Anzeige

Kampfsport: Die Kunst, für mich zu kämpfen

Elegant, kraftvoll und gesund: asiatische Kampfsportarten - ein ganz besonderer Weg, um fit zu bleiben.

Glück kann man hören. Wie es klingt? Hell und klar und auch ein wenig scharf. Es ist ein Ton, der entsteht, wenn eine Sehne nach dem Abschuss eines Pfeils ohne seitliche Schwingungen auf das Holz trifft; dann, wenn die Schützin in den Augenblicken zuvor so in das Aufziehen des Bogens versunken ist, dass sie nichts mehr wahrnimmt: keinen Ort, kein Ziel, kein Selbst; wenn sie nur die Spannung der Sehne spürt; wenn sie den Höhepunkt so lange hinauszögert, bis sich der Pfeil im Moment der größten Dehnung wie von selbst löst, dann, ja dann entsteht Yo Shi, der schöne Ton, das Glück. Manchmal gelingt Cornelia Brandl-Hoff ein solcher Schuss.

Seit 28 Jahren betreibt sie Kyudo, die japanische Form des Bogenschießens. Sie begann, weil ihr die Ästhetik der Bewegungen gefiel - und sie blieb, weil sie in dem Sport etwas fand, von dem sie gar nicht wusste, dass sie danach gesucht hatte: einen Zugang zu sich selbst. Viermal pro Woche übt die Hamburger Schulleiterin in ihrem Verein, dem Alster Dojo, trainiert sich und andere. Längst trägt Cornelia Brandl-Hoff den fünften Dan, den mittleren von zehn Meistergraden; darüber hinaus auch den ehrenden Lehrertitel Renshi. "Das Bogenschießen hilft mir, meine Mitte zu finden." Und es hilft ihr, sich weiterzuentwickeln: "Wenn man immer wieder an der Technik feilt, beginnt man irgendwann, auch an sich selbst zu feilen."

Sagen, was man denkt, und tun, was man sagt

Wie die meisten asiatischen Kampfkünste zielt Kyudo auf die Balance von Körper, Geist und Seele. "Die Kampfkünste beziehen den ganzen Menschen ein, im Gegensatz zu den westlichen Sportarten, die sich auf den Aufbau von Muskeln konzentrieren", sagt Peter Schettgen, Professor für Psychologie in Augsburg. Er selbst betreibt seit 26 Jahren Aikido und beschäftigt sich mit der japanischen Selbstverteidigungstechnik als Lehr- und Lernmethode in der beruflichen Weiterbildung.

Als Leiter des universitären Programms "Führung und Personalentwicklung" nutzt Schettgen Aikido auch für seine Manager-Seminare. Denn wer eine der asiatischen Kampfsportarten betreibt, sei belastbarer und stressresistenter; gewinne innere Ruhe, werde gelassener und ausgeglichener. Kurz: "Man entwickelt sich zu einer authentischen Persönlichkeit, die weiß, was sie fühlt, die sagt, was sie denkt, und die tut, was sie sagt", erläutert Schettgen die positive Wirkung.

An diesem Dienstagabend sind außer Cornelia Brandl-Hoff gut zwei dutzend Männer und Frauen zwischen 20 und 60 zum Kyudo-Training ins Alster Dojo gekommen. Viele tragen einen Hakama, den traditionellen schwarzen Hosenrock, und Gi, das weiße Hemd. Während sich manche noch ihre Lederhandschuhe binden, stehen andere bereits mit ihren 2,20 Meter langen Bögen an der Vorbereitungslinie. Eine kurze Verbeugung zum Ziel, und das tausend Jahre alte Ritual beginnt. Pfeil einlegen, Körper ausrichten, Bogen heben, aufziehen, zielen - jeder in seinem Rhythmus, jeder konzentriert. Eine Nachlässigkeit, und der Pfeil verfehlt sein Ziel. 28 Meter ist die Scheibe entfernt, die historische Kampfdistanz der japanischen Ritter.

