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Wie Katie Hopkins zum Hassobjekt wurde

Wie Katie Hopkins zum Hassobjekt wurde
© © TLC
Die britische Kolumnistin Katie Hopkins hat den Zorn einer ganzen Nation auf sich geladen - mit einem zweifelhaften Selbstversuch. Unser Gesprächsthema des Tages.

Womit hat sich Katie Hopkins in ihrer Heimat Großbritannien so unbeliebt gemacht?

Mit Sätzen wie diesen:

"Du kannst nicht fett und glücklich sein." "Übergewichtige Menschen treiben unser Gesundheitssystem in den Bankrott." "Dicke brauchen nur einen kräftigen Tritt in den Hintern." "Plus-Size-Models sind nicht hübsch." "Ich habe nichts gegen Magermodels." "Dicke sollen dafür zahlen, dass sie so fett sind."

Ihre zweiteilige TV-Dokumentation "My Fat Story", die der Sender TLC am 2. Januar ausstrahlte und damit einen Quotenhit landete, brachte Hopkins den Titel der "meistgehassten Frau Großbritanniens" ein - und eine eigene Facebook-Seite mit mehr als 68.000 erbosten "Fans".

Worum geht es in der Doku?

Die 39-jährige Britin und dreifache Mutter will mittels eines fragwürdigen Selbstexperiments beweisen, dass Dicke für ihr Übergewicht selbst verantwortlich sind. Der Versuchsaufbau: Innerhalb von nur drei Monaten 20 Kilogramm zunehmen - das sind 30 Prozent ihres eigentlichen Körpergewichts - und die angefutterten Pfunde in ebenfalls drei Monaten wieder abnehmen - ohne Personaltrainer oder Fitnessstudio, nur mit mehr Bewegung und weniger Kalorien. Damit soll das Experiment möglichst realistisch bleiben.

Das klingt mehr nach Selbstdarstellung als nach Aufklärung.

Genau darum kreisen auch die Diskussionen, die die Sendung ausgelöst hat. Denn ein normalerweise schlanker Mensch hat ganz andere Voraussetzungen, abzunehmen als ein übergewichtiger Mensch - zumal die wenigsten innerhalb von drei Monaten so viel zunehmen. Übergewicht kann zig Gründe haben, sei es eine Stoffwechsel- oder Hormonstörung, Stress, Krankheit oder eine vorausgegangene Schwangerschaft. Und dass dieses Experiment auch aus medizinischer Sicht bedenklich ist, muss man ja keinem mehr erzählen.

Wie hat sie es überhaupt geschafft, so schnell so viel zuzulegen?

Indem sie Burger, Kuchen, Chips, Shakes und Schokolade in sich hineinstopfte - 6500 Kalorien pro Tag - und sich so gut wie gar nicht bewegte.

Das ist doch pervers!

Und effektiv. Sie sei dabei an ihre Grenzen gegangen, sagte Hopkins über ihr Projekt, das sie sogar zum Heulen brachte. In einer Szene schluchzt sie mit Blick auf die Liste der Nahrungsmittel, die sie bereits verdrückt hat, und sagt: "Ich hasse diese fetten Menschen, die mir das antun!"

Als würde sie irgendjemand dazu zwingen.

Sie will offenbar mit drastischen Mitteln ihr Lieblingsthema auf die Agenda setzen. Gegenüber dem Sender CNN sagte sie: "Wir haben viel zu lange die Entschuldigungen geduldet, warum Menschen dick sind." Sie könne das alles nicht mehr hören. Weder Konzerne noch Werbung oder die Umwelt seien für das Übergewicht verantwortlich - dicke Menschen bräuchten nur einen kräftigen Tritt in den Hintern, meint Hopkins.

Eine schlichte Sichtweise.

Auf jeden Fall eine polarisierende. Denn egal, wie man Katie Hopkins und ihre Ansichten findet - sie trifft damit einen Nerv. In Großbritannien gilt jeder Vierte als fettleibig. Einer im vergangenen Jahr im Fachblatt "The Lancet" veröffentlichten Studie zufolge, ist weltweit fast jeder dritte Mensch übergewichtig. Auch in Deutschland sind mehr als die Hälfte aller Erwachsenen zu dick, vor allem Männer.

Okay, aber ein solches Vorführen hilft doch auch keinem Dicken weiter.

Im Gegenteil: Studien haben gezeigt, dass das Beschimpfen übergewichtige Menschen nur noch mehr entmutigt, etwas für ihre Gesundheit zu tun.

Und trotzdem bleibt Hopkins bei ihrer Meinung?

Ja. Sie verstehe auch nicht, warum man dicke Menschen nicht mehr als fett bezeichnen dürfe, obwohl dies nun einmal der Wahrheit entspreche. Vor allem dicke Kinder sollten nicht verniedlicht werden. "Man muss Kindern sagen, dass sie fett sind", forderte sie in ihrer Kolumne für die Boulevardzeitung "The Sun".

Puh... Also hat ihr Experiment nicht zu mehr Empathie mit Übergewichtigen geführt?

Na ja - über ihre Erfahrung sagt sie: "Ich weiß jetzt, wie es ist, wenn man fürchterlich übergewichtig ist. Es ist hart, fett zu sein." Doch dagegen könne jeder etwas unternehmen: "Du hast die Wahl: Entweder du gehst den harten Weg und ziehst es durch, oder du findest dich mit der Situation ab und wirst unglücklich bleiben", zitiert sie der "Telegraph".

Wenn das Abnehmen so einfach wäre, gäbe es wohl kaum eine milliardenschwere Diät-Industrie.

Dass die Rechnung "mehr Bewegung + weniger Nahrung = Wunschgewicht" für viele Übergewichtige nicht aufgeht und sie für eine Gewichtsreduktion vielmehr ihr komplettes Leben umkrempeln müssen, scheint Frau Hopkins nicht glauben zu wollen. Apropos glauben: Als nächstes Projekt möchte sie einen Monat lang als Muslima leben. Ob sie damit in Sarrazins Fußstapfen tritt?

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