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Wem die Pulsuhr schlägt

Es reicht, dachte sich BRIGITTE BALANCE-Autorin Sinja Schütte und beschloss, wieder fit zu werden. Ohne Kind, Mann und Kondition machte sie sich auf zu einem wunderbar schmerzhaften Urlaub.

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Doch, da sind noch ein paar Muskeln. Ich kann sie spüren. Mehr, als mir lieb ist. Es ist Dienstag, ich bin den dritten Tag hier und komme nicht mehr aus dem Bett. Samstagmorgen habe ich in Hamburg meinen Koffer zugeklappt, mit vielen Sport-Klamotten darin, denn ich habe Großes vor: fit werden. Die Sportwoche ist gebucht, der "4 health & beauty"-Event des Robinson-Clubs auf Mallorca. Das wurde auch Zeit: Ich bin 37, Mutter einer einjährigen Tochter und habe das Herz einer Sportlerin. Früher hatte ich es zumindest mal, da war ich durchtrainiert: dreimal die Woche Laufen, kein Problem, gern auch mal eineinhalb Stunden am Stück. Das Rad oder der Kopfstand im Yoga klappten ohne Probleme. 90 Minuten "Total Bodyworkout" im Studio, ein Vergnügen. Aber jetzt sind meine Nächte kurz, meine Energie knapp, und meine letzte Jogging-Runde liegt drei Wochen zurück. Ganz zu schweigen davon, dass meine Pulsuhr mir beim Fitness-Test ein knappes "schwach" entgegenleuchtet. Das wird sich im Urlaub ändern - hoffe ich.

Tag 1: Sonntag

Nichts ist so beständig wie die Tischordnung in deutschen Clubs. Ausgeschlafen, allein und voller Tatendrang bin ich nun auf Mallorca, und der Tag liegt vor mir wie ein leeres Blatt Papier. Eben, genau das ist das Problem - 24 Stunden ganz ohne Termine überfordern mich. Gut, dass in einem Club alles strukturiert ist: 29 Seiten hat die Broschüre, an die ich mich klammere, das Fitness-Programm der nächsten Woche. Ich mache mir also erst mal einen Plan. Dann gehe ich frühstücken. Wie jede Mahlzeit im Club gibt es das Frühstück am Buffet. Mit dem vollen Teller laufe ich unauffällig durch die Räume, tue so, als suchte ich jemanden. Das hatte ich nicht bedacht: Auch beim Essen werde ich allein sein. Ich mag das nicht: Am Tisch sitzen, essen, möglichst entspannt gucken, aber niemanden ansehen.

Ich checke aus den Augenwinkeln die Achter-Tische, wer mir sympathisch ist, setze mich zu zwei freundlich lächelnden Mittvierzigerinnen. Beide sind schon zum vierten Mal hier. Sie sitzen immer im selben Raum, wenn möglich auch am selben Tisch. Nichts ist so beständig wie die Tischordnung in deutschen Clubs. Wir unterhalten uns über das Wetter, das Programm und wie wichtig Sport doch ist. Netter Smalltalk eben. Und dann wird es ernst: eine Stunde Pilates. Der Raum füllt sich - Frauen von Ende 20 bis über 70, bunt gemischt: dick, dünn, grau, blondiert, gestylte Fitness-Profis und 80er-Jahre-Trimm-dich-Pfad-Anhängerinnen. Mich strengt die Stunde trotz Anfängerniveau an. Mein Lohn: Ich speichere die ersten 60 Minuten in meiner Pulsuhr und damit 328 verbrauchte Kilokalorien.

Tag 2: Montag

Ich rieche wie ein gigantisches Sesambrötchen. Mein Urlaubsstundenplan sagt: 8:00 Uhr ayurvedische Morgenrituale. Wir gurgeln eine Minute mit purem Sesamöl und spucken es in Kosmetiktücher. Jetzt bin ich definitiv wach! Dann kommt die Reibemassage: Nur in BH und Slip rubble ich mich mit streichenden Bewegungen von oben bis unten ab, meine Haut wird rot und warm, mein rechter Oberarm schlapp. Aber ich gebe nicht auf, verspricht doch der Ayurveda ein Cellulite-freies Leben. Nach dem Abrubbeln wird eingecremt, wieder mit Sesamöl. Jetzt meldet sich mein Magen, kein Wunder, ich rieche ja auch wie ein gigantisches Sesambrötchen. Für den Rest des Tages gehe ich also als turnender Frühstücksgenuss. Als Erstes zu "Athletic Stretch". Ich halte, beuge, stretche und ächze vor Anstrengung.