Mentale Power, ein starkes Immunsystem und dazu noch richtig fit

Bis Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte Bogenschießen zu den wichtigsten Kriegstechniken Japans. Dann übernahmen Gewehre diese Funktion, und die Zen-geschulten Samurai nutzten den Bogen statt zur Auseinandersetzung mit dem Feind zur Auseinandersetzung mit sich selbst - Kyudo entstand. Auch andere asiatischen Kampfkünste wurden vom Zen-Buddhismus beeinflusst. Sie alle eint das Prinzip, einem Angreifer mit der eigenen Stärke entgegenzutreten. Deshalb bilden sie die "harte Schule", zu der zum Beispiel Karate und Taekwondo gehören. Andere Kampfkünste sind vom Taoismus geprägt: Ihre Strategie ist es, einem Gegner auszuweichen, seine Kraft aufzunehmen und sie dann gegen ihn zu wenden. Außer Tai-Chi zählen zur "weichen Schule" u. a. Win Tsun und Hapkido.

Angriff und Verteidigung sind aber längst nicht mehr der Hauptgrund dafür, warum die Kampfsportarten weltweit so viele Anhänger haben. Vielmehr stehen inzwischen gesundheitliche Vorteile im Vordergrund. Sämtliche asiatischen Kampfkünste enthalten viele meditative Elemente. "Und weil die einen positiven Effekt auf die psychische Stabilität haben, wird dadurch auch das Immunsystem gestärkt", sagt der Arzt und Wissenschaftler Marc Ziegler vom Institut für Sport- und Bewegungsmedizin in Hamburg. Der ehemalige Judoka schätzt die Kampfkünste auch deshalb, weil sie Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit, Beweglichkeit und Koordination zugleich trainieren: " Ein vielfältiges Spektrum an motorischer Beanspruchung fördert die Gesundheit mehr als monotone Sportarten." Cornelia Brandl-Hoff legt besonderen Wert auf den mentalen Aspekt von Kyudo: "Ich werde immer gelassener - im Umgang mit Stress, mit schwierigen Situationen, mit mir selbst." Das treibt sie an, diszipliniert zu trainieren. Genauso wie Yo Shi, der perfekte Schuss, der schöne Ton, das Glück. "Das ist ein Moment absoluter Freiheit. Und ich ahne, was mein Lehrer meinte, als er vom Frieden des Herzens durch das Bogenschießen sprach."

Trainingsmethoden aus Japan: Kyudo und Karate

KyudoSo geht's: Der rituelle Bewegungsablauf ist in den acht Hassetsu genau festgelegt: von der Fußstellung über den Auszug des Bogens auf Ohrhöhe bis zum Lösen des Pfeils bei maximaler Dehnung. Das bringt's: Kyudo verbessert die Konzentrationsfähigkeit, trainiert die innere Ruhe und Gelassenheit und wirkt sich positiv auf Körperhaltung, Kraft, Balance und Bewegungskoordination aus. Besonders geeignet: für alle, die Kopf Körper gleichermaßen fordern wollen. Infos: Deutscher Kyudo Bund e.V.: www.kyudobund.de; www.alster-dojo.de; Kyudo Tübingen e.V. (mit Texten und Bildern für Anfänger): www.kyudo-sum.de

KarateSo geht's: Jedes Training beginnt und endet mit einer kurzen Meditation. Geübt werden Würfe, Hebel und Blocktechniken zur Selbstverteidigung sowie Schlag-, Stoß- und Trittbewegungen. Das bringt's: Karate schult Beweglichkeit, Ausdauer sowie die Reaktionsfähigkeit, Konzentration und Gelassenheit. Besonders geeignet: für alle, die ihre Fitness verbessern möchten und zugleich Stress abbauen wollen. Weitere Infos: DKV, Deutscher Karate Verband e.V.: www.karate-dkv.de; DJKB, Deutscher JKA-Karate Bund e.V. (Fachverband für traditionelles Karate): www.deutscher-jka-karate-bund.de; Seite mit Links zu deutschen Bundes- und Landesverbänden: www.karate-do.de

