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Reiten lernen als Erwachsene - ein Selbstversuch

Reiten lernen als Erwachsene - ein Selbstversuch
© Photodisc/Thinkstock
Reiten lernen ist nichts für Erwachsene? BRIGITTE-Mitarbeiterin Monika Herbst wollte das nicht glauben und machte den Selbstversuch.

"So, und jetzt galoppieren wir. Monika, willst du auch?" Ich schlucke. Heute ist meine siebte Reitstunde und mir scheint der Boden weiter weg denn je. Ich reite auf Gina. Zum ersten Mal. Das Pferd und ich, wir kennen uns noch nicht. Ich vermute, Gina weiß, wie man galoppiert - ich weiß es nicht.

Das heißt, eine grobe Vorstellung habe ich davon. Meine erste, nicht ganz freiwillige Einführung in die Kunst des Galoppierens hat mir Rico in meiner dritten Stunde gegeben. Ausgerechnet Rico, das Pferd, das ich schon mal 20 Minuten angetrieben habe, ohne dass es sich auch nur einmal dazu bequemte, vom Schritt in den Trab zu fallen. Das Pferd, dem ich die Schmach verdanke, die Buchautor Horst Stern so formulierte: "Es gibt in der ganzen Reiterei keinen trostloseren Anblick als einen Anfänger, der sich vergeblich quält, ein Pferd in Gang zu bringen".

Typische Anfängerfehler: Die Zügel sind zu lang, die Absätze zu hoch.
Typische Anfängerfehler: Die Zügel sind zu lang, die Absätze zu hoch.
© Privat

An der Longe und mit mir auf dem Rücken hatte Rico keine Lust zum Traben - so viel war klar. Nur: Mich wurde Rico so schnell nicht los. Dafür aber die Longe. Wir versuchten es ohne. Sichtlich befreit trabte das Pferd los.

"Oberkörper zurück, Fersen tiefer!" Während ich versuchte, den Anweisungen der Reitlehrerin zu folgen, beschloss Rico, dass er vom Traben genug hatte und sprintete los. Zu meinem ersten Galopp. "Zügel anziehen!", hörte ich noch. Zügel anziehen? Unmöglich. Ich brauchte meine ganze Konzentration, um nicht vom Pferd zu fallen. Nach ein paar langen Sekunden hatte die Reitlehrerin Rico gestoppt. Wir standen. Das heißt, Rico stand, ich hing. Meine Füße waren aus den Steigbügeln gerutscht und ich rutschte langsam, Zentimeter für Zentimeter, dem Boden entgegen. Würdelos und unsportlich.

Da saß ich nun auf dem Boden der Tatsachen, in der Novemberkälte im Kunstlicht der Reithalle - ziemlich weit entfernt von den schönen Bildern in meinem Kopf, dem federleichten Galopp über Sommerwiesen und Felder... "Und jetzt gleich wieder rauf aufs Pferd!" hörte ich noch die Stimme der Reitlehrerin.

Die Reiterin muss noch üben, das Pferd hat seine Sache gut gemacht. Gelobt wird mit Klopfen.
Die Reiterin muss noch üben, das Pferd hat seine Sache gut gemacht. Gelobt wird mit Klopfen.
© Privat

Die Startschwierigkeiten waren bald vergessen: In den weiteren Stunden machte sich in meinem Gesicht immer häufiger ein seliges Grinsen breit. Zum Beispiel in den seltenen Momenten erfolgreichen Leichttrabens. Wenn Rico seine Kurven zog, und ich mich, angepasst an den Rhythmus seiner Beine, aus dem Sattel drückte und wieder hinsetzte und alles auf einmal richtig harmonisch schien. Dass Rico weniger auf meinen Schenkeldruck und vielmehr auf das Schnalzen der Reitlehrerin hörte, war mir egal.

Trotz der Wadenkrämpfe und der aufgeriebenen Kniekehlen durch die Reitstiefel (Kommentar einer erfahrenen Reiterin: "Das ist normal bei neuen Stiefeln"), und trotz meiner festen Überzeugung, dass meine Füße niemals festen Halt in den Steigbügeln finden würden, verhalte ich mich inzwischen wie eine pferdeverliebte Zwölfjährige: In meiner Wohnung hängt neuerdings ein Pferdekalender, auf dem Markt kaufe ich Möhren für die Pferde (ein bisschen Bestechung kann nicht schaden), und meine Freizeit würde ich am liebsten nur noch im Stall verbringen.

Zurück zu Gina und meinem ersten offiziellen Galoppversuch. Meine beiden Mitreiter haben ihre Galopprunden bereits hinter sich. "Und?" fragt die Reitlehrerin und blickt mich aufmunternd an. Kneifen wäre blöd, vor den anderen und vor ihr, die gerade mal 16 ist und das Geschehen locker im Griff hat. Ich schlucke. "Was muss ich tun?"