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Gunda möchte, dass wir an unsere Grenzen gehen. Ich möchte erst mal ein anderes Top anziehen. Zwischen den dezent gestylten Ladys neben mir fühlt sich mein gemütliches Sonntagmorgen-Oberteil plötzlich unförmig an. Und eineinhalb Jahre sportlicher Minimaleinsatz machen meinen Styling-Fehlgriff nicht gerade besser. Ich beschließe, einfach nicht mehr in den großen Spiegel an der Wand zu sehen. Nach der Stunde gehe ich direkt in den Club-eigenen Laden und kaufe zwei Fitness- Tops. Und danach in den Intensivkurs "Yoga & Anti-Aging", das kann ich jetzt gut gebrauchen: Die Zeit ein bisschen zurückdrehen! Die Trainerin spricht über Asanas, die uns jung halten, sogar den Tod besiegen - ich atme, biege mich und stehe Kopf, ganze zwei Stunden lang, für die ewige Jugend und gegen den Rest des Babybauchs. Meine Pulsuhr zeigt am Ende 436 verbrauchte Kilokalorien. Ich bin zufrieden mit der ersten Fitness-Verjüngungs-Offensive und spüre der heutigen Zerreißprobe für meine Bänder und Sehnen nach.

Tag 3: Dienstag

Schmerzen, Tränen und ein armes, gestresstes Herz. Ich kann mich kaum bewegen. Schon das Aufstehen tut weh. Aber es hilft nichts - ich muss mal. Ich ahne: Das wird ein schmerzhafter Tag. Beim Breathwalking-Frühsport ertrage ich den Muskelkater gerade noch. Michaela, die Trainerin, rät mir aber dringend vom Kraftausdauertraining bei Dany ab. So schmeiße ich kurzerhand meinen Tagesplan um und wechsle zu "TriLoChi". Was klingt wie die Nummer 23 auf einer chinesischen Speisekarte, ist eine entspannende Mischung aus Tai-Chi, Qi-Gong und Tanz. Wir wiegen uns in schaukelnden Bewegungen des Windes, greifen schaufelnd ins Wasser und umkreisen Mond und Sonne. Unsere Bewegungen fließen, mich kribbelt es im Nacken, ich fange an zu schwitzen, und ganz plötzlich kommen mir die Tränen, obwohl uns Michaela gut gelaunt durch das Programm führt und ich eigentlich ganz heiter bin. "Ist halt so, da werden so viele Meridiane aktiviert, dass man nie genau weiß, was passiert", sagt Michaela. Gut, dass ich weiß, was geschehen muss: Meine Muskeln brauchen Erholung, ich brauche eine Massage. 50 Minuten Entspannungs-Treatment, das habe ich mir verdient.

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Danach muss ich nur noch die Körperanalyse fürchten. Heute werde ich der Realität ins Auge blicken. Was ist nach 18 Monaten Schwangerschaft, Stillzeit und Schlafentzug noch übrig von meinem Sportlerinnen-Ich und seiner Hülle? Zuerst der Stresstest mit Pulsuhr, in Ruhe am Boden liegend. Dann wiegen, messen und Auskunft geben. Silvie, die Ernährungsberaterin, nimmt mir die Anspannung: Alles normal, ich bin überall im gesunden Bereich, die Zusammensetzung meines Körpers ist okay, was Fett und Muskelmasse betrifft - ich bin eben so, ist das etwas vereinfachte Fazit der Beratung. Okay, denke ich, wenn das so sein soll ... Umso schlimmer der Stresstest: Mein Herz schlägt viel zu gleichmäßig, ein Zeichen für extreme Belastung - und das nach der Massage. In meiner Altersklasse gibt's meinen Wert eigentlich gar nicht, erst ab 50 dürfte mein Herz so rhythmisch schlagen, und selbst dann wäre ich gestresst. Das gibt mir zu denken. Ich beschließe, nicht mehr in den letzten Kurs zu hetzen, sondern in die Sauna zu gehen: Ruhe finden, runterkommen.