Trainingsmethoden aus Korea: Taekwondo und Hapkido

TaekwondoSo geht's: Zu den wichtigsten Techniken gehören Kicks in Bauch- oder Kopfhöhe - gedreht, gesprungen, doppelt oder dreifach; außerdem Fauststöße zum Angriff und zur Verteidigung. Das bringt's: Taekwondo fördert Schnelligkeit, Beweglichkeit und Kraft sowie Geduld und innere Ruhe. Besonders geeignet: für alle, die ein technisch und taktisch anspruchsvolles Training suchen. Infos: DTU, Deutsche Taekwondo Union(deutsche Sektion der World Taekwondo Federation): www.dtu.de; ITF Deutschland (der deutsche Nationalverband der International Taekwon-Do Federation): www.itf-d.de; allgemeine Infoseite: www.taekwondo.de

HapkidoSo geht's: Ist dem defensiv ausgerichteten japanischen Aikido sehr ähnlich. Kreisförmig ausgeführte Würfe und Hebel lenken die Angriffe zum Gegner zurück und machen sie wirkungslos. Gelehrt werden aber auch Tritt-, Schlag- und Waffentechniken und Atemübungen für den effektiven Einsatz der Lebensenergie Chi. Das bringt's: Hapkido bietet ein umfassendes körperliches Training sowie Übungen zur gezielten Atmung, Konzentration und Meditation. Besonders geeignet: für alle, die eine eher tänzerisch-elegante Form der Selbstverteidigung suchen. Darüber hinaus ist die Technik ideal für zierliche Menschen. Infos: offenes Online-Forum: www.hapkido.de; allgemeine Infoseite: www.hapkido-info.net

Trainingsmethoden aus China: Tai-Chi und Wing Tsun

Tai-ChiSo geht's: Ursprünglich eine explosive Boxtechnik, heute liegt der Schwerpunkt auf der gesundheitsfördernden Wirkung. Langsam und fließend werden festgelegte Bewegungssequenzen ausgeführt - allein oder mit Partner. Durch permanente Gewichtsverlagerungen ist der gesamte Körper in Bewegung. Dazu wird eine Atemtechnik trainiert, die den Energiefluss Chi lenkt. Das bringt's: Fördert die körperliche und mentale Balance, baut Stress ab, regt die Verdauung an und stärkt das Immunsystem. Außerdem werden Sehnen und Muskeln schonend gedehnt, das Bindegewebe vitalisiert und die Beinmuskulatur gekräftigt. Besonders geeignet: für alle, die einen Ausgleich zu ihrem hektischen Alltag suchen und ein ganzheitlich orientiertes Stretching bevorzugen - egal, welchen Alters. Infos: DTB, Deutscher Tai-Chi-Bund (Dachverband für Tai Chi Chuan und Qigong): www.tai-chi-zentrum.de; WCTAG, World Chen Xiaowang Taijiquan Association Germany (die deutsche Sektion desWeltverbandes): www.wctag.de

Wing TsunSo geht's: Eine Art "Best of Kung Fu". 12 Grundbewegungen nehmen die Kraft eines Angreifers auf und verwenden sie anschließend gegen ihn. Häufiger Trainingspartner ist eine Holzpuppe; an ihr werden Schlagkraft, Koordination, Präzision und Schnelligkeit geübt. Gearbeitet wird außerdem mit Suggestions- und Mentaltechniken. Das bringt's: Man lernt, sich erfolgreich zu wehren - auch gegen Stärkere. Besonders geeignet: für sportlich Ungeübte, die in kurzer Zeit eine Technik zur Selbstverteidigung lernen möchten. Infos: EWTO, Europäische WingTsun Organisation: www.wingtsunwelt.de; WTEO, Organisation für Kampfkunst, Körperbewusstsein und Sicherheitstraining: www.wteo.org; EWCO, European Wing Chun Organisation: www.ewcowingchun.de; DWCV, Deutscher Wing Chung Verband: www.wcv.de (Seite im Aufbau)

Text: Gunthild Kupitz Foto: DAK BRIGITTE Heft 20/2006

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel