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Höhentraining auf dem flachen Land

Was bringt es, in einem Fitnessraum mit speziell sauerstoffarmer Luft zu trainieren? BRIGITTE-Mitarbeiterin Alexandra Bürger hat das künstliche Höhentraining ausprobiert.
Höhentraining auf dem flachen Land
© Alexandra Bürger

Der kleine Bildschirm an der Wand rechts von mir zeigt 2500 Höhenmeter an, das Pulsmessgerät am Laufband 130 Schläge pro Minute. Anderthalb Stunden soll ich diese Belastung auf dem höchsten Punkt Hamburgs halten. Moment – auf dem höchsten Punkt Hamburgs? Nein, hohe Berge gibt’s natürlich im norddeutschen Flachland keine, dafür ein künstlich kreiertes Höhenplateau im Gesundheitszentrum Lanserhof am Hamburger Stephansplatz. Zwei Klimaanlagen mischen die Luftverhältnisse so, wie sie in den Bergen herrschen. Bis zu 4500 Höhenmeter können so erzeugt werden.

Bei Leistungssportlern gehört das Höhentraining seit der Olympiade 1968 in Mexiko zum Trainingsprogramm. Aber auch immer mehr Freizeitsportler nutzen die Effekte des Höhentrainings, weil es die Zellregeneration unterstützen, Stress und Fett bekämpfen und für gesünderen Schlaf sorgen soll.

Und das funktioniert so: Durch das Training in der Höhenluft wird eine kontrollierte Sauerstoffarmut in den Zellen hervorgerufen, wodurch der Stoffwechsel auf Hochtouren gebracht wird. Der Körper produziert verstärkt rote Blutkörperchen, dadurch werden die Kapazität von Sauerstoffaufnahme und -transport und die Ausdauerleistungsfähigkeit ähnlich wie beim Blutdoping erhöht. Markus de Marées, Leiter der Abteilung Leistungsdiagnostik und Höhenmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln, ist davon überzeugt, dass um in der Weltspitze mit laufen zu können, Höhentraining unabdingbar ist: "Die hundert besten Marathonläufer der Welt trainieren mindestens vier Monate im Jahr in der Höhe", schätzt der Experte.

Aber gilt das auch für eine einfache Freizeitjoggerin wie mich? Ich will es genau wissen. Aber einfach aufs Laufband springen und draufloslaufen geht nicht, zuerst ist ein zweistündiger Diagnostiktest dran. "Die Höhe ist ein Reiz. Der Körper gerät beim Höhentraining in eine Mangelsituation, das bedarf einer guten Gesundheit. Falls kardiale Risiken vorliegen, müssen wir das vorher wissen, dann kann das Training gegebenenfalls nicht stattfinden", sagt Mareike Schumacher, 32, Teamleiterin des Sport- und Bewegungsteams im Hamburger Lanserhof. "Außerdem können wir mit der Diagnostik den Fitnesszustand eines Gastes feststellen und herausfinden, wo Defizite liegen, wie es um die Ausdauerfähigkeit bestellt ist, und das Training so optimal auf jeden Einzelnen abstimmen."

Glück gehabt: Bei mir ist alles in Ordnung. Das reguläre Höhentraining umfasst dann zwölf Trainingseinheiten à 90 Minuten. Vor dem ersten Training mache ich mir Sorgen, dass ich das Training unter den Bedingungen nicht gut durchstehe. Aber schnell merke ich, dass mich die 2500 Höhenmeter kaum beeinträchtigen. Das Programm ist so auf mich zugeschnitten, dass ich das Training mühelos durchhalte, ohne wirklich aus der Puste zu kommen. Zuerst absolviere ich eine Stunde auf dem Laufband – strammes Gehen bei fünf Stundenkilometern und einer Steigung von fünf Prozent, dann zehn Minuten auf der Rudermaschine, gefolgt von 15 Minuten auf dem Crosstrainer. Zum Abschluss gibt es ein paar kräftigende Übungen für Rücken und Beine. Ab und zu muss die Trainerin mich daran erinnern, langsamer zu werden, weil mein Puls die 130-Marke knackt. Wenn ich diesen Wert überschreite, ist mein Körper nicht mehr in der Lage, sich genügend zu regenerieren.

Mareike Schumacher vom Lanserhof
Mareike Schumacher vom Lanserhof
© Alexandra Bürger

Kurios: Obwohl ich mich nicht verausgabe, bin ich erschöpfter als nach meinem regulären Sportprogramm – und hungriger. Ich schaffe es, endlich mal wieder zeitig ins Bett zu gehen, und fühle mich morgens deutlich erholter. Die abschließende Bioimpedanzanalyse, bei der die Körperzusammensetzung gemessen wird, ergibt, dass ich innerhalb der vier Trainingseinheiten, die ich in sieben Tagen absolviert habe, ein halbes Kilo Muskelmasse aufgebaut habe, 100 Gramm Fett verloren und meine Wasserablagerungen um mehr als einen Liter reduziert habe. Ein tolles Ergebnis! Dr. de Marées ist von dem Befund überrascht. Er ist sicher, dass dieser Muskelaufbau nichts mit dem Höhenreiz zu tun hat und ich den gleichen Effekt auch mit Training unter Normalbedingungen erzielt hätte: "Man muss zwei Dinge unterscheiden: den Effekt des Höhentrainings und den Effekt des Trainings an sich." Er ist der Meinung, dass das Training in der Höhe durchaus Sinn für Leistungssportler macht, die sich auf einen Wettkampf in der Höhe vorbereiten, oder Hobbysportler, die den Kilimanjaro erklimmen wollen und ihre Höhenanpassungszeit reduzieren möchten. Die positiven Effekte für Gesundheitssportler sieht er jedoch kritisch: "Wenn man drei mal die Woche 90 Minuten lang hypoxische (sauerstoffarme) Luft schnuppert, heißt es nicht, dass man unbedingt fünf Kilo abnimmt. Es gibt Effekte, die in diese Richtung deuten, aber es gibt noch keine wissenschaftlichen Belege." Um Gewicht zu reduzieren und Muskeln aufzubauen, rät er, draußen in der freien Natur zu trainieren, da es "mehr Motivation bietet als ein geschlossener Raum".

Bei meinem ersten Lauf im Freien nach dem Höhentraining zeigt sich, dass sich meine Ausdauerleistung gesteigert hat. Ich laufe locker 40 Minuten durch, ohne aus der Puste zu kommen. Vor den Höhentrainingseinheiten war schon nach einer halben Stunde die Luft raus. Ob das am Training oder der Höhenluft liegt? Ich weiß es nicht.

Das Höhentraining ist leider kein Schnäppchen: 695 Euro kosten die zwölf Einheiten. "Normalerweise halten die Ergebnisse vier bis sechs Wochen. Nach dem Training genügt eine Einheit in der Woche, dann kann man den Pegel gut halten und parallel draußen unter Normalbedingungen weiter trainieren", so Mareike Schumacher vom Lanserhof. Ohne weiterführendes Höhentraining verschwinden die positiven Effekte nach einigen Wochen.

Weitere Infos finden Sie hier:www.lanserhof.com/lans-medicum-hamburg.html

Text: Alexandra Bürger

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