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Übergewicht - und trotzdem fit

Übergewichtig und trotzdem fit sein - geht das? Klar, sagt Trainerin Dörte Kuhn. Sie hat ein Fitness-Buch für Übergewichtige geschrieben, bei dem es nicht ums Schlankwerden geht.

Brigitte.de: Ihr Buch "Big Gym" ist geschrieben für Leute mit starkem Übergewicht. Und obwohl es ein Fitnessbuch ist, wollen Sie keine Anleitung zum Abnehmen geben. Das ist ja eher ungewöhnlich.

Dörte Kuhn: Stimmt. Mein Buch richtet sich zum Beispiel nicht an Frauen, die sich dick fühlen, aber nur Kleidergröße 40 tragen. Ich habe es für Dicke geschrieben, die endlich mal wieder Sport machen wollen. Und zwar ohne diesen "Werd-endlich-dünn-Druck". Es geht mir darum, diesen Leuten zu sagen: "Hey, Bewegung macht auch Spaß, wenn man zu viel wiegt."

Brigitte.de: Diesen Spaß haben viele Übergewichtige wahrscheinlich verloren, oder?

Dörte Kuhn: Na klar. Wenn man dick ist, wird einem doch immer eingeredet: "Du bist nicht gut so wie Du bist". Und dementsprechend ist dann auch oft das Selbstbild. Wer traut sich denn mit Kleidergröße 52 noch ins Schwimmbad oder in ein Fitnessstudio, wo diese Hungerhaken rumstehen und einen komisch angucken und tuscheln, wenn man in die Umkleidekabine kommt.

Brigitte.de: Das ist in Ihren Fitnesskursen nicht so...

Dörte Kuhn: Ich gebe seit mehreren Jahren Kurse, die nur für Dicke sind. Da sind wir unter uns, alle sind einfach entspannter, weil sie die gleichen Probleme haben. Als ich damit angefangen habe, kamen die Teilnehmer zur Anmeldung und haben geflüstert: "Ist denn die Trainerin auch dick?" Und als sie gehört haben, dass ich tatsächlich auch dick bin, waren sie total erleichtert: Endlich jemand, der sie versteht.

Brigitte.de: Was ist an den Übungen in ihrem Buch und in ihren Kursen denn anders?

Dörte Kuhn: Normalerweise sind Übungen in Fitnessstudios und Zeitschriften auf schlanke Leute ausgerichtet. Mit 50 Kilo Übergewicht sind Liegestütze aber ein echtes Problem. Ich nenne das dann gerne "Weichteilsperre", wenn der Bauch im Weg ist. Oder beim Walken. Da scheuern die Oberschenkel aneinander, was nach einiger Zeit sehr weh tut. Meine Übungen sind auf die besonderen Bedürfnisse von Dicken ausgerichtet. Gleichgewichts-, Kräftigungs- ,Dehnungs- und Entspannungsübungen, die man leicht nachmachen kann. Entweder alleine oder mit mehreren zusammen.

Brigitte.de: Und wie legt man dann am besten los?

Dörte Kuhn: Auf jeden Fall vorher zum Arzt gehen und die Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes oder arthritische Veränderungen in den Gelenken abchecken lassen. Und dann vorsichtig ausprobieren, was einem liegt und Spaß macht.

Brigitte.de: Wie vorsichtig muss man beim ersten Mal sein?

Dörte Kuhn: Es darf halt nicht weh tun. Ich finde eine Pulsuhr ja immer ganz hilfreich, weil man gut sehen kann, wann man zu viel oder zu wenig macht. Wer keine hat, sollte darauf achten, dass er beim Sport noch sprechen kann. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen dafür, dass die Belastung gerade okay ist. Und man sollte sich erst mal kleine Ziele stecken. Viele Übergewichtige haben schon so oft versucht, abzunehmen und sind immer gescheitert. Erst mal darauf achten, dass es wieder Bewegung im Leben gibt, die Erfolge kommen dann von selbst.

Brigitte.de: Dick und fit ist also überhaupt kein Widerspruch?

Dörte Kuhn: Absolut nicht. Es gibt Frauen, die sind noch nicht mal die Treppe in den ersten Stock raufgekommen, als sie bei mir angefangen haben zu trainieren. Zwei von denen werden jetzt gerade selber Trainerin. Das ist ja wohl Beweis genug.

Dörte Kuhn, 33, macht eine Ausbildung zur Heilpraktikerin und arbeitet als Fitness-Trainerin und Referentin. 2001 erschien ihr Buch "Big Gym - Fitness für Dicke" mit Übungen und Tipps für Übergewichtige. Bestelldaten: Dörte Kuhn, Big Gym - Fitness für Dicke, Rowohlt Verlag, 9,90 Euro/ 17,40 sFr, ISBN 3-499-61657-2

Tipp

Dörte Kuhn gibt einmal wöchentlich Fitnesstraining für Dicke: Altonaer Turnverein (ATV), Kirchenstraße 29 in Hamburg, donnerstags von 17.30 bis 18.30 Uhr. Sie empfiehlt, sich bei den Landes- bzw. Stadtsportverbänden nach Angeboten für Übergewichtige zu erkundigen.

Wiebke Peters

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