"Erst traben, dann das äußere Bein nach hinten anwinkeln und das Pferd antreiben", kommt ihre Antwort. Aber das Pferd weiß auch so, was zu tun ist. Noch ehe ich irgendein Bein irgendwohin anwinkeln kann, galoppiert Gina los. Ich spüre die Kraft, die in ihr steckt. Wenige Sekunden nur, dann hält sie an. Ich bleibe im Sattel und bin glücklich.

Infos für Reitanfänger

Das klassische Reiten ist in Deutschland am weitesten verbreitet: Rund 709.000 Mitglieder zählt die Deutsche Reiterliche Vereinigung, der Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht. Es ist die Basis für späteres Dressur-, Spring- oder Vielseitigkeitsreiten.

Außerhalb der Reitvereine findet auch eine andere Reitart verstärkt Anhänger: das Westernreiten. Von den Reitern, die nicht in einem Verein Mitglied sind, bevorzugt etwa jeder fünfte das Westernreiten. Der Einstieg ist einfacher: So gibt der Westernsattel Anfängern mehr Halt, weil er breiter ist und vorne einen hohen Knauf hat - dort binden die Cowboys ihr Seil fest. Zudem umschließen die speziellen Steigbügel den Fuß besser und geben dadurch zusätzliche Sicherheit.

Westernpferde sind Arbeitspferde. Die verbreiteten Rassen - Quarter Horses oder Paint Horses - sind kleiner als die Warmblüter der klassischen Reiterei. Ihre Bewegungen beim Schritt und Trab sind langsamer. Geritten wird einhändig - der Cowboy braucht bei der Arbeit eine freie Hand. Während beim klassischen Reiten permanent durch Schenkeldruck und über das Kreuz und die Zügel Signale an das Pferd gegeben werden, gilt für Westernpferde eine Vorgabe so lange, bis sie ein anderes Signal vom Reiter bekommen.

Tipps für Reitanfänger

Das Schöne beim Reiten ist die ausgeglichene Belastung, denn Kraft und Ausdauer werden gleichzeitig und sanft trainiert. Anfänger starten an der Longe. Dabei hält der Reitlehrer das Pferd an der Leine, es läuft im Kreis. So können Sie sich vollständig auf Ihren Sitz und Ihr Gleichgewicht konzentrieren. Wie lange die Longe nötig ist, hängt vom Reiter ab. In der Regel braucht ein Anfänger zwei bis zehn Reitstunden, bis er das nötige Gleichgewichtsgefühl hat.

Ein Reiturlaub ist ideal, um schnell Routine im Umgang mit dem Pferd zu bekommen. Ansonsten sollten Sie, wenn möglich, gleich zwei- bis dreimal pro Woche Reitunterricht nehmen. Bei ein bis zwei Reitstunden pro Woche dauert es etwa ein Jahr, bis man auf dem Pferd so sicher ist, dass man gefahrlos ausreiten kann.

Anlaufstellen: Nicht alle Reitvereine bieten Reitstunden für Anfänger an. Manche haben auch gar keine Schulpferde. Am besten fragen Sie beim jeweiligen Kreisreiterverband nach geeigneten Vereinen und Reitschulen. Westernreiter können sich bei der Ersten Westernreiter Union Deutschland informieren.

Kosten: Eine Reitstunde kostet zwischen 10 und 25 Euro (abhängig vom Verein, von der Stadt und davon, ob es eine Einzelstunde oder ein Kurs ist). Dazu kommt bei Vereinen eine Mitgliedsgebühr von 60 bis 100 Euro im Jahr, inklusive Unfallversicherung. Als Vereinsmitglied muss man für die Reitstunden oft weniger bezahlen.

Ausrüstung: Vor dem Kauf der Ausrüstung sollten Sie sich Zeit lassen. Zum Ausprobieren reichen zunächst ein Helm (den können Sie sich im Reitstall oft leihen, alternativ ist auch ein Fahrradhelm okay), eine alte Hose und Schuhe mit etwa drei Zentimeter hohen Absätzen. Finden Sie Gefallen am Reitsport und wollen weitermachen, sollten Sie sich als Erstes eine Reithose und Reitschuhe beziehungsweise -stiefel anschaffen. Für gute Reitstiefel aus Leder müssen Sie etwa 300 Euro investieren. Mit etwas Glück bekommen Sie auch kaum getragene Ausrüstungen von Anfängern, die mit dem Reiten wieder aufgehört haben.

Text: Monika Herbst

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