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Statt Fahrrad und Bahn - zu Fuß durch Hamburg

Kann man in einer Großstadt alles zu Fuß erreichen? BRIGITTE-Redakteurin Freddy verzichtete eine Woche lang auf ihr Fahrrad, nahm weder Bus noch Bahn - und entdeckte ihre Stadt ganz neu.

Vier Grad, Regen, Orkanböen - meine Woche ohne Fortbewegungsmittel beginnt echt unschön. Aber ich bin ja nicht aus Zucker, sage ich mir, und stapfe los, den Kopf gesenkt, die Kapuze ins Gesicht gezogen. Gleich am ersten Tag komme ich klitschnass im Verlag an. Aber kein Problem, im Schrank liegt die Ersatzklamotte.

Irgendwie haben meine Kollegin Nicole und ich mich in einer fröhlichen Feierabendlaune in diese Situation manövriert und nun bin ich eine Woche zu Fuß in Hamburg unterwegs. "Ich gehe heute mal nach Hause", erzählte ich ihr. Das Fahrrad war in der Werkstatt, öffentlicher Nahverkehr nervt mich meistens und ich konnte etwas frische Luft nach dem anstrengenden Tag im Büro gut brauchen. "Das könnte man auch mal eine Woche lang machen", antwortete Nicole. Sie hatte gerade unsere Kolleginnen gebeten, testweise auf etwas zu verzichten. Die ist ja verrückt, dachte ich. Und dann: Warum eigentlich nicht? Trotz meiner regelmäßigen Joggingrunden und viel Radfahrerei wünsche ich mir schon lange mehr Bewegung im Alltag. Also sagte ich spontan zu.

Bewegung bekomme ich in dieser Woche genug. Schon am zweiten Tag gehe ich die gut sechs Kilometer zum Baumarkt, um eine Feile zu kaufen. Der Baumarkt wird bald endgültig geschlossen - und die Feilen sind bereits aus. Ohne Feile mache ich mich fluchend, aber lachend wieder auf den Rückweg, nehme eine Abkürzung, verlaufe mich, und als ich endlich wieder zu Hause ankomme, bin ich 14,73 Kilometer gegangen. Die Beine sind ganz schön müde.

Den Sonntag verbringe ich zum Ausgleich faul auf dem Sofa. Der Schrittzähler, den ich während dieser Woche trage, verzeichnet heute nur knapp 3800 Schritte. Klar, vom Bett zum Bäcker, zum Sofa, in die Küche, ins Bad und wieder ins Bett - das ist selbst in einer großen Wohnung keine Weltreise.

Ich entdecke Hamburg neu

Das Wetter schlägt um, von ungemütlich auf noch ungemütlicher. Ich laufe trotzdem weiter. Und entdecke auf meinen Streifzügen durch Hamburg die "Kleine Konditorei", die eines Tages plötzlich weg war, in einem anderen Viertel wieder. Auch das kleine Café an der Ecke fällt mir zum ersten Mal auf. Die haben schon morgens um acht Schwarztee zum Mitnehmen - gut zu wissen, falls ich mal einen frühmorgendlichen Tee-Notfall erleben sollte.

Ich kenne meine Stadt, aber sie verändert sich stetig und diese Veränderungen bemerke ich oft gar nicht. Jetzt nehme ich alles viel deutlicher wahr. Gern würde ich mich den Entdeckungen unterwegs intensiver widmen. Aber leider fehlt mir die Zeit. Das Zufußgehen übersteigt das Maß des Machbaren im Alltag. Für jeden Weg muss ich mindestens doppelt so viel Zeit einplanen wie vorher. Und nach ein paar Tagen bin ich genauso zielorientiert wie früher auf dem Rad oder in der U-Bahn. Ich flitze (wie man eben zu Fuß flitzt) von A nach B nach C und wieder zurück nach A. Aber meine Wanderungen durch Hamburg pusten mich gründlich durch, fordern meine Fitness heraus, und wenn ich abends nach Hause komme, habe ich den Arbeitsalltag auf den Gehwegen zurückgelassen.

104.145 Schritte

10.000 Schritte soll man täglich gehen, heißt es. Als Büromensch schaffe ich das nicht. Wie erschreckend wenig ich mich im Arbeitsalltag bewege, wird mir während meiner Woche ohne Fortbewegungsmittel bewusst. 104.145 Schritte bin ich in sieben Tagen gegangen. Es ist ein beiläufiges Fitnesstraining und das erste Mal seit Monaten habe ich, die sonst immer blass um die Nase ist, eine gesunde Gesichtsfarbe mit roten Wangen von der frischen Luft.

Für die Zukunft nehme ich mir vor, mehr spazieren zu gehen, gern auch weniger zielorientiert. Auch wenn man schon jahrelang in derselben Stadt lebt - zu Fuß nimmt man sie mit neuen Augen wahr.

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