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Diese Wirkung hat Sport auf dein Gehirn

Diese Wirkung hat Sport auf dein Gehirn: Frau sitzt im Schneidersitz
© Luna Vandoorne / Shutterstock
Wie Sport aufs Gehirn wirkt: Dazu liefert die Forschung immer neue, spannende Erkenntnisse

Macht Bewegung schlau?

Das, was sie an jenem heißen Sommertag 2008 erlebte, erschütterte die Gehirnforscherin Dr. Manuela Macedonia nachhaltig. Sie saß in ihrem Büro im Leipziger Max-Planck-Institut für Neurowissenschaften und suchte im Internet nach Fachartikeln für ihre nächste Publikation. Von einem Aufsatz war sie besonders angetan; während sie ihn las, machte sie sich am Rand Notizen. Nach einigen Seiten stutzte sie - der Inhalt kam ihr irgendwie bekannt vor. Sie suchte in ihren Unterlagen, und ihr Verdacht bestätigte sich: Denselben Text hatte sie vor einem halben Jahr schon einmal gelesen - an denselben Stellen markiert und mit denselben Notizen versehen. Wie hatte sie das bloß vergessen können?

Manuela Macedonia begann, ihren Lebensstil zu überdenken. Zehn bis zwölf Stunden verbrachte sie damals täglich im Büro. Selbst zu Hause grübelte sie ständig über ihre Arbeit nach und fand nachts nur schlecht Ruhe. Zu wenig Schlaf aber, das wusste die Forscherin natürlich, stört das Kurzzeitgedächtnis. Einen Effekt, den auch Angst, chronischer Stress und Krankheiten wie Depressionen haben. Dazu kommt, dass bereits ab 20 das Gehirn jedes Jahr um etwa ein Prozent schrumpft. Die geistigen Fähigkeiten verschlechtern sich also schleichend; 40-Jährige haben oft schon 20 Prozent der Gehirnstruktur verloren.

Training kann dem Gedächtnis bei der Arbeit helfen

Dr. Manuela Macedonia las sich in die aktuelle Forschung zum Hippocampus ein - dem Arbeitsspeicher unseres Gehirns, verantwortlich für Prozesse wie Lernen und Erinnern. Und sie stieg auf ihr Rad, fuhr täglich 30 Kilometer. Gerade mal ein paar Monate später konnte sie wieder richtig schlafen, ihrem Körper und ihrem Gehirn ging es deutlich besser. Aber ist es wirklich so einfach: ein bisschen Sport, etwas mehr Schlaf, und schwupps, ist alles wieder okay mit dem Denkapparat? Tatsächlich bestätigt die aktuelle Studienlage, dass Sport ein immenses Potenzial hat: Regelmäßiges körperliches Training optimiert Gedächtnisleistung und Lernen und schützt vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz. Eine entscheidende Rolle dabei spielt eben jener Hippocampus, der auch eine Art Schnittstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis ist: Informationen, die wir über unsere Sinne erhalten, fließen im Kurzzeitgedächtnis zusammen und werden dort verarbeitet; alles, was wichtig ist, leitet der Hippocampus ans Langzeitgedächtnis weiter, wobei Nervenzellen wachsen und sich verzweigen.

Manches, was hier gespeichert ist, können wir ein Leben lang abrufen. Die Hauptstadt von Frankreich zum Beispiel oder den Geburtstag der Tochter. Entscheidend jedoch ist: "Nur, was wir im Kurzzeitgedächtnis aufnehmen, wird auch ins Langzeitgedächtnis übertragen", erklärt Hirnforscherin Macedonia. Bei dem Aufsatz, den sie gelesen hatte, funktionierte das nicht - ihr Kurzzeitgedächtnis war durch Schlafmangel und Stress überfordert, die Chance auf Abspeicherung vertan.

Ausdauertraining wie Schwimmen oder Joggen sind am besten

Sport wiederum kann Stress abbauen und die Prozesse im Gehirn unterstützen. Vor allem Ausdauertraining wie Joggen oder Schwimmen sorgt dafür, dass der Körper mehr Sauerstoff ins Blut transportiert, wovon auch der Hippocampus profitiert. Zudem wird ein sogenannter Wachstumsfaktor ausgeschüttet, wenn wir uns bewegen: der Brain Derived Neurotrophic Factor (BDNF). Haben wir genug davon im Gehirn, sind die Zellen stark und kommunizieren gut miteinander. "Er wirkt wie ein Dünger auf das Wachstum und die Differenzierung von Neuronen", sagt Manuela Macedonia. "Die Informationen können dann wesentlich besser vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis übertragen werden."

3 Sporteinheiten pro Woche reichen auch schon aus

Auch einer Alzheimer-Demenz, bei der Neuronen absterben, lässt sich mit Bewegung vorbeugen. "Wir wissen aus vielen Studien, dass regelmäßiges Sporttreiben ab dem mittleren Lebensalter das Risiko einer Demenzerkrankung im Alter um bis zu 60 Prozent reduziert", sagt Dr. Stefan Schneider, Professor am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft der Sporthochschule Köln. Er hat selbst gerade eine Studie dazu durchgeführt: 225 zuvor nicht aktive, ältere Menschen mit beginnender Demenz absolvierten ein Jahr lang ein moderates Ausdauertraining. "Die Teilnehmer, die zwei- bis drei- mal pro Woche Sport trieben, haben ihre kognitive Leistungsfähigkeit deutlich verbessert", sagt Schneider.

Mindestens drei Einheiten pro Woche, so Schneider, sollte man sich und seinem Gehirn gönnen, Dr. Manuela Macedonia plädiert sogar für tägliches Workout. Und: "Die Hinweise in der Forschung verdichten sich, dass hochintensives Intervalltraining effektiver ist als gleichförmiges", sagt Stefan Schneider.

Zur Beruhigung: Zerstreutheit deutet nicht automatisch auf eine beginnende Demenz hin, vor allem nicht bei Menschen unter 60. Oft liegt es schlicht an mangelnder Konzentration, weil das Gehirn durch die Masse an Information überfordert ist. Was hilft: Den grauen Zellen eine Pause gönnen, wenn wir merken, dass nichts mehr geht. Besonders gut abschalten können wir laut Dr. Stefan Schneider, wenn wir etwas tun, was den Kopf frei pustet: meditieren, ein Instrument spielen, das wir gut beherrschen - oder eben joggen gehen.

Brigitte 26/2018

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