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Kann Pilates zu Rückenschmerzen führen?

Orthopäden warnen, dass Pilates Rückenschmerzen auslösen kann. Was ist dran an dem Vorwurf? Und worauf muss man beim Training achten?

Rücken-Spezialisten schlagen Alarm: "Pilates-Opfer" nennen sie die Patienten, die sich beim Training Probleme mit der Bandscheibe zugezogen haben. Das berichtete das Nachrichtenmagazin Spiegel im November 2007 - und alarmierte damit zahlreiche Freizeitsportler. Denn die waren bislang überzeugt, ihrem Rücken mit Pilates etwas Gutes zu tun.

Das ganzheitliche Körpertraining stärkt die Körpermitte, sorgt für gerade Haltung und einen gesunden Rücken. "Pilates ist eine hervorragende Methode, und nahe an dem dran, was wir in unserer Therapie mit Rückenpatienten machen. Daran hat sich auch nichts geändert", beruhigt Dr. Joachim Mallwitz, Orthopäde im Rückenzentrum am Michel in Hamburg und ausgebildeter Physiotherapeut.

Schlechte Erfahrungen mit Pilates

Tatsächlich gibt es aber inzwischen zahlreiche Frauen, die mit Pilates schlechte Erfahrungen gemacht haben. Eine von ihnen ist Michèle (29), die täglich viele Stunden vor dem Computer sitzt. Die Verspannungen im Nacken sind bei ihr manchmal so stark, dass sie sich über den ganzen Rücken ausbreiten. Sie versuchte, mit Pilates gegenzusteuern. Nach drei Kursstunden im Betriebssportverein gab sie auf: "Ich hatte das Gefühl, dass ich mich bei den Übungen noch mehr verkrampft und verspannt habe. Die Bewegungen und das lange Halten kamen mir unnatürlich vor. Danach hat mir jedenfalls alles weh getan, auch die Hüfte fing plötzlich an zu schmerzen", erzählt sie.

Sie ist nicht die Einzige. Auch in der BRIGITTE-Community berichten Userinnen über negative Erfahrungen. So klagt beispielsweise "Smetro" ebenfalls über Nackenschmerzen nach dem Training.

Schlimmer noch soll es eine Pilates-Anfängerin aus Berlin getroffen haben. Mit einigen Kilos zuviel auf den Hüften startete sie das Training. Sie war hoch motiviert, ging dreimal pro Woche zum Kurs - und zog sich einen Bandscheibenvorfall zu. Diese Geschichte erzählt Kerstin Schoeneck, erfahrene Pilates-Trainerin und seit vergangenem Jahr Inhaberin eines Pilates-Studios in Lüneburg. Die Berlinerin hat sich offensichtlich beim Training überfordert.

Anfängern fehlt die Kraft, um den Rücken zu stützen

"Pilates ist ein intensives Ganzkörpertraining. Es wirkt sehr schnell", sagt Kerstin Schoeneck. Wenn jemand mit Übergewicht eine Stützübung mit dem ganzen Körper macht, ist die Belastung entsprechend höher als bei Normalgewichtigen - und gerade Anfängern fehlen häufig die Muskeln, um das Gewicht zu halten und nicht im Hohlkreuz durchzuhängen. Deshalb empfiehlt die Expertin zum Einstieg Einzelunterricht (der allerdings mit rund 50 Euro pro Stunde nicht ganz billig ist). Wäre die übergewichtige Frau zu ihr gekommen, hätte sie mit ihr erst am Pilates-Gerät trainiert, dem so genannten Reformer, um die Belastung individuell zu dosieren.

Und woher kommen die Nackenschmerzen? Kersten Schoeneck: "Bei Übungen mit abgehobenem Oberkörper wird der Kopf schnell mal zu weit in den Nacken gelegt oder die Schultern hochgezogen. Manchmal ist auch die ganze Statik leicht schief", erklärt sie. Da man das selbst oft nicht merkt, ist der Trainer gefragt - der in einem Kurs mit 20 und mehr Teilnehmern aber nicht jeden im Blick haben kann.

Ein überfüllter Kurs ist aus Sicht von Kerstin Schoeneck auch aus einem anderen Grund problematisch: Untrainierte schaffen es nicht, 45 Minuten lang die Bauchspannung (das so genannte Powerhouse) zu halten. "Wer mit Joggen anfängst, schafft es ja auch nicht gleich eine Stunde am Stück durchzulaufen", sagt sie. Für viele Pilates-Übungen ist das aber eine wichtige Voraussetzung, um den Rücken ausreichend zu stützen.

Pilates nicht der Grund für einen Bandscheibenvorfall

Individuelle Betreuung findet auch der Orthopäde Dr. Joachim Mallwitz wichtig. Wer Schmerzen im Kreuz hat, sollte sich am Anfang die Grundstabilität und von einem Physiotherapeuten zeigen lassen - und dann, richtig geschult, zum Pilateskurs gehen. Ansonsten gibt er Entwarnung: "Das Pilates an einem Bandscheibenvorfall Schuld sein soll, glaube ich nicht". Die Begründung: Die meisten Bandscheibenschwächen sind auf genetisch bedingte Bindegewebsschwäche zurückzuführen - und klar, ein Vorfall kann dann zufällig in einem Pilateskurs ausgelöst werden, aber genauso gut auch woanders.

Und das der Körper bei Überforderung mit Schmerzen reagiert - das erzählen seine Patienten vom Pilates genauso wie vom Kieser-Training, einem gesundheitsorientierten Krafttraining, das vor allem Rückengeplagten empfohlen wird, - ohne das man eines von beiden grundsätzlich in Frage stellen müsste. Man sollte es mit dem Training eben nicht gleich übertreiben – speziell als Anfänger.

Warnzeichen - woran merke ich, dass mir das Training nicht gut tut?

  • Vorsicht bei Schmerzen während oder nach einem Kurs. Die Übungen dürfen anstrengend sein, aber nicht weh tun. Kritische Bereiche sind der Nacken und der untere Rücken (Lendenwirbelsäule). Im Zweifelsfall lieber einen Orthopäden oder Physiotherapeuten aufsuchen.
  • Probleme beim Einschlafen nach dem Kurs können ein Zeichen von Überanstrengung sein.
  • Pilates bedeutet Entspannung. Niemand sollte gestresst aus dem Kurs kommen.

Worauf sollte ich bei der Suche nach gutem Pilates-Training achten?

Fragen Sie nach: Welche Ausbildung hat der Trainer oder die Trainerin gemacht? Wochenend-Crash-Kurse statt fundierter Ausbildungen sind keine Seltenheit in der Fitnessbranche. Eine Übersicht über anerkannte Pilates-Institute finden Sie beim Pilates-Verband. Besonders zum Einstieg sind kleine Gruppen oder Einzelunterricht ideal.

Text: Monika Herbst

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