Tag 4: Mittwoch

Wie genau verabschiedet man sich taktvoll zwischen Hauptgang und Dessert? Heute Nachmittag fahre ich zum Shoppen nach Palma, mein Kleiderschrank braucht dringend neue Impulse. In Palma regnet es. Meine Stimmung ist auch gleich deutlich kühler. Zeit für ein Sommerkleid. Im Übermut des gerade trainierten Körpers kaufe ich gleich zwei. Noch ein Café con Leche im Internet-Café und ein paar Schuhe auf dem Weg zum Parkhaus, und dann bin ich auch schon wieder auf dem Rückweg. Ich freue mich über meine gerade ergatterten Neuheiten, habe aber auch das Gefühl von verschwendeter Zeit: Wäre ich nicht besser zu "Step 3/4" und "Chi Yoga Dance" gegangen?

Wie gut hätte das wohl meinem Körper getan, und wie viele Kilokalorien das erst auf meiner Pulsuhr gewesen wären ... Abends muss ich mich wieder dem Smalltalk stellen. Zunehmend graut mir davor: Seit Tagen führe ich die immer gleichen Gespräche - morgens, mittags und abends. Es ist anstrengend, wenn die Tischnachbarin nicht redet oder zu viel oder komisches Zeug. Aber wie, bitte, verabschiedet man sich taktvoll zwischen Hauptgang und Dessert vom Tisch, um dann an einem anderen Platz zu nehmen? Ein ungelöstes Problem, das mich den Rest der Woche begleitet.

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Tag 5: Donnerstag

Fitess-Einheit Gemüseschnippeln. Heute will ich kochen lernen. Genauer gesagt, leicht kochen. Um 11:30 Uhr gibt Silvie einen Kochkurs. Sie ist rein äußerlich das weibliche Pendant zu Farin Urlaub von den Ärzten und gibt energisch Anweisungen zum Kräuterhacken, Fleischschneiden und Gemüseputzen. 20 Möchtegern-Köche und -Köchinnen hören auf ihr Kommando und brutzeln in drei Gruppen nur Gesundes mit wenig Kalorien. Nach einer Stunde und kleinen Ehrgeizanfällen von vereinzelten Teilnehmern beim Gemüseschneiden stehen von jedem Gericht 20 Portionen auf dem Herd. Alle kosten und sind begeistert. Ich habe drei neue Rezepte, einen vollen Bauch und verschiebe das nächste Training erst mal auf den Spätnachmittag.

Tag 6: Freitag

Lebt wohl, ihr butterweichen Schoko-Kurse. Diesen Tag möchte ich auskosten, es ist der letzte: "TriloChi", "Chi Yoga Flow" und dann noch "Standing Pilates" - es könnte so weitergehen, aber die Event-Woche ist zu Ende. Die entspannten Body-&-Mind-Kurse mit Namen so butterweich wie Schokocreme werden zu Hause wieder ersetzt durch Bauch-Beine-Po-Stunden und "Step 1-3", reingequetscht zwischen Job, Kind-Abholen und Wäschewaschen. Nach einer Woche Fitness-Urlaub - in Zahlen: nach 11,5 Stunden und 3620 verbrauchten Kilokalorien - habe ich wieder ein Gefühl dafür, was es heißt, sportlich zu sein. Mein Körper ist straffer geworden, zumindest fühlt er sich so an. Beim Kofferpacken lasse ich das Sonntagmorgen-Shirt im Schrank zurück - ich brauche jetzt Platz für meine neuen Tops.

Fit werden im Urlaub

Die Fitness-Event-Woche "4Health&Beauty" findet das nächste Mal voraussichtlich vom 18. bis 25. April 2009 im Robinson-Club Cala Serena auf Mallorca statt. Angeboten wird eine Mischung aus Yoga, Pilates, Rückentraining, Tanz- und Soul-Workouts, dazu Kochund Ayurveda-Kurse. Die "4Health&Beauty"-Kurse sind im Preis für den Cluburlaub enthalten. Ein kürzerer Aufenthalt ist möglich. Das Angebot ist ab Oktober 2008 buchbar. Weitere Fitness- und Beauty-Event-Wochen gibt's z. B. unter www.robinson.com

BRIGITTE Balance 03/08 Fotos: Sabine Martens Sport-Outfits: at.one und privat

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