgefrischt. Simon teilt große Schirme aus. Acht Quadratmeter Angriffsfläche für den Wind. Und dann dürfen wir endlich die Bretter unterschnallen.

Dominik breitet die Schnüre aus. Etwa 20 Meter liegen jetzt zwischen mir und meinem Drachen. Ich atme tief durch, lehne mich zurück und spüre, wie sich die Schnüre spannen. Eine Sekunde später hebt mein Kite ab. "Drück die Bar von Dir weg", ruft Simon. Der Drachen steigt steiler – und ich fahre los. Wow, was für ein Gefühl! "Jetzt nach links lenken", sagt Simon. Der Drachen zerrt an der Bar, ich folge ihm – und steuere in einen kleinen Schneehaufen hinein. Die Ski verkanten, kurz darauf verschlingt der Schnee Mensch und Material. Als ich wieder auftauche, bin ich leicht benommen. Simon, gibt's da nicht einen Trick? "Üben, üben, üben", sagt der Kitelehrer und lacht. Er hat Recht. Beim zweiten Versuch fahre ich schon 20 Meter, beim dritten Mal sind es 60. In mir steigt Glückseligkeit auf. Ich habe es geschafft, habe den Wind gebändigt! Simon kommt angelaufen. "Gut gemacht", sagt er und klatscht mit mir ab. Ich antworte nicht, sondern bringe meine Ski wieder in Startposition. Wer einmal den Drachen geritten hat ...

Infos Snowkiten

Selbstversuch Snowkiten: Ab in die Powerzone
© Max Galli

Ein Tag Gruppenunterricht in der Snowkite-Schule am Silvaplaner See kosten inkl. Material 240 Schweizer Franken, rund 210 Euro (Ski bzw. Snowboard muss man selbst mitbringen) Infos unter: www.kitesailing.ch Auf der Homepage der Schule gibt es auch Übernachtungstipps – günstiger als im Hotel wohnt man in Privatzimmern oder Ferienwohnungen (ab ca. 60 Euro/Pers. bei Zweierbelegung).

Auch im Erzgebirge in Deutschland gibt es eine Snowkite-Schule: www.snowkiten.de. Es ist von Vorteil, wenn man schon Skifahren oder Snowboarden kann.

Text: Stephanie Souron

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